II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 77


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21. Kone M1oder der Fani Lientag
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anderer, nicht aus eigenster Überzeugung. Stauber
eines mit Recht geschätzten Schriftstellers. Natür¬
arbeitet evenfalls gelegentlich mit sehr üblem
lich, es wird nur „angedeutet“, aber recht kräftig,
Klatsch. Mitten im besten Zug erinnert er sich
daß Hirschfeld seine Meinung über Mahler ge¬
freilich, daß dies „nicht hierher gehört“. Im all¬
ändert habe, weil dieser die von Hirschfeld nach
gemeinen geht er jedem Satz Stefans nach und
Mozart bearbeitete „Zaide“ im Spielplan nicht
sucht ihn richtig zu stellen. Diele Einwendungen
halten wollte oder konnte. Solch eine Beschuldi¬
sind schlagend, manche wiederum nur aus dem
gung, für die selbstverständlich jeder Beweis
Bedürfnis geboren, das Gegenteil zu behaupten.
fehlt — daher wird ja auch nur „aufmerksam
Eine große Rolle im Kampfe spielt das Wort
gemacht", nicht „behauptet“ — fällt auf den
„Clique“. Wer zuerst damit anfängt, ist natürlich
zurück, der sie erhebt. Und wie? Was würde
im Dorteil, weil er damit dem anderen den Schein
wohl Herr Stefan sagen, wenn ein anderer um¬
der Sachlichkeit raubt. Zuerst ist das Wort
gekehrt behauptete, Mahler habe einen schwierig
„Mahlerclique“ erfunden worden. Herr Stefan
gewordenen Kritiker durch die Aufführung der
fragt furchtbar naiv, wo sie denn stecke, Herr
„Zaide“ zu versöhnen gesucht? Das ist natürlich
Stauber beantwortet die Frage noch naiver, in¬
auch nicht wahr, und Stefan würde sehr, sehr
dem er ein paar Leute, darunter etwelche mit
kräftige Ausdrücke gebrauchen, die ich nicht ein¬
Namen aufzählt. In Wahrheit hatte Mahler
mal „anzudeuten“ wage. Ich schreibe ja auch
seine „Clique“ um bei dem häßlichen Wort zu
keine Gegenschrift.
bleiben, nicht anders denn jede bedeutende Per¬
Das hat in den allerletzten Tagen ein an¬
sönlichkeit. Ohne die Masse der Mitläufer, die
derer getan, Daul Stauber, von dem soeben
zu den aus ernsten Gründen überzeugten An¬
(bei Huber und Lahme, Wien) eine Broschüre
hängern stoßen, bliebe die Wirkung der Persön¬
erschienen ist unter dem Titel „Dom Kriegs¬
lichkeit eine sehr beschränkte. So lächerlich Snobs
schauplatz der Hofoper. Das wahre Erbe
sind, die einem neuen Mann folgen wie einer
Mahlers. Kleine Beiträge zur Geschichte der
neuen Mode, so nützlich sind sie, nicht der Person,
Hofoper. Nebst einem Anhange: Dokumente zum
wohl aber der Persönlichkeit. Es wäre sehr zu
Fall Hirschfeld.“ Um bei diesem letzten zu bleiben,
wünschen, daß Herr Weingartner bald seinen
so muß man es tief bedauern, daß es überhaupt
Anhang, meinetwegen seine „Clique“ fände. Er
für notwendig erachtet wurde, vielleicht erachtet
hat von Mahler etwas recht Dorteilhaftes über¬
werden mußte, den „Fall Hirschfeld“ durch ein
nommen. Die Wirkung Mahlers ist so groß, daß
paar kritische Aufsätze Hirschfelds zu erledigen,
sie auch eine recht ausgedehnte „Anti=Mahler=Clique“.
welche die Unwahrheit einer leichtfertigen Be¬
erzeugt. Diese Clique gehört jedenfalls zum
schuldigung erweisen. Genug davon. Sonst ent¬
„wahren Erbe Mahlers“. Dr. D. J. Bach.
hält die Staubersche Broschüre die sehr nützliche
Korrektur der Stefanschen, indem sie alle hier
Wiener Theater.
behaupteten Dinge alich in ein anderes Licht
Das neue Jahr hat mit einer Erholungs¬
rückt. Es ist daru noch kein richtigeres, wie
pause für die freiwilligen und unfreiwilligen
man beispielsweise as der Beurteilung mancher
Premierenbesucher begonnen. In den ersten zehn
Solisten, die Mahler übernahm, und mancher,
Tagen brachten nur zwei Bühnen Neuaufführun¬
die er Weingartner hinterließ, ersehen kann.
gen: das Deutsche Dolkstheater von Arthur
Stauber hat vor Stefan die größere Genauigkeit
Schnitzler das bewährte Schauspiel „Tiebelei“
voraus, auch den musikalischeren Standpunkt.
und einen neuen Einakter „Komtesse Mitzi“ und
Man wird bei ihm recht oft anderer Meinung
das Lustspieltheater die französische Komödie
sein müssen, doch seine Darlegungen sind deshalb
„Schwanengesang“ von Georges Duval und
wertvoll, weil sie zum Teil zeigen, wie die An¬
Xavier Roux. Schnitzlers „Liebelei“ sein größter
griffe gegen Mahler sachlich begründet werden
Bühnenerfolg, hür älch auf der Bellaria ihre
konnten. Auch Stauber läßt sich vom Zorn der „ge¬
dramatische Schuldigkeit getan, gleichwohl hier
rechten Sache" leiten. lllerdings billigter seinerseits
so wenig, wie früher im Burgtheater, die wiene¬
den Kritikern, die Stefans Gefallen wecken,
rische Tonart des Stückes einheitlich festgehalten
doch wenigstens „gu i Glauben“ zu. Also nicht
wurde. Indes die Darsteller des Deutschen Dolks¬
Idiot und Schurke, sondern nur mehr Idiot.
theaters waren mit so großem Ernst und so
Man sieht, die Objektivität im Mahlerkrieg macht
tiefer Eindringlichkeit bei der Sache, daß man
Fortschritte, wenn auch recht langsame. Doch
sich wieder an den künstlerischen Vorzügen
Stefan ist in seiner Ungerechtigkeit offener, wäh¬
dieses tragischen Genrebildes aus dem Dolke
rend Stauber sich Wunder was auf seine Gerech¬
aufrichtig erfreuen konnte. In keiner seiner
tigkeit zugute hält. Beim Gegner nur unsach¬
späteren Bühnenarbeiten hat Arthur Schnitzler
liche Motive sehen, ist beiden Kämpfen eigen.
diese wohltuende Einfachheit wieder gefunden,
Nichts gibt Herrn Stauber das Recht, von
diese Ehrlichkeit volkstümlichen Gestaltens, die
„Anregern" und „Auftraggebern“ Stefans zu
alles unnütze Beiwerk verschmäht und selbst
sprechen, sonst läuft er Gefahr, daß ein dritter
ihm ebenso unterstelle, er schreibe im Interesse auf den wohlfeilen Ruhm verzichtet, als das


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