II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 51

21.
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Komtesse Mizz 1oderder-PaniLientag

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THEATER, KUNST, MUSIK.
WIENER THEATER.
In einer Zeit, da bereits vier Wiener Bühnen, die im
vollsten Sinne des Wortes ogoldenes Zahl der 50. Auf¬
Iführung ihres Saisonstückes im Kassenrapport verbuchten,
Tum dann zielbewußt dem Jubikäum der 100. Wieder¬
Tholung zuzustreben, kann der Premièrenreferent wohl ein
wenig pausieren. Die vergangene Woche gab nur zweimal
„Gelegenheit, den Smoking zu lüften, nämlich am 5. d. M.
zu Ehren Schnitzlers im Deutschen Volkstheater, dann am
8. Jänner für den =Schwanengesange im Lustspieltheater.
Die Première beim Weghuberpark war eigentlich kein
richtiger Novitätenabend, denn „Liebeleie ist bereits
vom Hofburgtheater her, die =Komtesse Mizzis aus
einem Österfeuilleton der -Neuen Freien Presses ichaltlich
bekannt. Die Handlung der -Liebeleis ist äußerst dürftig;
der ganze Reiz liegt in den Stimmungen, die Pointe in
deren unvermitteltem Wechsel. Ein Student liebelt mit
illegitimer 18jährigen Sohn, dessen diskrete Geburt mit
einem Mädchen aus dem Volke und flirtet gleichzeitig
der Komtesse Mizzi zusammenhängt, zu Besuch aufs Land,
mit einer Dame aus der Gesellschaft. Letzteres bringt ihm
und gleichzeitig erscheint auch Lolo dort, um sich zu
den Tod im Duell — worüber dem süßen Mädel das
verabschieden. Schließlich findet sich auch der gegen¬
Herz bricht. Trotz der für den Erfolg von Direktor Weisses
wärtige Verehrer der Komtesse ein und oder Familientage
Ensemble gefährlichen Erinnerungen an die Darstellung
ist komplett! Die brillant gespielte Drolerie, in der die
am Franzensring, vermochte das brillante Zusammenspiel
Schwächen und Herzensirrungen höherer Sphüren gewisser¬
einen ungestörten Genuß zu vermitteln. Allerdings reichten
maßen aus der Vogelschau gezeigt werden, hat sehr ge¬
einige Chargen nicht ganz an ihre Vorbilder heran. Dazu
1 fallen; Autor und Darsteller wurden stürmisch gerufen.
kam, daß im ersten Akte anfangs zuwenig tolle, leicht¬
Herr Thaller als gräflicher Lebemann, Herr Kramer als
sinnige und sorgenlos genußfreudige Stimmung im
Fürst, der eine Liebessünde zu sühnen, Fräulein Galafres,
Studentenstübchen herrschte, sondern eine, die beabsich¬
die lebenserfahrene Komtesse Mizzi, die nicht mitfallen
#tigte Kontrastwirkung der späteren Szenen beeinträchtigende
will, und Herr Edthofer als frühreifer Gerngraf, boten
Molltonart, zu der Herrn Edthofers hypersentimentale und
amüsante Chargen. Ganz brillant war Herr Lackner in
allzuweiche Figur des tragischen Liebhabers zwar paßte,
der fast stummen, kurzen Rolle eines Wiener Rosselenkers.
in der aber Schnitzlers köstliche Typen nicht voll wirken
Aus der dankbaren, wenn auch knappen Rolle der Lolo
konnten. Trotz dieser kleinen Mängel bleibt die gute,
vermochte Frau Kramer-Glöckner wenig zu holen; ihre
bloß ein wenig zu nüchterne Aufführung sehenswert,
Verbindung mit dem olfuhrwerksbesitzere wird als un¬
besonders die Leistung des Fräulein Hannemann als
wahrscheinlich empfunden und stört die Handlung. Rein
Christing, die sich, im Anfang unzulänglich, im dritten
psychologisch betrachtet, muß „Komtesse Mizzie, das
Akte zu rührender Tragik emporschwingt. Auch Herr
jüngere, aber seichtere Werk des reiferen Dichters, als
Kutschera, in Sonnenthals Rolle als Vater, bestand mit
das banalere, die # Liebeleis, sein Jugendwerk, dagegen
Ehren. Dagegen war Herr Kramer für den gewissenlosen,
als das geistig und seelisch liefere Problem angesehen
leichtlebigen Freund etwas zu schwerblütig, und auch
werden, das ergreifend wirkt, obgleich es aus den ein¬
Fräulein Waldow, sonst ein lustiger, kecker Schnabel,
fachsten, keineswegs von elementargewaltiger Theaterroutise
vermochte die rSchlager-Mitzie nicht genügend zu charak¬
zeugenden Motiven aufgebaut ist. Das eine ist als Drama,
#terisieren. Der darauffolgende Einakter „Komtesse
das andere als faunisches Lustspiel ein Spiegelbild unseres #
Mizzie ist eine lustige Causerie, deren geschickter und
Gresellschaftlichen Lehens.
witziger Dialog in kurzer Exposition die verwickelten
Liebeserlebnisse dreier Generationen von Aristokraten im
Fluge überblicken, und dank der vielen ironischen Uber¬
raschungen auch humorvoll belächeln läßt. Komtesse Mizzi
ist 37 Jahre alt geworden und ledig geblieben. Sie teilt
sich mit Lolo, einer Ballerine, in die Lebensgewohnheiten
ihres verwitweten Vaters, der sich plötzlich von seiner
Geliebten verlassen sicht, da diese der Bühne entsagt, um
in den heiligen Ehestand zu treten. Um diese Zeit bringt“
Fürst Egon, ein guter Frcund und Gutsnachbar, seinen