II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 105

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21. Kontesse Mizzioder-der-Fani Lienlan
mir den hochbegabten Landsmann sympathisch macht:
Leidenschaft in Sprache, Mienenspiel oder Gebärde
einer der Soldaten, ich weiß nicht welcher, der in seine Diskretion und sein Vertrauen zum Publi¬
fanschaulich zu machen. Nur die dumpse Lüsternheit
behäbig winselnder Manier seine harmlosen Bemer= kum. Er wird nie mit dem Dreschflegel kommen
kam, zumal in der Schüsselszene, zum Ausdrucke. Statt
kungen mit der Bedeutung eines Platonikers zum und unserer Divinationsgabe immer etwas übrig
des dämonischen Weibes hatte man ein unwilliges
besten gab. Gesunde Natur fand sich nur bei Frl. fassen. Män nehme nur den Einakter „Komtesse
Kind vor sich, dem ein kapriziöser Wunsch versagt
Fasser (Herodias) und Herrn Lippert (Naza- Mizzi“, der in feiner Ironie den Untertitel:
wird. Während des Schleiertanzes, der ihren herr¬
rener), die da beide begriffen, daß auch in altjüdischem „Der Familientag“ führt und man hat einen
lichen Leib halb entblößte, waren freilich alle Gläser
Gewande schlicht und vernünftig gesprochen werden echten Schnitzler mit allen seinen schillernden Vor¬
auf Salome gerichtet, sonst aber stand sie keineswegs
kann. Herr Höller mit seiner mächtigen Stentor- zügen. Was er bietet ist diesmal ein schlichter Aus¬
im Mittelpunkte der Szenerie. Den hatte Albertys
stimme, der alles Visionäre fremd ist, war für den schnitt aus dem Leben mit seiner Freude und seinem
Herodes Antipas besetzt, ein halbverrückter, weiner¬
abgemagerten, bleichwangigen Asketen Jochanaan bei= Leid, voll zulässiger Überraschungen, epigrammati¬
licher Neurastheniker, der, ein klägliches Bild des
nahe zu gesund. Wegen der begangenen Fehler machte scher Wendungen, leichter Causerien, flüchtiger Er¬
Cäsarenwahnsinns, hart an die Grenze paralytischer
das Schauspiel einen beinahe opernhaften Eindruck, innerungen und gesunder Perspektiven. Jeder ein¬
Geisteskrankheiten herantrat und gelegentlich sogar
obgleich man versäumt hatte, es durch die Para= zelne dieser vergnügt plaudernden Menschen zum
Lauf die Stufe eines Kainbachers herabsank. Ich bin
phrase orientalischer Motive musikalisch einzuleiten. greifen, alle zusammen unverfälschtes Österreicher¬
überzeugt, daß Herr Dr. Alberty seine Auffassung
Wie bei den Griechen, so folgte diesmal auf die tum! So kurz sich die Komödie anläßt, sie ent¬
geistreich zu begründen wüßte, ich halte sie jedoch
Tragödie das lustige Nachspiel. Nach Wilde, Schnitz= hält die Rudimente eines halben Dutzend von Lust¬
für falsch. Wenn auch, wohl infolge übermäßigen
ler. Denjenigen, die Oskar Wilde nur im Theater spielen und mitten durch die Ansätze schwerer Ver¬
Weingenusses, von Reizzuständen befallen, gibt sich
kennen, kam der Wechsel wie eine Erklärung vor, wicklungen, die in der Hand eines anderen zur Tra¬
der Tetrarch doch als bewußter Epikuräer mit ausge¬
obwohl man sich anfangs in der neuen Stimmung gödie geführt hätten. Man erschrickt bei dem Ge¬
sprochenem Sinne für den raffiniertesten Lebensgenuß.
schwer zurecht fand. Auch Schnitzler schaut den danken, was Ibsen oder gar wohl Strindberg aus
Nimmt man ihn nur pathologisch, so schwächt man
Leuten, Männern und Weibern, durch den Brustfleck dem Sächelchen gemacht hätten. Auch der ebenso
das Interesse an der Dichtung, und man hebt es auf,
mitten ins Herz hinein. Auch Schnitzler ist ein Ge= verblüffende wie graziöse Abschluß unseres kleinen
wenn man durch tumultuarische Gesten und mimische
stalter, der mit wenigen Linien ein sicheres Bild ent= Schauspieles regt die Frage an, wie er sich in den
Verzerrungen die Aufmerksamkeit von allen anderen
wirft. Und da er sich überdies auf die Kunst der Kom= Händen eines Anderen gestaltet hätte. Die meisten
Vorgängen ablenkt. Alberty schrie und tobte auf
position versteht, so ist der tüchtige Dramatiker fertig der landesüblichen Bühnenschriftsteller hätten mit
seinen Hofstaat derart ein, daß schließlich kaum etwas
Was will man mehr, als geordnete Menschenkenntnis einer Verlobung abgeschlossen. Schnitzler huscht über
übrig blieb, als der Eindruck seiner unsteten Person.
und Darstellungsgabe? Auch Schnitzler wurzelt in der diese Frage hinweg und überläßt ihre Lösung, mit
Mutter Erde, nur daß er von ihr aus niemals einem seinen Lächeln auf dem Antlitze, seinen Freun¬
Leider waren auch die kleineren Partien nicht ganz
nach unserem Geschmacke besetzt. Der wortkarge Nara¬
idealistische Ausflüge in das Land des Essäertums den. Er weiß recht gut, was sich ereignen wird,
both (Herr Meyvelt), der rasch entschlossen
oder der Phantastik unternimmt, so gesetzt und nach aber er sagt es nicht. Und die ihn kennen, wissen
Selbstmord verübt, da er seine Hoffnungen gescheitert
denklich er werden kann. Ist er doch kaum ein= es auch, aber sie werden es wahrscheinlich ausplaudern,
mal über die gemütlichen Grenzen seiner engeren Die Aufführung wird anläßlich ihrer Wiederholungen
sieht, verfiel in heillose Werthersentimentalität und
der Page der Herodias (Frl. Hart), ein Violin¬
Heimat, die ebenso fidel wie tragisch sein kann, ernst hoffentlich flüssiger, ich möchte sagen, ein, wenig apisto¬
haft hinausgedrungen. Von seinen vielen liebens kratischer werden.
schlüssel der Erscheinung nach, in einen zu gereizten
Dr. Withalm.
Ton der Eifersucht. Geradezu grauenerregend war f würdigen Eigenschaften ist es besonders eine, die