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21. Kont##se Mizzi-oder-der-Fani Lientag
daß, ausgenommen wir selber, alle Dinge nur nach
orzügen und Vorrechten des Standes ausgestattet schiedenen gräflichen Schlößchens bereichert, so but“
ihren eigenen Eigenschaften eingeschätzt werden. Wir
in Behandlung genommen. Da haben sich eben¬
Wesens gemacht?
loben ein Pferd, weil es kräftig und gewandt ist, nicht
rtige Kräfte gemessen. Die moderne Staberltechnik
Artur Schnitzler ist doch ein Dichter mit ehr¬
wegen seines Geschirrs, einen Windhund
acht es sich aber viel zu leicht. Man greift eine
lichster Begabung, von vornehmster Zurückhaltung
wegen seiner Schnelligkeit, nicht wegen seines Hals¬
elige Frucht heraus, die schon Wurmflecken zeigt,
und von erlesenem Geschmack. Und auf der Höhe
bandes. .. Warum schätzen wir einen Menschen nicht
kan zerteilt sie, und mit dem überlegenen Lächeln,
seiner Laufbahn will er uns, wenn auch nur mit
ebenso nach dem ab, was ihm selber zu eigen ist? Er
it der Siegesgeste des Prestidigitateurs werden
einem Einakter, doch umständlicher, als es sonst seine
hat ein großes Gefolge, einen schönen Palast, so viel
ischen Daumen und Zeigefinger die faulen Schnitt¬
glückliche Art ist, mit Unterstreichungen, Wieder¬
Kredit, so viel Einkommen: alles das ist nur um ihn
ichen präsentiert: „Bitte, nichts nutz!“ ... Und
holungen, Nachdrücklichkeiten, diesmal in fetter
herum, nicht in ihm. .. Wenn ihr nun einen Menschen
s ist der Effekt? Dieselben Leute, die heute dem
Schrift und mit gleichsam auseinandergesperrten
abschätzet, weshalb schätzet ihr ihn dann ganz ein¬
mtessentöter zujubeln, bilden morgen wieder im
Lettern dafür interessieren, daß sein Possengraf eine
gehüllt und eingepackt ab? ... Er lege seine Reich¬
byer der Hofoper eine undurchdringliche Mauer der
Liebschaft hat, und daß dessen Geliebte einen reichen
tümer und Würden beiseite; er erscheine im Hemde.
eugier, um die wahren Komtessen in ihren duftigen
Fuhrwerksbesitzer heiratet. Wo leben wir denn und
Ist sein Körper zu seinen Verrichtungen geeignet,
iletten die Prunkstiege herabschweben zu sehen;
in welcher Zeit? Und man soll das Zusammentreffen
gesund und frisch? Was für eine Seele hat er? Ist sie
weichen auch nach ungestrichenen Aufführungen
des Fiakers und der gräflichen Geliebten mit der
schön, tüchtig und gut mit allem ausgestattet? Ist sie
scht vom Platze, ehe die letzte Komtesse sich in den
Komtesse und das unnatürliche Wesen des natürlichen
reich an eigenem oder nur an erborgtem Besitz?“ Man
numerierten geschwungen hat.
Komtessensöhnchens für wahrscheinlich halten? Nein,
vergleiche, mahnt Montaigne, einen rechten Mann mit
Man muß sich wundern, daß gerade den Bühnen¬
da möchte man zugleich um ein Walzerfinale gebeten
der Schar unsrer Leute, „die unwissend, dumm,
toren eines gesellschaftlichen Zirkels, der mit einem
schläfrig, gemein, sklavisch, voll Fieber und Angst und
wissen Nachdruck die eigentlich selbstverständliche
Mit Erregtheit und dauernder Teilnahme
unbeständig sind, fortwährend im Sturme der ver¬
Asgleichung der Klassen und Stände betreibt,
schaue ich in die dunkle Seetiefe der Schnitzlerschen
schiedenen Leidenschaften, die sie überfallen und an¬
äfliche Familien in ihren häuslichen Verrichtungen
Gedanken. Ich bewundere seine meisterliche Technik,
treiben, hin und her schwanken und ganz von andern
scht gleichgültiger sind. Gelten keine Unterschiede,
die klassische Ruhe und das Gleichmaß seiner Sprache,
abhängig sind; da gibt es einen größeren Abstand als
kümmert's mich nicht, ob eine Komtesse Mitzi oder
ich bin von seiner Künstlerschaft so erfüllt, daß ich
zwischen Himmel und Erde, und dennoch ist die Ver¬
ie Mitzi schlechtweg ein Kindlein wiegt. Weshalb
ein Abbiegen von der Linie der Vornehmheit kaum
blendung unsrer Gewohnheit so groß, daß wir fast
r Zorn der satirischen Komtessendichter? Weiß man
angemerkt hätte. Es befremdet mich nur, daß „Kom¬
nicht darauf achten, während wir hingegen, wenn wir
nn nicht, daß eine Komtesse dieselben Organe, die¬
tesse Mitzi“ als Gipfelpunkt des Schnitzlerschen
einen Bauer und einen König, einen Leibeigenen und
ben Triebe und Begehrnisse wie jedes andre weib¬
Schaffens, als eine besonders mutige Adelssatire be¬
einen Edelmann, einen Privatmann und einen
he Wesen besitzt? Muß für diesen platten Nach¬
trachtet wird; in einer Stadt, wo „der einsame Weg“
Beamten betrachten, die sich sozusagen nur durch ihre
is heute noch die obere Schichte der Literatur in
Schnitzlers beharrlich gemieden wird und die tieferen
Beinkleider von einander unterscheiden, plötzlich den
wegung gesetzt werden? Eine Kulturgeschichte
Werke Schnitzlers gar nicht oder nur ruckweise wie Eindruck einer außerordentlichen Verschiedenheit
erhalten“.
dem, die eine Auffassung der Liebe verbreitet,
durch Zufall zum Vorschein kommen. Mutig war es,
ch der eigentlich nur diejenigen Mädchen satirisch
das Adelsthema in früheren Jahrhunderten zu be¬
Ist es nicht Erqu ung, im Anblicke der Dinge,
trefsen wären, die noch niemals ein Kind bekommen
handeln, wenn also Michel de Montaigne (ich über¬
die unsre Literatur mitschwemmt, an die klaren
ben. Mit einem Male wird aus einem vorlauten setze mit Vollgraff) schriet „Was aber die Ab Quellen der modernen gesellschaftlichen Skepsis zurück¬
inen Weltbürger, der den Hausstand eines abge= schätzung der Menschen angeht, so ist es sehr fonderbas zudenkend
Dr. Robert Hirschfeld. (
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daß, ausgenommen wir selber, alle Dinge nur nach
orzügen und Vorrechten des Standes ausgestattet schiedenen gräflichen Schlößchens bereichert, so but“
ihren eigenen Eigenschaften eingeschätzt werden. Wir
in Behandlung genommen. Da haben sich eben¬
Wesens gemacht?
loben ein Pferd, weil es kräftig und gewandt ist, nicht
rtige Kräfte gemessen. Die moderne Staberltechnik
Artur Schnitzler ist doch ein Dichter mit ehr¬
wegen seines Geschirrs, einen Windhund
acht es sich aber viel zu leicht. Man greift eine
lichster Begabung, von vornehmster Zurückhaltung
wegen seiner Schnelligkeit, nicht wegen seines Hals¬
elige Frucht heraus, die schon Wurmflecken zeigt,
und von erlesenem Geschmack. Und auf der Höhe
bandes. .. Warum schätzen wir einen Menschen nicht
kan zerteilt sie, und mit dem überlegenen Lächeln,
seiner Laufbahn will er uns, wenn auch nur mit
ebenso nach dem ab, was ihm selber zu eigen ist? Er
it der Siegesgeste des Prestidigitateurs werden
einem Einakter, doch umständlicher, als es sonst seine
hat ein großes Gefolge, einen schönen Palast, so viel
ischen Daumen und Zeigefinger die faulen Schnitt¬
glückliche Art ist, mit Unterstreichungen, Wieder¬
Kredit, so viel Einkommen: alles das ist nur um ihn
ichen präsentiert: „Bitte, nichts nutz!“ ... Und
holungen, Nachdrücklichkeiten, diesmal in fetter
herum, nicht in ihm. .. Wenn ihr nun einen Menschen
s ist der Effekt? Dieselben Leute, die heute dem
Schrift und mit gleichsam auseinandergesperrten
abschätzet, weshalb schätzet ihr ihn dann ganz ein¬
mtessentöter zujubeln, bilden morgen wieder im
Lettern dafür interessieren, daß sein Possengraf eine
gehüllt und eingepackt ab? ... Er lege seine Reich¬
byer der Hofoper eine undurchdringliche Mauer der
Liebschaft hat, und daß dessen Geliebte einen reichen
tümer und Würden beiseite; er erscheine im Hemde.
eugier, um die wahren Komtessen in ihren duftigen
Fuhrwerksbesitzer heiratet. Wo leben wir denn und
Ist sein Körper zu seinen Verrichtungen geeignet,
iletten die Prunkstiege herabschweben zu sehen;
in welcher Zeit? Und man soll das Zusammentreffen
gesund und frisch? Was für eine Seele hat er? Ist sie
weichen auch nach ungestrichenen Aufführungen
des Fiakers und der gräflichen Geliebten mit der
schön, tüchtig und gut mit allem ausgestattet? Ist sie
scht vom Platze, ehe die letzte Komtesse sich in den
Komtesse und das unnatürliche Wesen des natürlichen
reich an eigenem oder nur an erborgtem Besitz?“ Man
numerierten geschwungen hat.
Komtessensöhnchens für wahrscheinlich halten? Nein,
vergleiche, mahnt Montaigne, einen rechten Mann mit
Man muß sich wundern, daß gerade den Bühnen¬
da möchte man zugleich um ein Walzerfinale gebeten
der Schar unsrer Leute, „die unwissend, dumm,
toren eines gesellschaftlichen Zirkels, der mit einem
schläfrig, gemein, sklavisch, voll Fieber und Angst und
wissen Nachdruck die eigentlich selbstverständliche
Mit Erregtheit und dauernder Teilnahme
unbeständig sind, fortwährend im Sturme der ver¬
Asgleichung der Klassen und Stände betreibt,
schaue ich in die dunkle Seetiefe der Schnitzlerschen
schiedenen Leidenschaften, die sie überfallen und an¬
äfliche Familien in ihren häuslichen Verrichtungen
Gedanken. Ich bewundere seine meisterliche Technik,
treiben, hin und her schwanken und ganz von andern
scht gleichgültiger sind. Gelten keine Unterschiede,
die klassische Ruhe und das Gleichmaß seiner Sprache,
abhängig sind; da gibt es einen größeren Abstand als
kümmert's mich nicht, ob eine Komtesse Mitzi oder
ich bin von seiner Künstlerschaft so erfüllt, daß ich
zwischen Himmel und Erde, und dennoch ist die Ver¬
ie Mitzi schlechtweg ein Kindlein wiegt. Weshalb
ein Abbiegen von der Linie der Vornehmheit kaum
blendung unsrer Gewohnheit so groß, daß wir fast
r Zorn der satirischen Komtessendichter? Weiß man
angemerkt hätte. Es befremdet mich nur, daß „Kom¬
nicht darauf achten, während wir hingegen, wenn wir
nn nicht, daß eine Komtesse dieselben Organe, die¬
tesse Mitzi“ als Gipfelpunkt des Schnitzlerschen
einen Bauer und einen König, einen Leibeigenen und
ben Triebe und Begehrnisse wie jedes andre weib¬
Schaffens, als eine besonders mutige Adelssatire be¬
einen Edelmann, einen Privatmann und einen
he Wesen besitzt? Muß für diesen platten Nach¬
trachtet wird; in einer Stadt, wo „der einsame Weg“
Beamten betrachten, die sich sozusagen nur durch ihre
is heute noch die obere Schichte der Literatur in
Schnitzlers beharrlich gemieden wird und die tieferen
Beinkleider von einander unterscheiden, plötzlich den
wegung gesetzt werden? Eine Kulturgeschichte
Werke Schnitzlers gar nicht oder nur ruckweise wie Eindruck einer außerordentlichen Verschiedenheit
erhalten“.
dem, die eine Auffassung der Liebe verbreitet,
durch Zufall zum Vorschein kommen. Mutig war es,
ch der eigentlich nur diejenigen Mädchen satirisch
das Adelsthema in früheren Jahrhunderten zu be¬
Ist es nicht Erqu ung, im Anblicke der Dinge,
trefsen wären, die noch niemals ein Kind bekommen
handeln, wenn also Michel de Montaigne (ich über¬
die unsre Literatur mitschwemmt, an die klaren
ben. Mit einem Male wird aus einem vorlauten setze mit Vollgraff) schriet „Was aber die Ab Quellen der modernen gesellschaftlichen Skepsis zurück¬
inen Weltbürger, der den Hausstand eines abge= schätzung der Menschen angeht, so ist es sehr fonderbas zudenkend
Dr. Robert Hirschfeld. (