II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 92


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hnitte
21. Kontesse Miz1oder-der Fani Lientag
Wen, Soncordrapratz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Gent, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Aueschnitt aus:
3. 190:
vom:
##ie (Früher Politik) Prag
+ Nationaltheater. Ein dreifacher Novitätenabendy
des Nationaltheaters kam uns diesmal französjsch.
deutsch und russisch, großeuropäischer geht es bicht
Tmiehr. Die Szene von Courteline „Doma svaty pokoj“
(La paix chez soi) enttäuschte ziemlich allgemein. Sie
Terinnert drolligerweise an die „Kameraden“ von Strind¬
berg in ihrer barbarischen Auffassung der Ehe. Die
Frau ist vernünftigen Vorstellungen absolut unzugäng¬
Telephon 12801.
lich, in ihrem Kopfe ist so wenig Gehirn wie in der
Maske, die der Fuchs in der Fabel findet, sie braucht
die Peitsche, aber in moderner, humaner Form, durch
" Mmitererrererretnung
Höherhängen des Brotkorbs, respektive des Wirt¬
O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ischaftsgeldes. Von Courteline hat man schon viel amü¬
santere Sachen auf der Bühne gesehen; auch das Spiel
Wien, I., Concordiaplatz 4.
von Fr. Cervená konnte darüber nicht hinwegtäu¬
Vertretungen
schen.
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
Die „Komtesse Mizzi oder der Familientag“ von
hagen, Loh
on Madrid, Mailand, Minncapolis, New-Vork,
itzlenerinnert an die leichtgeschürzte Muse
Arthur
Raris,ncisco, Stockholm, St. Petersburg.
###(Quellenangebe ohne Gewähr.
des Anallölzyklus, da an den berüchtigten „Reigen“. Eine
Art Familienabend schlingt sich unsichtbar und neckisch
Ausschnite aus:
zwischen Personen der verschiedensten Ständen, vom
##. 2 16.0:
130
Fürsten bis zum Fiaker; ein junger Bengel macht die
E vom:
110
agee aus Bohmen, Prag
B
albernsten Bemerkungen über zwei Damen und ahnt
nicht, daß dic eine seine leibliche Mutter, die andere
seine Stiefgroßmutter ist und wenn er es ahnt, wird er
Theater.
es doch nicht sagen, denn wir bewegen uns in Kreisen,
Schauspiel.
wo Diskretion Ehren- oder vielmehr Herzenssache ist,
Landestheater. Die gestrige volkstümliche
wo Schonung und Rücksicht waltet, ein Zug echter
Vorstellung brachte vier kleine Stücke heterogenster Art
Aristokratie, der uns diese grundsatzlose Welt erträg¬
zum erstenmal auf die Prager Bühne. „Der Traum des
lich und sogar sympathisch erscheinen läßt.
Glücklichen“, eine einaktige „Phantasie“ von Ludwig
Aber gerade dieses Aristokratische, dieses speziell
Fulda, machte den Anfang, Schnitzlers „Komtesse
wienerisch-öserreichische Lokalkolorit trat in der Auf¬
Mizzi“, deren Uraufführung
nWien statt¬
führung, so brav wie sie im allgemeinen war, am we¬
gesunden, folgte. Das Publikum gab sich gerne der
Tnigsten hervor. Herrn Zelenskys Graf war ein prächtiger
Wirkung der krassen Effekte hin, die Fulda in sein Spiel
Talter Herr in seinen Kavalleristenbewegungen und sei¬
zwang, umsomehr als Herr Onno eine packende patho¬
Inem rücksichtsvollen Benehmen der Tochter gegen¬
logische Studie aus Eigenem beisteuerte. Die feineren
über, aber kein spezieller Wiener Graf, Frau Benoniová
Werte des neuen Schnitzler fanden dagegen weit weniger
war vorniehm, sie vergaß nie die Erlebnisse und die
Verständnis; man lachte sehr bei den komischen Stellen,
Lebensanschauung der Titelheldin, aber sie war keine
das andere aber verpuffte, trotzdem die Darstellung ihr
Wiener Komtesse, sie hütte diesen Menschenschlag
Möglichstes tat. Frl. von Helling vor allem hatte eine
aus den Erzählungen der Ebner Eschenbach studieren
ganz merkwürdig rührende Ironie, die ihr selten eine
sollen. Daselbe ließe sich mit geringen Aenderungen
nachspielen wird. Daß sie viel zu jung aussah, war ein
von den anderen Personen sagen, bis zu dem Wasner
Fehler, der gern entschuldigt wurde. Neben und mit ihr
des Hrn. Hasler herab, der alles war, nur kein Wie¬
traten die Herren Loewe, Rittig und Balder so¬
ner Fiaker. — Aber vielleicht verlange ich Unmögli¬
wie Frl. Gisela Klein angenehm hervor. Der Groteske
ches, das Ichweißnichtwas des Wienertums ist mit
vom seligen Octave, die von den Herren Victora,
seiner Sprache, ihrer dialektischen Färbung, so eng
Hofer, Schütz und Frl. Fels fesch herunter¬
verwachsen, daß es sich außer ihr nicht darstelien läßt.
gespielt, den Beschluß des Abends bildete, ging des
Und uns liegt. Gott sei Dank, das Wienerische so fern.
Pragers Fürth „Wilde Ehe“ voraus. Der Ein¬
Ob aber nicht wieder Schnitzlers Stück mit der Wie¬
akter, der einem Zyklus „Gegen den Strom“
Iner Atmosphüre so innig verbunden ist, daß es außer
angehört, ist ein Tendenzstück im guten Sinne des
ihr den besten Teil seiner Wirkung verliert? Das muß
Wortes und zeichnet sich durch die straffgeführte Handlung
der Erfolg des kleinen Stückes lehren, bei der Première
ebenso wie durch den warmen und echten Dialog aus.
gefiel es offenbar sehr. Dem „Scherz“ des durch seine
Frau Baumgart, Frl. Niedt und Herr Rittig
lustigen Reisehumoresken aus Italien auch bei uns
verhalfen der Novität zu einem lauten und ehrlichen Er¬
längst vorteilhaft bekannten Russen Leonid Andreiew,
folg. Der anwesende Autor konnte wiederholt vor der
„Nächstenliebe“ würde man alles rauben, wenn man
Rampe erscheinen.
seinen Inhalt erzühlen wollte. Der Scherz ist hübsch,
Inur löst er sich leider ebenso wenig dramatisch wie der
Konilikt in Courtelines Szeue. Eine Reihe von Typen
Ider internationalen Touristenwelt durch ein sensationel¬
les Unglück angezogen, macht sich auf der Bühne breit
Jund ergeht sich in humanitären Phrasen, hinter denen
sich die sensationslüsterne Bestie nicht immer ge¬
Fschickt versteckt. Wir müssen auch über diesen russi¬
Ischen Spaß das Urteil der Theaterkassa überlassen.
Seunge