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21. Kon###e Mizzj oder der Fanilientan
Grafen, die die vorhin genannten Herren Autoren kennen und schildern,
finden in der ungemein erheiternden Art, in der schwer definierbaren Kunst
Thallers einige Lebensmöglichkeiten.
Den feinen, zarten, niemals rohen Dialog der „Liebelei“ spannen
die Damen Hannemann und Waldow, die Herren Kutschera,
Kramer und Klitsch. Frl. Hannemann war einfach und damit rührend,
echt künstlerisch wie der alte Musiker des Herrn Kutschera, für dessen
Leistung alles Lob, das ich ihm zollen kann, noch wenig genug ist. Mit dem
Herrn, der da fordern kommt, mit dem personisizierten Schicksal, plagte sich
Herr Klitsch redlich ab. Nach Mitterwurzer, der diese Rolle zum Kulmina¬
tionspunkt des Stückes hinaufspielte, gibt es nur einen Darsteller für diese
Rolle, und das ist der leider jetzt kranke Schauspieler Raeder.
Einakterabend: „Der Pechvogel“ von A. M. Willner.
„Anatols Hochzeitsmorgen“ von Schnitzler. „Auferstehung“
von Felix Salten. „Die grüne Schnur“ von Max Bernstein.
Willners interessanter Einakter zeigt vier Aristokraten am Ende ihres
vielleicht unnützen Lebens. Der unerbittliche Konvent holt erst die alte Her¬
zogin aus der engen Zelle und läßt ihre junge, unschuldige Nichte in der
Gesellschaft zweier Kavaliere zurück, von denen einer sie liebt. Der andere,
ein glänzender Vertreter des damals in Wahrheit glänzenden ersten Standes,
segnet ihren nur für wenige Lebensstunden geschlossenen Bund und gibt sich
dem Henker nach Namenstausch mit dem Bräutigam hin, wohl wissend, daß
auch seine Stunde nicht mehr fern ist. Wenige Stunden später holt man
auch den Zurückgebliebenen, der nun erfährt, daß sein Vertreter, schon auf
dem Schafott stehend, für ihn begnadigt wurde und — sich entfernt
hat. In Wirklichkeit begnadigt, liegt er doch bald unterm Fallbeil, da das
Revolutionstribunal andere Arbeit hat, als genaue Agneszierungen vorzu¬
nehmen. Der geschickt durchgeführte große Gedanke fand in Frl. Schweig¬
hofer, Frl. Hannemann und Herrn Edthofer glänzende Interpreten.
Herr Kramer gab den, der aus der Verwechslung den Gewinn des Lebens
hat. Er war ein wenig laut, ein wenig bombastisch, ein bißchen zu gro߬
sprecherisch, so sagte die Tageskritik, er hat durchdacht gespielt und das
Richtige getrossen. Er schenkt seinem Mitgefangenen nicht das Leben, das
kann er nicht, aber unersetzliche Minuten an der Seite des geliebten Wesens.
Seine Lebensbejahung ist stark, unbändig stark, daß er mit stolzen und hei¬
#teren Worten früher als er unbedingt muß aus dem Leben geht; das eben
sind die zu bewundernden Fähigkeiten derer vom Ancienregime, ihre noch so
starken Gefühle unsichtbar vor allen zu verschließen. Das war eben „Herren¬
tum", natürlich nicht solches im Sinne des heutigen Begriffs. Für den an¬
deren steht er unter der Guillotine, für den anderen nimmt er die Freiheit
entgegen. Daß sein Wille zum Leben stärker ist als seine Ritterlichkeit, das
mußte gezeigt werden und die feinen Absichten des Verfassers kamen durch
die treffliche Arbeit Kramers zur Offentlichkeit.
„Anatols Hochzeitsmorgen.“ Frl. Galafrés und Herr
Kramer, dann Herr Klitsch. Entzückend und mit Verve gespielt und
doch hörte ich die feine Sache lieber in zwei Dialekten gesprochen. Anatol
ist genau so ein Wiener wie der „Schani“ und der „Schurl“. Und in der
Ilona tobt hunnisch=magyarisches Blut!
In Saltens geistreichem Einakter boten Frau Glöckner und Herr
Homma köstliche Chargen. Herr Homma packt überhaupt alle Gestalten,
denen er Fleisch und Blut zu geben hat, mit ungemeiner Kraft und so viel
Geschick an, daß es eine Freude ist, diesem jungen Künstler beim Schaffen zuzusehen.
Der gute Witz des letzten Stückes, daß ein Bestohlener vor Gericht
der Faulheit des Amtsrichters wegen noch ein paar Markeln quasi als
Sühne für die friedensrichterlichen Bemühungen zahlen muß, wurde von den
Herren Ehmann, Amon und Russeck geradezu vorzüglich gebracht. Dem
Publikum gefiel die Sache nicht, mit Unrecht, sie war vielleicht zu lang,
cher huch auf¬
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21. Kon###e Mizzj oder der Fanilientan
Grafen, die die vorhin genannten Herren Autoren kennen und schildern,
finden in der ungemein erheiternden Art, in der schwer definierbaren Kunst
Thallers einige Lebensmöglichkeiten.
Den feinen, zarten, niemals rohen Dialog der „Liebelei“ spannen
die Damen Hannemann und Waldow, die Herren Kutschera,
Kramer und Klitsch. Frl. Hannemann war einfach und damit rührend,
echt künstlerisch wie der alte Musiker des Herrn Kutschera, für dessen
Leistung alles Lob, das ich ihm zollen kann, noch wenig genug ist. Mit dem
Herrn, der da fordern kommt, mit dem personisizierten Schicksal, plagte sich
Herr Klitsch redlich ab. Nach Mitterwurzer, der diese Rolle zum Kulmina¬
tionspunkt des Stückes hinaufspielte, gibt es nur einen Darsteller für diese
Rolle, und das ist der leider jetzt kranke Schauspieler Raeder.
Einakterabend: „Der Pechvogel“ von A. M. Willner.
„Anatols Hochzeitsmorgen“ von Schnitzler. „Auferstehung“
von Felix Salten. „Die grüne Schnur“ von Max Bernstein.
Willners interessanter Einakter zeigt vier Aristokraten am Ende ihres
vielleicht unnützen Lebens. Der unerbittliche Konvent holt erst die alte Her¬
zogin aus der engen Zelle und läßt ihre junge, unschuldige Nichte in der
Gesellschaft zweier Kavaliere zurück, von denen einer sie liebt. Der andere,
ein glänzender Vertreter des damals in Wahrheit glänzenden ersten Standes,
segnet ihren nur für wenige Lebensstunden geschlossenen Bund und gibt sich
dem Henker nach Namenstausch mit dem Bräutigam hin, wohl wissend, daß
auch seine Stunde nicht mehr fern ist. Wenige Stunden später holt man
auch den Zurückgebliebenen, der nun erfährt, daß sein Vertreter, schon auf
dem Schafott stehend, für ihn begnadigt wurde und — sich entfernt
hat. In Wirklichkeit begnadigt, liegt er doch bald unterm Fallbeil, da das
Revolutionstribunal andere Arbeit hat, als genaue Agneszierungen vorzu¬
nehmen. Der geschickt durchgeführte große Gedanke fand in Frl. Schweig¬
hofer, Frl. Hannemann und Herrn Edthofer glänzende Interpreten.
Herr Kramer gab den, der aus der Verwechslung den Gewinn des Lebens
hat. Er war ein wenig laut, ein wenig bombastisch, ein bißchen zu gro߬
sprecherisch, so sagte die Tageskritik, er hat durchdacht gespielt und das
Richtige getrossen. Er schenkt seinem Mitgefangenen nicht das Leben, das
kann er nicht, aber unersetzliche Minuten an der Seite des geliebten Wesens.
Seine Lebensbejahung ist stark, unbändig stark, daß er mit stolzen und hei¬
#teren Worten früher als er unbedingt muß aus dem Leben geht; das eben
sind die zu bewundernden Fähigkeiten derer vom Ancienregime, ihre noch so
starken Gefühle unsichtbar vor allen zu verschließen. Das war eben „Herren¬
tum", natürlich nicht solches im Sinne des heutigen Begriffs. Für den an¬
deren steht er unter der Guillotine, für den anderen nimmt er die Freiheit
entgegen. Daß sein Wille zum Leben stärker ist als seine Ritterlichkeit, das
mußte gezeigt werden und die feinen Absichten des Verfassers kamen durch
die treffliche Arbeit Kramers zur Offentlichkeit.
„Anatols Hochzeitsmorgen.“ Frl. Galafrés und Herr
Kramer, dann Herr Klitsch. Entzückend und mit Verve gespielt und
doch hörte ich die feine Sache lieber in zwei Dialekten gesprochen. Anatol
ist genau so ein Wiener wie der „Schani“ und der „Schurl“. Und in der
Ilona tobt hunnisch=magyarisches Blut!
In Saltens geistreichem Einakter boten Frau Glöckner und Herr
Homma köstliche Chargen. Herr Homma packt überhaupt alle Gestalten,
denen er Fleisch und Blut zu geben hat, mit ungemeiner Kraft und so viel
Geschick an, daß es eine Freude ist, diesem jungen Künstler beim Schaffen zuzusehen.
Der gute Witz des letzten Stückes, daß ein Bestohlener vor Gericht
der Faulheit des Amtsrichters wegen noch ein paar Markeln quasi als
Sühne für die friedensrichterlichen Bemühungen zahlen muß, wurde von den
Herren Ehmann, Amon und Russeck geradezu vorzüglich gebracht. Dem
Publikum gefiel die Sache nicht, mit Unrecht, sie war vielleicht zu lang,
cher huch auf¬
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