II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 57

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Wien, I., Concordiaplatz 4.
28.II 1909
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Vertretungen
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London Madiid, Mailand. Minneapolis New-Vork,
Mancher andere Autor konnte solches nächsichtige und leicht be¬
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
friedigte Publikum wohl brauchen. Auch Franz von Schönthan, der
(Opellenangabe'ohne Gewähr.)
dem Deutschen Volkstheater mit seinem altenglischen Lustspiel „Geor¬
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gina“ eine recht magere Weihnachtsbescherung bereitet hat. Ueber die
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Ulualitäten und auf die Aufnahme dieses allzu fadenscheinigen und ge¬
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dehnten Stückes ist bereits nach der Uraufführung berichtet worden.
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Heute ist es schon nicht mehr aktuell, noch weiter darüber zu reden. Eine
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viel erfreulichere Urpremière war die der einaktigen Komödie „Kom¬

tesse Mizzi“ von Arthur Schnitzler. Ein kleiner ironischer Ausschnitt
Wir in Wien sind wirklich bescheiden geworden. Wir
aus dem Milieu der österreichischen Aristokratie. Sieben durch allerlei
komplizierte Fäden vielfach miteinander verbundene Figuren treten
klagen gay nicht mehr daxüber, daß uns Berlin als Theater¬
darin auf. Ein wienerisch=ungarischer Graf, seine siebenunddreißig¬
stadt den Rang abgelaufei hat, wir sind allmählich zufrieden
jährige Tochter, die Komtesse Mizzi, die vor achtzehn Jahren ein flüch¬
geworden mit dem, was uns die Herren Geschäftsdirektoren
#tiges Verhältnis mit dem Fürsten Ravenstein hatte, woraus ein Sohn
entsproß, der alsbald im Fiaker vorfährt, und auf dem Bock sitzt der
Bräutigam der ehemaligen Geliebten des Grafen, die von links ein¬
der verschiedenen Theater bieten. Daß man nachdichterische
tritt, und zum Schluß erscheint noch der letzte Liebhaber der Komtesse...
Größen, wie etwa Hofmannsthal, in Berlin mehr pflegt und
Alle diese Personen die völlig verschiedenen Standes, verschiedener An¬
fördert als bei uns in Wien, darüber müssen wir uns
schauungen sind, haben durch die zwischen ihnen mehr und minder heim¬
gerade nicht kränken, aber daß man bei uns für eine so
lich waltenden zärtlichen und verwandtschaftlichen Beziehungen jahre¬
starke dichterische Persönlichkeit, wie es Artur Schnitzler
lang eine Familie gebildet, ohne es zu ahnen — „Familientag“
In diesem Untertitel steckt die liebenswürdige Ironie, die sich sehr fein
ist, nicht mehr Interesse aufbringt als es tatsächlich der Fall
und lustig gegen Standesbewußtsein und Familienhochmut richtet. Das
ist, das ist bedauerlich. In Berlin muß der Wiener Dichter
beste daran ist der zierliche, elegante Aufbau, der bald geistvolle, bald
Artur Schnitzler die Uraufführungen seiner Dichtungen er¬
witzige Dialog. Das Ganze ist keine große tiefe Dichtung, aber ein
leben, in Berlin werden seine Romane und Novellen ver¬
reizendes kleines Kunststück aus einer Seitenlade des Dichterschreib¬
legt. Und das Wiener Hofburgtheater, die einzige öster¬
tisches. Dieser neuesten dramatischen Arbeit Arthur Schnitzlers, in der
er sich als ein ungleich Gewandterer zeigt, ging eine Aufführung der
reichische Bühne, deren Pflicht es sein sollte, österreichische
„Liebelei“ voran. Vor vierzehn Jahren hat dieses Stück im Burg¬
Dichter von seinem Range zu spielen, zeigt in diesen Dingen
theater wie eine kühne Tat gewirkt. Heute freilich sieht man es mit
eine sonderbare Gleichgültigkeit. Sehr erfreulich ist es
ganz anderen Augen an, man empfindet es weder als sonderlich modern
daher, daß wir wenigstens eine zweite Bühne in Wien be¬
noch als irgendwie antiquiert, und das läßt vermuten, daß man es hier
sitzen, die die Fehler des Hofburgtheaters einigermaßen
mit einer wirklichen Dichtung zu tun hat. Und jetzt erkennt man auch,
daß dieses Schauspiel das charakteristischste und wertvollste Ergebnis des
mildert. Diese Bühne ist das Deutsche Volkstheater, das
seligen Jung=Wien ist. Im Burgtheater wurde dem Stuck durch
heute über das beste Ensemble in Wien verfügt und auch
Sonnenthal und die Sandrock ein tragischer Stil aufgenötigt, im Deut¬
ein schon halbwegs annehmbares künstlerisches Niveau ein¬
schen Volkstheater sucht man die naiven und volkstümlichen Elemente
zunehmen bemüht ist. Im Deutschen Volkstheater konnten
herauszuholen, ohne daß dabei der Wiener Grundton besonders getrof¬
wir nun die jüngste dramatische Arbeit Schs kennen lernen,
Ffen würde. Die bemerkenswerteste Leistung war die des Fräulein
Hannemann, die die dankbare Rolle der Christine mit einer überaus
die übrigens auch schon in Buchform vorliegt. Eine ein¬
echten und innigen Leidenschaftlichkeit spielte. Noch einmal kam Arthur
aktige Komödie ist es bloß, ein Bild aus dem aristokratischen
Schnitzler zum Wort, und zwar bei einer Konkordia=Matinee, bei der
Milieu. Diese kleine Mosaikarbeit ist wiederum ein echter
das Volkstheater=Ensemble seinen Einakter „Anatoles Hochzeits¬
Schnitzler. Er hat sich da eine „schöne" Gesellschaft zu¬
morgen“ spielte. Es war eine Uraufführung nach vierzehn Jahren, und
Schnitzler hat sich lange dagegen gesträubt, was nicht ganz unbegreiflich
sammengesucht, natürlich lauter österreichische Aristokraten,
ist, denn der Einakter ist nicht mehr als ein übermütiger Schwank, der
und jeder von ihnen ist ein Typus. Da ist erstens einmal
mit dem Dichter des „Weg ins Freie“ nicht viel gemeinsam hat. Bei
der Graf Pazmandy, ein Original. Er hat eine bereits
derselben Matinee wurde ein Einakter „Besuch in der Dämmerung“
siebenunddreißigjährige Tochter, eben die Komtesse Mizzi,
von Thaddäus Rittner gegeben. Dieser junge österreichische Autor ist
deren Zeitvertreib die Malerei ist. Der Fürst Egon Raven¬
im vorigen Jahre durch ein Drama „Das kleine Heim" bekannt gewor¬
den. Sein Einakter, ein Stimmungsdialog, ist nur eine winzige Probe
stein ist ihr Geliebter, oder richtiger, er war ihr Geliebter.
seiner Begabung, aber eine sehr charakteristische. Auch der Inhalt ist
Graf Pazmandy weiß natürlich nichts davon und sogar,
winzig. Er wird von zwei Hauptfiguren getragen: einer „Dame in
als es sich herausstellt, daß der plötzlich aufgetauchte siebzehn¬
Rosa“ nämlich einer Halbweltdame, die ihr Dasein trotz eines reichen
jährige Philipp Mizzis und Egons Kind ist, erfährt der
Freundes als leer empfindet, und einem „Herrn in Schwarz“, dem
Graf Pazmandy auch nichts. Wozu auch, denkt sich Sch.,
durch den Tod seiner Frau das Leben nichtig erscheint. Diese gemein¬
same Stimmung führt diese sonst gänzlich verschiedenartigen Menschen
der seinen Menschen immer gerne Unannehmlichkeiten erspart.
zusammen, und nach einer Weile gehen sie noch enttäuschter auseinander.
Ja, es sind wirklich nur so ein paar hingeworfene Szenen
Wie man sieht, ein Nichts von Handlung, aber im Dialog erglänzt
aus der Welt des Scheins, aber in diesen wenigen Szenen
manches feine und tiefer gehende Wort, und subtile psychologische Pro¬
ist ein Dichter an der Arbeit. In den Dialogen funkelt
bleme werden behutsam gestreift. Denn Rittner ist sozusagen ein Dichter
und sprüht es, bissige und vorlaute Bonmots über unsere
der letzten Dinge, ein Dramatiker des Unbewußten, weshalb ihm auch
das breite Theaterpublikum nicht allzuviel Interesse und Verständnis
Aristokratie laufen um die Wette. Diesem neuen Einakter
entgegenbringen dürfte. Um so stärker wirkte hierauf der „Pechvogel“,
voran spielte man des Dichters „Liebelei“ jene schon be¬
eine Szene aus der französischen Revolution von A. M. Willner. Hinter
kannte Komödie, in der die Liebessehnsucht zart und sein,
der Szene verrichtet die Guillotine unaufhörlich ihre Arbeit und vorne
still und vornehm ihren schönsten Ausdruck findet. Man¬
spielt sich eine sentimentale Liebesgeschichte ab, die mit ihrem süßlichen,
applaudierte stürmisch nach dem Dichter und ehrte ihn den
gezierten Dialog in diesem Milieu doppelt unnatürlich wirkt. .. Von
den Schauern der Revolution und der Guillotine wird ungebührlicher
ganzen Abend hindurch durch laute Beifallssalven.
Gebrauch gemacht. Da sieht man wieder einmal, wie gerecht die Be¬
Rudolf Huppert.
wegung gegen die Todesstrafe und gegen die Guillotine ist. Man muß
sie unbedingt abschaffen, schon mit Rücksicht auf den Unfug, den die
Dramatiker damit treiben.
Auälie“ der