II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 101

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21. Kontesse Mizzj-oder-der-Fani Lientan

Tmehrere hundert Meter Entsernang
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fühlt sie nach dem Abklingen der zornigen Er= sein. Starke Gefühle pflegen nicht zu verschwinden.
regung die ungeminderte, bobrende Qual uner= Sie schlagen entweder in entgegengesetzte um
Theater und Kunst.
füllter Sehnsucht.
(die leidenschaftliche Neigung der Salome in leiden¬
Komtesse Mizi läßt zwar, frei von Blutdurst, schaftlichen Haß) oder sie werden bei Wesen, die
dem Geliebten seinen Kopf, aber sie begräbt mit nicht den Mut oder nicht die Möglichkeit haben, sie
Oskar Wildes „Salome“ und Artur
der Liebe zu ihm auch die Neigung für das Kind zu entladen, zurückgedrängt und vergraben und
Schnitzlers „Komtesse Mizzi“.
dieser Liebe. Als sie es nach 17 Jahren als Jüng=entfalten dann im Seelenleben eine zersetzende
ling wieder sieht, tritt sie ihm unerregt, kühl Wirkung. Sie führen eine Umwandlung des
Sü Auführung am 24, April 1900,
lächelnd entgegen. Ihre Stimme zittert nicht, als Charakters zum Verbitterten oder Bösartigen her¬
Salome und Komtesse Mizi: Wenn ich die Wahl sie es „Herr Philipp“ anspricht. Sie rechtfertigt
bei. Bei Komtesse Mizi wäre nach der Enttäuschung,
ischen beiden habe, heirate ich lieber die Salome.
sich: weil man es ihr seinerzeit weggenommen hat,
die sie erlebt, nur eine Übertragung ihres Liebes¬
e ist lange nicht so widerwärtig als die an allen als sie bereit war, alle Schande auf sich zu nehmen,
gefühles vom Vater auf das Kind, weniger die
usionen verarmte Tochter des Grafen Arpad. hat sie sich entschlossen, es immer als etwas Frem= genannte Charakterverwandlung zu erwarten ge¬
8 Stiefkind des Herodes ist mitten in einem
des, nicht mehr zu ihr Gehöriges zu betrachten. wesen. Aus dem Nichteintreten dieser Transfor¬
schlecht aufgewachsen, das mit Verbrechen be¬
Zur Grausamkeit der Salome zeigt das nor=mation erkennt man die angestammte Schwäche
en, im wildesten Sinnestaumel Betäubung
male Leben wenigstens Analogien. Das freilichihres Gefühlslebens. Sie ist eben aus einer blau¬
hte und das eines Tages mit Entsetzen an den
nur scherzhaft gebrauchte „Zum Fressen gern und blaßblütigen, dekadenten Familie, in der die
kenzen des Genießens anlangt, wo es keine
haben“ sagt doch recht deutlich, daß der Trieb nach Liebe nicht mehr stürmische Seelenstürme auslöst,
eigerung mehr gibt, wo hinter der vergebens
uneingeschränktem Besitz an den Wunsch, das ge=sondern wo sie seit Generationen nur mehr als
uchten Befriedigung der Ekel vor Lieben und
liebte Wesen zu vernichten, grenzen kann. Ein ein mehr angenehmes und bequemes als aufregen¬
en lauert. Von Bewunderern umworben, findetl großer Dichter, dessen Liebesleben keine Abnormi= des Genußmittel gilt. Vergleicht man die Ausläufer
verwöhnte, körperlich dungfräuliche Prinzessin täten aufwies, sang vom Kuß, der sich bis zum der Dynastie des Herodes und die Mitglieter der
en Mann, der sie zurückweist. Mit neugierigem
grausamen Biß steigert. Die Gefühllosigkeit einer gräflichen Familie bei Schnitzler, so findet man hier
useln betrachtet sie ihn, mit erwachender Gier Mutter wird dagegen schon in den leifesten An= mehr Unnatur als dort. Man müßte sich als.,
ckt sie die Arme nach ihm aus. Als er sie zu= deutungen als absolute Unnatur empfunden, und wenn man den unkünstlerischen Standpunkt des
stößt, schlagen Liebe und Verlangen in Wut wenn eine ihr Kind, das sie seit der Geburt nicht Moralisierenden einnehmen wollte, über die gefühls¬
d Rachedurst um. Sein abgeschlagenes blutigesl gesehen hat, ungerührten Herzens, ohne zitternde arme Komtesse mehr skandalisieren als über die
upt verhöhnt sie in wildem Triumph, bis aus Neugier erwartet, erscheint sie entarteter als das
krankhaft, aber heiß begehrende Salome.
nroten Feuer leidenschaftlichen Hassens toten= Weib, das, in einer rohen Zeit aufgewachsen, den
Schnitzler steigert die schneidende Ironie, mit
ß und grau und kalt die Erkenntnis hervor= Tod des Mannes begehrt, der sie verschmähte.
der er das Verhalten der Komtesse beleuchtet, noch
mmert, daß der blutig: Akt der Vergeltung ihre
Komtesse Mizi kann (trotz ihrer Gegenversiche¬
durch Einblicke in das köstliche Treiben des die
gierden nicht zu stillen vermochte. Enttäuschti rungen) nie eines starken Gefühles fähig gewesen Liebe nicht gefühlvoller konsumierenden Vaters. 8

nur Fleckwerk enthielten. Im Salon waren
der alle Laden ausgeräumt, im Zimmer des
hnes alle Kästen geöffnet und durchwühlt. Klei¬
igsstücke hat der Dieb nicht zu sich genommen
i sechsten Zimmer, das die Tochter bewohnt,
wendete er eine goldene Kette samt Anhängsel
Kollier aus Rosenquarz und eines aus Lapis