II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 46

8 8
box 26/1
21. Kontesse Mizz 1odender Fani Lientan
S
Pe
M
Mn

Fortsetzung des Romans „Die Schauspielerin“ von das ganze Stück. Die Komtesse wird sich einem Rudel samen Auflehnung benützt. Rings um Revolutionen
Hans Bartsch Seite 23, vom 13. Jänner 1909.
Männer anwerfen und muß über kurz oder lang ein
hatte die Bühne seit Beaumarchais mit dem Adel
Jortsetzung des Romans „Der Stiftbarzt“ von Theodor
Kindlein kriegen. In diesen natürlichen Folgen liegt
manchen Strauß ausgefochten. „Vous vous étes
nozky Seite 25, vom 13. Jäuner 1909.
schon der Erfolg.
donné la peine de naitre, et rien de plus. Du
reste, homme assez ordinaire!“ Die beiden
Mit einem Komtessenstück hatte man immer den
7
Sätze wurden von den modernen Geistern des
zarten, blauseidenen Begriff der geistigen Un¬
Feuilleion.
sozialen Fortschrittes nicht überholt. Und die
berührtheit und der Zimperlichkeit verbunden. Die
7#7
Men
Kleinen? Im älteren Volksstück durften Adelige
Komtessen bewachten die Keuschheit der Literatur.

Vielleicht erreichte sie gerade darum die Rache der
nicht anders als gebrechlich oder mit Defekten des
Glossen zum Theater.
modernen Dichter. Die Komtessen wurden aus der Verstandes auf dem Theater erscheinen. Nicht einmal
Dichter und Komtesse.
Theaterloge, wo sie, Gefrornes schlürfend und Zuckerl ihre Brieftasche war gesund. Der Adel verpflichtete
Staberl, der Parapluimacher, den man längst
knabbernd, den Fortschritt der neuen Dichtkunst
zum Thaddädeltum. Warum bewegen sich aber
ähnte, treibt sein Unwesen noch in dem modernen
hemmten, auf die Bühne verpflanzt, die sie unter
die modernen Autoren, die Kotzebue und Bäuerle
ter. Er hat nur Kleid, Gestalt und in letzter
dem Gelächter des Publikums zu einer so unge¬
mitleidig belächeln, noch immer in dem gleichen
auch das Geschlecht gewechselt. Um ein hoch¬
hemmten Entwicklung der Geschlechtlichkeit kom¬
engen Kreise? Die alten Kampfer besaßen sittlichen
chrendes Publikum sinnlos und ohne Mühe zu
mandiert, daß selbst Zuschauer vom Feldwebel ab¬
Ernst oder leichte Unbefangenheit. Sie dienten einer
tigen, haben die Dichter den typischen Staberl,
wärts vor diesen Komtessenstücken erröten. Staberl
schweren Zeit des Ständekrieges, oder die Zeit diente
ohne innern Grund, nur durch seine An¬
ist doch auch nicht gerade feinfühlig gewesen.
ihren Stücken. Wie komisch sind aber die An¬
heit, zum Lachen reizt, in die stereotype Komtesse
Man hätte glauben dürfen, daß Strindberg das
strengungen unsrer Dichter, sich auf der abgetretenen
andelt. Die Komtesse besorgt nun den bequemen
Komtessenthema seelisch, physiologisch, pathologisch Stufe zu erhalten! Staberl will durchaus amüsieren
ern das Geschäft der Lustigmacher mit der
und, so weit die sexuelle Anziehung ungleicher Stände und schwitzt dabei und erhitzt sich und merkt in seiner
en Sicherheit. In früher Jugend stahl ich mich
und Klassen in Betracht kommt, hinlänglich aus¬
grotesken Anstrengung gar nicht, daß der Kampfplatz
mit einem Büchlein in die Ecke, das im Format
geschöpft habe. Auf Fräulein Julie folgten aber die der Stände sich längst um einige Stufen nach unten
Kraumbüchel den vielverheißenden Titel führte:
llerbsen oder du sollst und mußt lachen.“ Staberl andern, Komiesse Klo und Komtesse Mitzi, verzerrte
verschoben hat. Sind etwa die kleinen Komtessen dem
Staberlexemplare. Unsre ermüdete, entkräftete Bürgertum gefährlich? Bringen ihre privaten
ganz derselbe kategorische Imperativ auf der
Literatur, der nichts Gescheiteres mehr einfällt, hängt
Neigungen die Gesellschaft in Verwirrung? Ist es
ie, und die neueste Knallerose unsrer hehren
sich noch immer an die Komtessen. Das scheint mir
rischen Kulturhüter ist die Komtesse. Wenn
für die soziale Ordnung nicht gan; gleichgültig, wem
ein Zeichen innerer Schwäche, eine bedenkliche Rück¬
Bäuerles Staberl aus den Kulissen hervor¬
eine Komtesse ihre legitime oder unlegitiwierte Liebe
bildung der Gebildeten, ein Rückfall in die alte, vor¬
wußten unsre Großväter sogleich, was sie von
schenkt? Aber du sollst und mußt lachen! Also können
märzliche Posse.
kypischen Figur zu erwarten haben. Sehen wir
nur Uebertreibungen helfen, die in der Operette
eine Komtesse auf dom Zettel, so bleiben auch
Die unterdrückten Stände haben im Kampfe wenigstens durch die Musik gemildert werden. Die
keinen Augenblick im Zweifel uund kennen sofort lgegen die höhergestellten Klassen die Bühne zur wirk= Staberlkomödie und die Operette sind nicht so