II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 107

Matthäus) die Begebenheit. Hexodes gab den Obersten und
Hauptseuten in Galiläa ein Abendmahl. Und die Tochter der
Herodias tanzte und gefiel wohl dem König und denen, die
am Tische saßen. Da sprach der König zum Mägdrein: Bitte
von mir, was du willst, ich will dir's geben. Und schwur ihr
einen Eid: Was du wirst von mir bitten, will ich dir geben,
bis an die Hälfte meines Königreiches. Sie ging hinaus und
sprach zu ihrer Mutter: Was soll ich bitten? Die sprach: Das
Haupt des Johannes des Täufers. Und sie ging mit Eile zum
König, bat und sprach: Ich will, daß du mir gebest jetzt so¬
bald auf einer Schüssel das Haupt Johannes des Täufers. Und
der Henker ging und enthauptete ihn im Gefängnis und trug
her sein Haupt auf einer Schüssel, und gab es dem Mägdlein,
und das Mägdlein gab es der Mutter.
Diese einfachen Zeilen haben seither viele Künstler mit
Unruhe, Interesse und Grauen erfüllt, und in der Salome¬
Gestalt eines der fesselndsten künstlerischen und psychologischen
Problemes geboten.
Unsere Geschichtskenntnisse wissen, daß Herodes ein orien¬
talischer Despot, aber auch eleganter, gebildeter Weltmann war,
der am Hofe des Caligula und in Lyon römische Sitten kennen
lernte, oft in Rom war, an der Tafel des Kaisers saß, die
Prinzen und Prinzessinnen von römischen Lehrern erziehen
ließ So gab es auch in Jerusalem ein prächtiges römisches
Theater, an welchem Griechen spielten, vor den Toren war
ein römischer Zirkus. Während der nationale Jude Körper¬
pflege und Schönheitskult, Tanz und Spiel als Sünde haßte,
freute sich daran sein König gleich Römern und Griechen,
Fahrende Tänzer und Fechter aus Griechenland und Rom
waren in Jerusalem beim König stets freundlich aufgenommen.
So wußte also Herodias durch Salomes Tanz den furcht¬
baren Ankläger Johannes zu verderben.
In Sudermanns „Johannes“ folgt Salome dem Rate der
beleidigten Mutter: das Haupt des Propheten zu fordern. Sie
erwärtet, er werde sie um sein Leben anflehen. Ihr Tanz ist
eine Verzweiflungstat, und als sie das blutige Haupt sieht,
wankt sie halb ohnmächtig fort. Wilde hat in seiner von Suder¬
mann unabhängigen, viel früher erstandenen Dichtung den Tod
des Johannes nur von Salome herbeiführen lassen und aus
dem Anstiften ein Billigen und Ermuntern der Mutter gemacht.
So sehr die Katastrophe dadurch an Einheit gewinnt, ebenso
zwecklos werden aber nunmehr die erschütternden Bußworte
und Verdammungen des Propheten, die in der Bibel das eigent¬
lich treibende Moment sind.
Aus der weltgeschichtlichen Tragödie wird die Laune eines
perversen Weibes, das nach dem blassen, bleichen Propheten
mit schwarzem Haar und glühenden Augen sich sehnt, seinen
roten Mund küssen will und ihren Kuß in wilder Extase auf
das blutige tote Haupt drückt, weil der Lebende sie verschmähte.
Schon 1900 machte die „Wiener Rundschau“ das deutsche
Publikum mit „Salome“ bekannt, in einer Übersetzung von
Hedwig Lachmann, mit Zeichnungen von Beardsley versehen.
Diese so krank und exotisch, dekadent als das Stück selbst. Ein
Berauschen an schwüler Sinnenglut, an farbigen leuchtenden
Wortgruppen, bei Beardsley in exotische Linien und Formen
übertragen. Salome ist die kleine Prinzessin, wie der Schatten
einer weißen Rose in einem silbernen Spiegel, deren Füße
wie weiße Tauben, deren Hände weiße, flatternde Schmetter¬
linge.
Unsere Aufführung war auf den sinnlichen Akkord abge¬
stimmt. Dr. Alberty als Herodes eine Despotengestalt, auf¬
gedunsen, an Geist und Körper zerfallen wie der von allen
Lüsten gesättigte, nach neuen raffinierten Emotionen suchende
Nero. Gewiß eine im Sinne der Legende und Überlieferung
glaubhafte Auffassung. Frl. Wolff als Salome gab auch nur
die sinnliche Seite, fast an Klingers Salome gemahnend, brutal,
heimtückisch, herzlos und — gedankenlos, ein „Erdgeist“ am
Hofe des Herodes. Konsequenterweise gab Frl. Fasser eine
auf Salome eifersüchtige Herodias, dabei hoheitsvolle Königin.
Das Szenenbild war das bekannte der Oper. — Als zweiter
Einakter folgte „Komtesse Mizi oder der Familientag“ von
Schnitzler. In seiner bekannten flotten Manier; auch Lust an
Erotik. Wenig schmeichelhaft für die österreichische Aristokratie,
falls andere Stände berechtigt wären, sich besser zu fühlen. Graf
Arpad, ältlicher Aristokrat, gewesener Kavallerieoffizier, früh
Witwer, lebte durch achtzehn Jahre mit einer Tänzerin, der
pensionierten Dame vom Ballett, 38jährigen Lola Langhuber.
Sie gibt ihm den Laufpaß, will in „solide“ Verhältnisse kom¬
men, heiratet den Fiaker und Hausbesitzer Wasner. Besucht
noch einmal den Grafen auf seinem Landgut. Dessen Tochter,
die auch schon ältere Komtesse Mizzi, nimmt ihre „Stiefmama“.