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Kontesse Mizzierder- Fani#ientan
Nr. 187
Graz, Montag
Grazer Volksblatt.
freundlich auf. Bald kommt auch der „Schwiegersohn“. Eben¬
Theater und Kunst.
falls illegal. Der Fürst Ravenstein hatte ein Verhältnis mit
Mizi und davon einen 17jährigen Sohn Philipp, den er bei
roch Vom Theater.
fremden Leuten erziehen ließ und „adoptierte“. Deshalb also
Im Stadttheater wird sich heute (Serie B) als Nanki Poo in
Familientag.
„Mikado“ Herr Theodor Jäger vom neuen Operettentheater
in Hamburg als Bewerber um die Vertretung des Tenorfaches
in der Operette für das nächste Spieljahr vorstellen; im Theater
am Franzensplatz wird „Madame Bonivart“ zahlreiche Besucher
amüsieren. Morgen wird im Stadttheater „Das Modell“ ge¬
spielt werden, im Theater am Franzensplatz die beiden Novi¬
täten „Salome“ und „Comtesse Mizi“, die bei ihren ersten
zwei Aufführungen vor ausverkauftem Hause in Szene gingen,
wiederholt; die Salome wird viesmal von Frl. Weiser ver¬
körpert werden. Mittwoch, neu einstudiert, im Stadttheater
Millöckers „Armer Jonathan“. Mister Vandergold — Herr
Theodor Jäger, im Theater am Franzensplatz über Wunsch
mannigfacher Abonnenten der Serie A „König Oedipus“.
„Salome“.
Die Oper von Richard Strauß hat auch das Interesse für
das Schauspiel Wildes erregt. In Graz gewiß Es heißt von
Strauß, er habe eines Tages Wildes Dichtung zur Hand ge¬
nammen und sei schon von den ersten Worten so gepackt wor¬
den, daß ar gleich zu komponieren begann. Mit poesievollem
Bilderreichtum einer biblischen Sprache führt uns Wilde in
die orientalisch schwüle, sinnlich erregte Welt am Hofe des
Herodes.
Schlicht und einfach erzählt das Evangelium MNarkus und
Matthäus) die Begebenheit. Hexodes gab den Obersten und
Hauptleuten in Galiläa ein Abendmahl. Und die Tochter der
Herodias tanzte und gefiel wohl dem König und denen, die
am Tische saßen. Da sprach der König zum Mägdlein: Bitte
von mir, was du willst, ich will dir's geben. Und schwur ihr
einen Eid: Was du wirst von mir bitten, will ich dir geben,
bis an die Hälfte meines Königreiches. Sie ging hinaus und
sprach zu ihrer Mutter: Was soll ich bitten? Die sprach: Das
Haupt des Johannes des Täufers. Und sie ging mit Eile zum
König, bat und sprach: Ich will, daß du mir gebest jetzt so¬
bald auf einer Schüssel das Haupt Johannes des Täufers. Und
der Henker ging und enthauptete ihn im Gefängnis und trug
her sein Haupt auf einer Secüssel, und gab es dem Mägolein,
und das Mägdlein gab es der Mutter.
Diese einfachen Zeilen haben seither viele Künstler mit
Unruhe, Interesse und Grauen erfüllt, und in der Salome¬
Gestalt eines der fesselndsten künstlerischen und psychologischen
Problemes geboten.
Unsere Geschichtskenntnisse wissen, daß Herodes ein orien¬
talischer Despot, aber auch eleganter, gebildeter Weltmann war,
der am Hofe des Caligula und in Lyon römische Sitten kennen
lernte, oft in Rom war, an der Tafel des Kaisers saß, die
Prinzen und Prinzessinnen von römischen Lehrern erziehen
ließ So gab es auch in Jerusalem ein prächtiges römisches
Theater, an welchem Griechen spielten, vor den Toren war
ein römischer Zirkus. Während der nationale Jude Körper¬
pflege und Schönheitskult, Tanz und Spiel als Sünde haßte,
freute sich daran sein König gleich Römern und Griechen
Fahrende Tänzer und Fechter aus Griechenland und Rom
waren in Jerusalem beim König stets freundlich ausgenommen.
So wußte also Herodias durch Saiomes Tanz den furcht¬
baren Ankläger Johannes zu verderben.
In Sudermanns „Johannes“ folgt Salome dem Rate der
beleidigten Mutter: das Haupt des Propheten zu fordern. Sie
erwartet, er werde sie um sein Leben anflehen. Ihr Tanz ist
eine Verzweiflungstat, und als sie das blutige Haupt sieht,
wankt sie halb ohnmächtig ffort. Wilde hat in seiner von Suder¬
mann unabhängigen, viel früher erstandenen Dichtung den Tod
des Johannes nur von Salome herbeiführen lassen und aus
dem Anstiften ein Billigen und Ermuntern der Mutter gemacht.
So sehr die Katastrophe dadurch an Einheit gewinnt, ebenso
zwecklos werden aber nunmehr die erschütternden Bußworte
und Verdammungen des Propheten, die in der Bibel das eigent¬
lich treibende Moment sind.
Aus der weltgeschichtlichen Tragödie wird die Laune eines
perversen Weibes, das nach dem blassen, bleichen Propheten
mit schwarzem Haar und glühenden Augen sich sehnt, seinen
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Kontesse Mizzierder- Fani#ientan
Nr. 187
Graz, Montag
Grazer Volksblatt.
freundlich auf. Bald kommt auch der „Schwiegersohn“. Eben¬
Theater und Kunst.
falls illegal. Der Fürst Ravenstein hatte ein Verhältnis mit
Mizi und davon einen 17jährigen Sohn Philipp, den er bei
roch Vom Theater.
fremden Leuten erziehen ließ und „adoptierte“. Deshalb also
Im Stadttheater wird sich heute (Serie B) als Nanki Poo in
Familientag.
„Mikado“ Herr Theodor Jäger vom neuen Operettentheater
in Hamburg als Bewerber um die Vertretung des Tenorfaches
in der Operette für das nächste Spieljahr vorstellen; im Theater
am Franzensplatz wird „Madame Bonivart“ zahlreiche Besucher
amüsieren. Morgen wird im Stadttheater „Das Modell“ ge¬
spielt werden, im Theater am Franzensplatz die beiden Novi¬
täten „Salome“ und „Comtesse Mizi“, die bei ihren ersten
zwei Aufführungen vor ausverkauftem Hause in Szene gingen,
wiederholt; die Salome wird viesmal von Frl. Weiser ver¬
körpert werden. Mittwoch, neu einstudiert, im Stadttheater
Millöckers „Armer Jonathan“. Mister Vandergold — Herr
Theodor Jäger, im Theater am Franzensplatz über Wunsch
mannigfacher Abonnenten der Serie A „König Oedipus“.
„Salome“.
Die Oper von Richard Strauß hat auch das Interesse für
das Schauspiel Wildes erregt. In Graz gewiß Es heißt von
Strauß, er habe eines Tages Wildes Dichtung zur Hand ge¬
nammen und sei schon von den ersten Worten so gepackt wor¬
den, daß ar gleich zu komponieren begann. Mit poesievollem
Bilderreichtum einer biblischen Sprache führt uns Wilde in
die orientalisch schwüle, sinnlich erregte Welt am Hofe des
Herodes.
Schlicht und einfach erzählt das Evangelium MNarkus und
Matthäus) die Begebenheit. Hexodes gab den Obersten und
Hauptleuten in Galiläa ein Abendmahl. Und die Tochter der
Herodias tanzte und gefiel wohl dem König und denen, die
am Tische saßen. Da sprach der König zum Mägdlein: Bitte
von mir, was du willst, ich will dir's geben. Und schwur ihr
einen Eid: Was du wirst von mir bitten, will ich dir geben,
bis an die Hälfte meines Königreiches. Sie ging hinaus und
sprach zu ihrer Mutter: Was soll ich bitten? Die sprach: Das
Haupt des Johannes des Täufers. Und sie ging mit Eile zum
König, bat und sprach: Ich will, daß du mir gebest jetzt so¬
bald auf einer Schüssel das Haupt Johannes des Täufers. Und
der Henker ging und enthauptete ihn im Gefängnis und trug
her sein Haupt auf einer Secüssel, und gab es dem Mägolein,
und das Mägdlein gab es der Mutter.
Diese einfachen Zeilen haben seither viele Künstler mit
Unruhe, Interesse und Grauen erfüllt, und in der Salome¬
Gestalt eines der fesselndsten künstlerischen und psychologischen
Problemes geboten.
Unsere Geschichtskenntnisse wissen, daß Herodes ein orien¬
talischer Despot, aber auch eleganter, gebildeter Weltmann war,
der am Hofe des Caligula und in Lyon römische Sitten kennen
lernte, oft in Rom war, an der Tafel des Kaisers saß, die
Prinzen und Prinzessinnen von römischen Lehrern erziehen
ließ So gab es auch in Jerusalem ein prächtiges römisches
Theater, an welchem Griechen spielten, vor den Toren war
ein römischer Zirkus. Während der nationale Jude Körper¬
pflege und Schönheitskult, Tanz und Spiel als Sünde haßte,
freute sich daran sein König gleich Römern und Griechen
Fahrende Tänzer und Fechter aus Griechenland und Rom
waren in Jerusalem beim König stets freundlich ausgenommen.
So wußte also Herodias durch Saiomes Tanz den furcht¬
baren Ankläger Johannes zu verderben.
In Sudermanns „Johannes“ folgt Salome dem Rate der
beleidigten Mutter: das Haupt des Propheten zu fordern. Sie
erwartet, er werde sie um sein Leben anflehen. Ihr Tanz ist
eine Verzweiflungstat, und als sie das blutige Haupt sieht,
wankt sie halb ohnmächtig ffort. Wilde hat in seiner von Suder¬
mann unabhängigen, viel früher erstandenen Dichtung den Tod
des Johannes nur von Salome herbeiführen lassen und aus
dem Anstiften ein Billigen und Ermuntern der Mutter gemacht.
So sehr die Katastrophe dadurch an Einheit gewinnt, ebenso
zwecklos werden aber nunmehr die erschütternden Bußworte
und Verdammungen des Propheten, die in der Bibel das eigent¬
lich treibende Moment sind.
Aus der weltgeschichtlichen Tragödie wird die Laune eines
perversen Weibes, das nach dem blassen, bleichen Propheten
mit schwarzem Haar und glühenden Augen sich sehnt, seinen