21. Kontesse Mizz 1oder der FaniLientag
M
G
Inszenierung des Herrn Dr. Alberty fehlte die Stim¬
mung, und das lag auch in der Darstellung. Fräulein
Gee fTheater und Mussk.
Wolff ließ auch in der Salome merken, daß die Wie¬
Graz, 26. April.
dergabe großer Emotionen, der wirksame Eindruck gewal¬
Theater am Franzensplatz.
tiger Leidenschaften nur zum Teile im Bereiche ihrer
Salome, Tragödie von Oskar Wilde. Fräulein Margarethe
Ausdruckmittel liegt. Was ihr gut gelang, war die
Wolff vom Deuischen Theater in Petersburg a. D.
perverse Lüsternheit in ihrem Gespräche mit Jochanaan;
Komtesse Mizzi oder Der Familientag, Komödie von
was ich vermißte, war der wilde Trotz des verwöhn¬
Arthur Schnitzler.
ten Fürstenkindes, die naive unbewußte Verderbtheit,
Oskar Wildes Drama Salome ist durch Richard
der Haß wegen verschmähter Werbung und dann vor allem
Strauß' gleichnamige Oper, der es als Text zu Grunde
die große, wenn auch aus perversen Instinkten aufflam¬
liegt, weit mehr bekannt und berühmt geworden, als
mende Liebe zu dem bewunderten Propheten. Diese muß
durch die gesprochene Wiedergabe. Und doch ist die letztere
namentlich in der Schlußszene mit dem Haupte in der
eine Art nötiger Ergänzung. Denn im Drama sind
Schüssel zur Geltung kommen, und das Entsetzen und den
äußerst seine Unterscheidungen und physiologische und
physischen Ekel vor ihrem Tun bei den Zuschauern mil¬
psychologische Ausführungen enthalten, die auch durch
dern. Aber die furchtbare Szene blieb ziemlich wirkungs¬
die kühnsten Ausdrucksformen der Musik nicht so charak¬
los, weil dem Spiele der Darstellerin der große Zug
teristisch wiedergegeben werden können als durch die
fehlt. Den Schleiertanz führte sie nicht ohne Grazie
Sprechstimme. Im Drama lebt sich eine Natur aus in
und sehr charakteristisch aus. Sie ist gewiß eine gewandte
gewaltiger Tiefe bis zum dionysischen, ja perversen Wahn¬
und verwendbare Schauspielerin, aber ich vermag den
sinn. In dem Einakter steckt eine große Kraft der Kon¬
wirklichen Gewinn nicht zu ersehen, den ihr Engagement
zentration und eine Plastik der Gestalten, besonders des
für unser gegenwärtiges Schauspiel haben soll. Herr Dr.
Jochanaan, der in fanatischem Hasse, in visionärer Ver¬
Alberty vexgriff sich in der Darstellung des Herodes
zückung seine Flüche über das Geschlecht der Herodes
wieder einmal an dem richtigen Gradmesser für seine
herausschleudert, und dann der Salome, die in ihrer
dramatische Wiedergabe. Die weinselige Stimmung des
fast überreifen Verderbtheit sich nach dem weißen kühlen
asiatischen Despoten wurde zur lärmenden Trunkenheit,
Fleische und dem roten Munde des unheimlichen Pro¬
die wandelnden abnormen Launen zum wirklichen Wahn¬
pheten sehnt, und zuletzt mit der krankhaften Ausdauer
sinn und stellenweise zur scheinbaren Verblödung. Dabei
eines verzogenen Kindes nach seinem Haupte verlangt,
ging der Fürst und König, ging die Würde des Herrschers
um in fast tierisch brünstiger Gier die blutigen Lippen
von Judäa völlig verloren. Wenn König Lear in Wahn¬
zu küssen. Dazu eine unheimliche, sinnlich glühende Fär¬
sinn verfällt, so kann er doch noch immer stolz ausrufen:
bung des ganzen Dialogs, förmlich rhythmische Sprach¬
„Jeder Zoll ein König!“ Aber dem schreienden, trun¬
kadenzen, schwül atmende Wechselreden. Nur in einem
kenen Manne gegenüber klingt es fast komisch, wenn
weicht das Stück von der biblischen Erzählung ab, daß
die Wachen sich wiederholt ängstlich und scheu zuflü¬
hier der Tod des Johannes lediglich von Salome aus¬
stern: „Wie finster sieht der Vierfürst aus!“ Diese Be¬
geht, und die Gestalt der Herodias, die dort die eigentliche
merkungen sind ja zugleich ein Wink für den Darsteller
Ursache ist, vollständig zwecklos wird.
des Herodes. Im übrigen sind Fräulein Fasser als
Die Aufführung am Samstag zeigte übrigens deut¬
Herodias und Herr Höller als Jochanaan noch her¬
lich, daß as gesprochene Drama von Wilde bei weitem
vorzuheben.
nicht die Wirkung hervorrief, wie seinerzeit das Musik¬
Nach der schwülen Erotik der Salome, dieser brutalen,
drama von Richard Strauß. Trotz der vortrefflichen
box 26/1
S
sast sadistischen Mischung von Liebe und
Morde, berührte Schnitzlers Komtesse A
heitere Satire. Das Wort ist eigentlich ni
tige, denn Schnitzler ist zu viel Poet und
ganz Satiriker zu sein: aber es ist eine
mödie mit seinem anmutigen und feinem Dic
Mischung von Pariser Esprit und anheimel
Gemütlichkeit. Im Mittelpunkte der Handlu
der das „süße Wiener Mädel“, aber es hat
stadt den Weg zur Terrasse eines gräflich
genommen, nur in älterer Gestalt. Graf Pa
frühzeitig Witwer geworden, hat mit einem
Lolo Langhuber, durch 18 Jahre lang ein
gehabt; er wollte sie sogar heiraten, aber
ihn aus, weil „es doch kein gut täte“ u
sich dafür mit einem Fiaker und Hausb
ihrer Verheiratung besucht sie noch den
ein wenig seiner Tochter, der Komtesse 2
geniert ist. Doch diese ist lang über Vorur
sie hat vor achtzehn Jahren den Fürsten
einen Freund ihres Vaters, geliebt und vor
Sohn gehabt, den nun der Fürst adoptie
im Schlosse vorstellt. So ist der „Famili
ständig beisammen: Vater und Maitresse,
„illegale“ Mutter, Fürst Ravenstein und sein
Sohn. Des letzteren wegen entschließt sich Ko
ihrem heimlich geliebten Zeichenlehrer, Prof
hofer, kurzweg den Laufpaß zu geben um
dem mittlerweile auch Witwer gewordenen
venstein zu vermählen. Der Kern des Ein
in der lebensvollen Wahrheit und scharfen A
womit Schnitzler hier ein Sittenbild aus der
zusammenstellt und im Gegensatze zwischen
lüge der bevorzugten Stände und der ehrliche
Auffassung eines Mädchens aus dem Volk
beiden aristokratischen Typen, der gutmütig
fache ungarische Edelmann Pazmandy „der si
und Urteil der Welt nicht kümmert, und der d
Fürst Ravenstein, der als echter Feudaler u
Meinung der Welt besorgt ist, sind gut gez
wurden von den Herren Großmann un
trefflich dargestellt. Sonst verlief das heitere
matt und gedehnt, obwohl die Frauengestal
Mitzi und Lolo Langhuber, durch die Dam
und Rainer sehr gut wiedergegeben wurh
schend war die flotte, muntere und der Ro
gemessene Darstellung des Philipp durch H
svelt. Das Haus war ausverkauft und,
beife Ialustig
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Inszenierung des Herrn Dr. Alberty fehlte die Stim¬
mung, und das lag auch in der Darstellung. Fräulein
Gee fTheater und Mussk.
Wolff ließ auch in der Salome merken, daß die Wie¬
Graz, 26. April.
dergabe großer Emotionen, der wirksame Eindruck gewal¬
Theater am Franzensplatz.
tiger Leidenschaften nur zum Teile im Bereiche ihrer
Salome, Tragödie von Oskar Wilde. Fräulein Margarethe
Ausdruckmittel liegt. Was ihr gut gelang, war die
Wolff vom Deuischen Theater in Petersburg a. D.
perverse Lüsternheit in ihrem Gespräche mit Jochanaan;
Komtesse Mizzi oder Der Familientag, Komödie von
was ich vermißte, war der wilde Trotz des verwöhn¬
Arthur Schnitzler.
ten Fürstenkindes, die naive unbewußte Verderbtheit,
Oskar Wildes Drama Salome ist durch Richard
der Haß wegen verschmähter Werbung und dann vor allem
Strauß' gleichnamige Oper, der es als Text zu Grunde
die große, wenn auch aus perversen Instinkten aufflam¬
liegt, weit mehr bekannt und berühmt geworden, als
mende Liebe zu dem bewunderten Propheten. Diese muß
durch die gesprochene Wiedergabe. Und doch ist die letztere
namentlich in der Schlußszene mit dem Haupte in der
eine Art nötiger Ergänzung. Denn im Drama sind
Schüssel zur Geltung kommen, und das Entsetzen und den
äußerst seine Unterscheidungen und physiologische und
physischen Ekel vor ihrem Tun bei den Zuschauern mil¬
psychologische Ausführungen enthalten, die auch durch
dern. Aber die furchtbare Szene blieb ziemlich wirkungs¬
die kühnsten Ausdrucksformen der Musik nicht so charak¬
los, weil dem Spiele der Darstellerin der große Zug
teristisch wiedergegeben werden können als durch die
fehlt. Den Schleiertanz führte sie nicht ohne Grazie
Sprechstimme. Im Drama lebt sich eine Natur aus in
und sehr charakteristisch aus. Sie ist gewiß eine gewandte
gewaltiger Tiefe bis zum dionysischen, ja perversen Wahn¬
und verwendbare Schauspielerin, aber ich vermag den
sinn. In dem Einakter steckt eine große Kraft der Kon¬
wirklichen Gewinn nicht zu ersehen, den ihr Engagement
zentration und eine Plastik der Gestalten, besonders des
für unser gegenwärtiges Schauspiel haben soll. Herr Dr.
Jochanaan, der in fanatischem Hasse, in visionärer Ver¬
Alberty vexgriff sich in der Darstellung des Herodes
zückung seine Flüche über das Geschlecht der Herodes
wieder einmal an dem richtigen Gradmesser für seine
herausschleudert, und dann der Salome, die in ihrer
dramatische Wiedergabe. Die weinselige Stimmung des
fast überreifen Verderbtheit sich nach dem weißen kühlen
asiatischen Despoten wurde zur lärmenden Trunkenheit,
Fleische und dem roten Munde des unheimlichen Pro¬
die wandelnden abnormen Launen zum wirklichen Wahn¬
pheten sehnt, und zuletzt mit der krankhaften Ausdauer
sinn und stellenweise zur scheinbaren Verblödung. Dabei
eines verzogenen Kindes nach seinem Haupte verlangt,
ging der Fürst und König, ging die Würde des Herrschers
um in fast tierisch brünstiger Gier die blutigen Lippen
von Judäa völlig verloren. Wenn König Lear in Wahn¬
zu küssen. Dazu eine unheimliche, sinnlich glühende Fär¬
sinn verfällt, so kann er doch noch immer stolz ausrufen:
bung des ganzen Dialogs, förmlich rhythmische Sprach¬
„Jeder Zoll ein König!“ Aber dem schreienden, trun¬
kadenzen, schwül atmende Wechselreden. Nur in einem
kenen Manne gegenüber klingt es fast komisch, wenn
weicht das Stück von der biblischen Erzählung ab, daß
die Wachen sich wiederholt ängstlich und scheu zuflü¬
hier der Tod des Johannes lediglich von Salome aus¬
stern: „Wie finster sieht der Vierfürst aus!“ Diese Be¬
geht, und die Gestalt der Herodias, die dort die eigentliche
merkungen sind ja zugleich ein Wink für den Darsteller
Ursache ist, vollständig zwecklos wird.
des Herodes. Im übrigen sind Fräulein Fasser als
Die Aufführung am Samstag zeigte übrigens deut¬
Herodias und Herr Höller als Jochanaan noch her¬
lich, daß as gesprochene Drama von Wilde bei weitem
vorzuheben.
nicht die Wirkung hervorrief, wie seinerzeit das Musik¬
Nach der schwülen Erotik der Salome, dieser brutalen,
drama von Richard Strauß. Trotz der vortrefflichen
box 26/1
S
sast sadistischen Mischung von Liebe und
Morde, berührte Schnitzlers Komtesse A
heitere Satire. Das Wort ist eigentlich ni
tige, denn Schnitzler ist zu viel Poet und
ganz Satiriker zu sein: aber es ist eine
mödie mit seinem anmutigen und feinem Dic
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Gemütlichkeit. Im Mittelpunkte der Handlu
der das „süße Wiener Mädel“, aber es hat
stadt den Weg zur Terrasse eines gräflich
genommen, nur in älterer Gestalt. Graf Pa
frühzeitig Witwer geworden, hat mit einem
Lolo Langhuber, durch 18 Jahre lang ein
gehabt; er wollte sie sogar heiraten, aber
ihn aus, weil „es doch kein gut täte“ u
sich dafür mit einem Fiaker und Hausb
ihrer Verheiratung besucht sie noch den
ein wenig seiner Tochter, der Komtesse 2
geniert ist. Doch diese ist lang über Vorur
sie hat vor achtzehn Jahren den Fürsten
einen Freund ihres Vaters, geliebt und vor
Sohn gehabt, den nun der Fürst adoptie
im Schlosse vorstellt. So ist der „Famili
ständig beisammen: Vater und Maitresse,
„illegale“ Mutter, Fürst Ravenstein und sein
Sohn. Des letzteren wegen entschließt sich Ko
ihrem heimlich geliebten Zeichenlehrer, Prof
hofer, kurzweg den Laufpaß zu geben um
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zusammenstellt und im Gegensatze zwischen
lüge der bevorzugten Stände und der ehrliche
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fache ungarische Edelmann Pazmandy „der si
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Fürst Ravenstein, der als echter Feudaler u
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schend war die flotte, muntere und der Ro
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beife Ialustig