II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 56

ontes
21. Kunnese Mizzj oder der Fanilientag box 26/1
Telephon 12.801.
Streitberger nahmen —..
Di.
so fort — ja, wegen der Krebse fuhren wir sogar nach Dödling hin¬
2
„OOSEIVER
aus wo ein submariner geriebener Wirt die Krebse ganz besonders
saftig und wohlgenährt zu Tisch zu bringen verstand — er hielt sie
I österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
nämlich in seinem Hauskanale ..
Prost Mahlzeit! Da vergeht einem bei so übertriebener Fein¬
Wien, I., Concordiaplatz 4.
schmeckerei der Appetit wie bei den häßlichen Komtessenstücken „Kom¬
Vertretungen
tesse Clo“ und „Komtesse Mizzi“, die im Volkstheater
Herr
aufgeführt wurden. Die ersterwähnte Komtesse
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
Dr. Burkhard hat sie auf die Bühne gebracht — hat bereits aus¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
lgerungen — die Komtesse Mizzi Arthur Schnitzlers wird wohl eine
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
kurze Weile noch ihr Bühnenleben fristen und dann ebenfalls ver¬
(Quellenangabe ohne Gewähr).
schwinden. Herr Dr. Burkhard holt ja immer aus einem gewissen
brutalen Genre seine besten Wirkungen heraus, die diesmal freilich
Ausschnitt aus:
28. 1. 1905
versagt haben. Aber Arthur Schnitzler mit den billigen und allzu
trivialen Mitteln der Bühnendemagogie arbeiten zu sehen, hat mich
vom:
schmerzlich berührt. Und ich muß sagen, daß es mir leid täte, ihm
lassische Zeium
nochmals mit einem solchen Komtessendegma auf, dem Thegter, zu

Wiener Novitäten. Wien, 24. Januar. (Eig. Mitt.) Ludwig
begegnen.
Im Burgtheater Mutde letzthin „Die Tür ins Freie“ von)
Thomas Komödie „Moral“ (den Berlinern längst bekannt) hat im
[Blumenthal und Kadelburg gegeben; ein lächerliches Lust“
Deutschen Volkstheater mit dem zweiten Akt — der von Frl. Mar¬
berg scharf und dreist überlegen gespielten Szene der Gelegenheits¬
Ispiel. bei dem die Leute aus diesem Grunde sehr viel lachten, dann
nachhause gingen und sich schon beim Verlassen des Theaters über all
macherin — starken Erfolg gehabt. Der erste Aufzug mit seinen
den Unsinn ärgerten. Blumenthal, der sonst bei seinen Premieren
langsamen, lehrhaften Gesprächen wirkte schleppend, der Schlußakt
immer dabei ist, telegraphierte am letzten Tag, daß er leider ver¬
nicht verwegen genug. Die Darstellung (Thaller, Obmann der
Moral=Heuchler, Kramer als Polizei=Referent, Homma als Polizei¬
hindert sei u. s. w. Also roch er den Braten, und da vermutlich auch
Oberster) war guter Durchschnitt, d. h. nicht auf der Höhe
er einer von jenen Feinschmeckern ist, die mit der heutigen Sudel¬
der kürzlich in demselben Volkstheater vortrefflich auf¬
küche, auch der dramatischen nicht einverstanden ist, wiewohl er ihre
als Nachspiel
der
geführten „Liebelei“
Schnitztersgedruckte Einakter des¬
Tantiemen gerne einsteckt so blieb er weit weg vom Schuß. Heer
der jüngste, genauer gesagtm
bernahe so vorsichtig wie der Buch¬
Dr.Oater Blumenthalist
selben, derzeit an neuen Dramen arbeitenden Dichters
macher, Luftschiffer und Abgeordnete Viktor Silberer, der die un¬
„Comtesse Mizzi“ folgte. Corruptissima republica plurimae leges,
siünigsten Beschuldigungen aus der Luft greift, wenn er an irgend
sagt Tacitus: in der Zeit der größten galauten Skandale in blau¬
einem ihm Mißliebigen sein Mütchen kühlen will. Aber er ist so vor¬
blütigen Geschlechtern überbieten sich unsere Komödienschreiber in
sichtig, es unter dem Schutze der Immunität zu tun, und so nannte
Hohnreden. Comtesse Mizzi heiratet an der Grenze der Vierzig
er den aus seinen vielen Affären berühmten“ Schauspieler Louis
ein fürstliches Herrenhausmitglied, einen verwittweten Roné, der in *#
Treumann im Landtage einen Gauner, Dieb und Betrüger und
seiner Sünden Maienblüte, als Gatte einer anderen, mit der blut¬
fügte hinzu, daß Treumann gewiß einen Mord zu verüben bloß aus
jungen Comtesse Mizzi einen verschwiegenen Roman und einen
dem Grunde unterlassen habe, weil er hierzu zu feig sei. Man tritt
Bastard hatte, den er nach dessen Abiturienten=Examen adoptierte.
gewiß nicht für Treumann ein, wenn man die brutale Art des „Gesetz¬
Comtesse Mizzi war in der Zwischenzeit um Tröstungen nicht verlegen: #
gebers“ Silberer der mit gemeinen Schimpfworten einen Wehrlosen
offenbar hat sie das Blut ihres gräflichen Papas geerbt, der tiefbetrübt 5
anfällt, zurückweist. Jetzt möchte ich aber doch noch wissen, wie viel
seine Balletense zuletzt einem Fiaker als Ehefrau ablassen muß: den
Mordtaten Herr Silberer auf seinem feinen und vornehmen Gewissen
Heiratsantrag des alten Grafen hat die Tänzerin wohlbedacht aus¬
hat, weil er gar so heldenhaft auftritt und in der Beschimpfung seiner
geschlagen. Unter den Fiakern wird die wohlbegüterte ehemalige
Nebenmenschen so wenig Feigheit an den Tag legt.
Maitresse des Grafen angesehen bleiben, als Gräfin würde sie nie¬
Caliban.
mals für voll gelten. Schnitzler trägt diese höchst verfängliche Ge¬
schichten humoristisch, ohne pathetische Anklagen vor. Frl. Galafrés
findet den Ton für die vollblütige, vorurteilslose Comtesse Mizzi
recht glücklich; Thaller gibt den alten Grafen als ausgedienten
magyarischen Reiteroffizier; den adoptierten Bastard spielt Herr
Edthofer alsurwienerischen jungen Gecken, Balleteuse und Fiaker
werden von Frau Glöckner und Herrn Laikner derb angefaßt, und
das Publikum lacht im Theater herzhaft über denselben Hochadel,
der in Österreich so mächtig ist, wie kaum irgendwo: Bismarcks
Freund Motley sah mit Erstaunen, daß der Völkerstaat von etwa
600 aristokratischen Familien regiert werde. —m.