II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 38

box 26/
21. Kontesse Mizz 1oder der Fanisientag
anspruchs= allen seinen Krümmungen. Im Anfang war die „Liebelei“.
nheiten und Der Held dieses Stückes wendet in einem gewissen Augenblick
der beste der Inneren Stadt und ihren trügerischen gesellschaftlichen
zarten Schleier über diese Frage
enbet steril diesen retrospektiven
Lockungen den Rücken und sucht sein Glück in der Vor¬
im Tode. Später bekommen die Schnitzlerschen
hen Theater
Zeit der „Liebelei“ hei
stadt. Da verrät sich bereits jene zentrifugale Tendenz in
das heißt
Helden Kinder. Schon im „Vermächtnis“ ist das Kind
Jahren wurde des v#
Schnitzlers Schaffen jener gewisse gesellschaftskritische,
oßes Wort¬
der Held; in „Frau Bertha Garlan“ handelt es sich gleich¬
heißes Töchterchen
wohl auch gesellschaftsfeindliche Zug, der dann mit den
melancholische
falls um ein Kind — um eines, das nicht zur Welt
begann auch die
Jahren immer deutlicher hervortritt. Denn die Helden seiner
diese schlichte
kommt. Auch diese Art von Kindern bestimmt oft das
Fräulein Lolo Lai
späteren Stücke machten nicht mehr in der Josefstadt halt,
eine Melodie
Schicksal der Erwachsenen. Im „Einsamen Weg“, im
ein Adel,
und
wie Fritz Lobheimer, sondern gingen weiter, immer
keift uns das
„Weg ins Freie“ in der „Komtesse Mizzi“ ist das Problem,
Kreisen oft größere
weiter, bis an die Peripherie der Stadt, wo die Villen
chuldig zum
auf sein Wesentliches reduziert, ein Kind. Bis zum „Ver¬
wirkliche. Das Komis
der Reichen und Vornehmen stehen. Der Weg führt am
Eillt, und sie
mächtnis“ hatte Schnitzler eigentlich nur zwei Motive:
daß zwar das Töchter
Volk vorüber, durchs Volk hindurch, direkt in die
eht es uns
Tod und Liebe. Aber von da an schiebt sich ein drittes
des Papa, der aber
Aristokratie. Schon der Herr d. Sala, dessen Landhaus
Geschöpf im
ein: das Kind. Nun erst ist es ein Dreiklang, nun erst
sprüngen der Tochter
draußen am „Einsamen Weg“ sich im Grün der Wiener
in die ver¬
klingt das ganze Leben durch das Werk des Dichters.
gütigen Verstehens, de
Landschaft versteckt, war ein Aristokrat, und die Villa
ich? und
Denn das Kind, nur das Kind, verbindet den Einzelnen
eine sehr heitere J
1
des Grafen Pazmandy, in der die „Komtesse Mizzi“ spielt,
Wienerisch
mit der Gesellschaft; die Liebe ist ein durchaus egoistisches
Die Heiterkeit wächst,
ist nun vollends ein Schloß: „Vor hunderachtzig Jahren
ißen Mädel
Vergnügen, und auch das Sterben muß jeder mit sich
führer der Komtesse ih
gebaut, vor dreißig Jahren renoviert.“ Es mag befremd¬
Es gibt eine
allein abmachen. Aber das Kind ist die Keimzelle des
maturierk hat, unbekan
lich scheinen, daß dieser Weg, der die Gesellschaft zu
heißt sie-
auch die Lolo herein
Staates, jeder gemeinschaftlichen Organisation. Wer
fliehen scheint, in seinem weiteren Verlaufe in die
unvergeßlich
Kinder hat, der muß die Gesellschaft anerkennen oder er
förmlich Abschied zu n
Aristokratie mündet, also wieder in die Gesellschaft,
alle An¬
Sie will heiraten, die
muß sie zu verbessern trachten, aber er muß doch irgend¬
wenn auch in einem höheren und weiteren Sinn.
iges Wort:
man. Der Erwählte
wie Stellung nehmen zu ihr. Das „L’art pour l’art“ ist
Und es mag kurios anmuten, daß aus der Promis¬
diesem ganz
Fiaker, aber in eigener
ein Prinzip für unverheiratete, das heißt für kinderlose
cuität einer Schlager=Mizzi sukzessive die wahrhaft gräf¬
gibt eine
schwenkend, ungebeten
Leute. Auch Schnitzler gelangt aus dem etwas engen
liche Vorurteilslosigkeit der Komtesse Mizzi sich ent¬
sbeth“ heißt
wünsche der wirklich sel
Bezirk seiner Jugend erst an der Hand des Kindes
wickelt. Das sieht paradox aus, ist aber nur logisch.
Frauenschicksal
wir das satirische Gese
heraus. Er geht von der Darstellung kleiner, nur durch
Denn in Wahrheit ist die Distanz vom Volk zur Arisio¬
eOper von
Fürst, Graf, Komtesse,
die Intensität der Anschauung bedeutsamer Einzelschicksale
kratie weit geringer, als die vom Bürzertum zur Arisio¬
uns schuld¬
und es ist eigentlich üh
zur Gesellschaftsbetrachtung, zur Gesellschaftskritik großen
ganz
kratie. Die Jungfer und die Gräfin sprechen oft
ganz ebenso
fessor Windhofer, Zeiche
Stils übet. „Freiwild“, „Lieutenant Gustl“ „Der Weg
denselben Dialekt; nur der bürgerliche Hofmeister, die
eSchwestern
auftritt und von dieser
ins Freie“, „Komtesse Mizzi“ sind nur Stationen dieses
bürgerlichen Gäste des Hauses befleißen sich geniert eines
erisch ist nur
Auftrag zu erhalten, F.
Weges, dieses anderen Weges, der ihn aus der Inneren
reinen Hochdeutsch. Und in der Tat, in einem Salon
en es birgt,
ihr zu grüßen.
Stadt hinausführt.
Fernational, ist
im Dialekt zu sprechen, darf man sich erst von einer
ist der Fürst, ein etwas
So läßt sich die Komtesse Mizzi ganz gut von der
gewissen gesellschaftlichen Position angefangen wieder er¬
Zusammen¬
hausmitglied wie irgen
Liebelei ableiten, und wenn man die beiden Werke
darf.
lauben.
freilich, davon abgesehe
schärfer ins Auge faßt, bemerkt man erst, wie ähnlich sie
Noch in einem anderen Sinne ist die Komtesse Mizzi
groß zwischen dem Fü
einander sind, was man beim ersten Anblick freilich über¬
nichts als eine Weiterbildung, eine Weiterführung des
lionen hat und stark
zi“ ist ein
sah, weil die „Liebelei“ so traurig ist, die Komtesse Mizzi
Liebeleigedankens. Jenes Verhältnis zwischen Fritz und
steins „nur war es im
hen Schlosses,
aber lacht. Dennoch, es ist dasselbe Gesicht. Eine Liebelei
wenn es überhaupt ein Ver¬
Herr Sohn ungefragt l
des Lainzer Christine nämlich,
dort wie hier, nur daß es sich in dem neuen Werke um
an ihn in hältnis war — der Dichter breitet ja einen
etwa in „Aus der Ges
eine handelt, die um achtzehn Jahre zurückdatiert, und deren
verhalten sich zueinandc
letzte Konsequenzen jetzt bloß dramatisch aufgezeigt werden.
Schnitzlers Werke aus der letzten Zeit haben fast alle „Figaro“ zu irgend ein