Wit siht sieben dem gealterten, aber immer noch
frohgemuten Viveur, der ihr Vater ist und den sie bis¬
her nur aus den gehässigen Worten der Mutter kennt.
Und in Gesprächen, deren Sinn und Inhalt sich zwischen
und hinter die Worte versteckt, erwacht in ihr allmählich
eine unbegreifliche Sehnsucht nach der freieren, leichten,
beschwingten Art der Lebensführung des Vaters und
gleichzeitig ein noch unbegreiflicherer Widerwillen gegen
die pedantische Oede, die kaffeeduftende Behaglichkeit des
mütterlichen Heims. Undeutlich, aber mit leisem inneren
Jubel beginnt sie zu fühlen, wo ihre wahre Heimat liegt.
So wie der feindselige Trotz, mit dem sie die Wohnung
des Vaters betrat, ganz unmerklich zu tiefer Hingezogen¬
heit gewandelt wird, ebenso wird mit sanftem, melodi¬
schem Modulieren der Mißklang dieses bisher verfehlten
Mädchenlebens in Harmonie aufgelöst. Vielerlei ganz
imponderable Zartheiten sind da am Werke: der seltsam
keusche Reiz, der in diesem langsamen Besiegtwerden von
einem Manne liegt, der noch nicht lange genug als
Vater empfunden wird, um nicht auch mit der Wärme
seiner Männlichkeit zu wirken. Dann der Zauber dieser
lockenden Sphäre von Ueberfluß und Luxus, in der alle
früheren Perspektiven und Proportionen gänzlich ver¬
schoben und aufgehoben werden, in der der bescheidene
Bräutigam aus dem ersten Akt plötzlich bis zur Unsicht¬
barkeit in den Hintergrund rückt. In diesem zweiten und
dritten Akt liegen die Schönheiten und Werte dieses an¬
mutig heiteren Spieles, das manchmal sogar zu rühren
vermag, ohne rührselig zu werden. Man ärgert sich nur
ganz flüchtig, wenn dann der vierte Akt nicht umhin
kann, das Ganze zuguterletzt mit der faden Sauce all¬
seitigen Wohlgefallens zu übergießen.
Das Hauptverdienst der vortrefflichen Darstellung
lag im Mr. Orsier des Herrn Thaller. Es mußte
entzücken, zu beobachten, wie leicht und launig dieser
Künstler alle Sentimentalität in eine lustige frische Herz¬
lichkeit auflöste, wie originell er die charmante Sicherheit
des Viveurs aller Weiblichkeit gegenüber in überlegene,
väterliche Zärtlichkeit umbog. Die Jeanne spielte Fräulein
Paula Müller und sie hatte für die oft leise glei¬
tende, oft wieder ruckweise Wandlung von trotziger Zag¬
haftigkeit zu kindlicher Hingebung im Ton, im Augen¬
aufschlag, im Lachen, in der Gebärde unerschöpflich viele,
köstliche Nuancen.
Fast noch erleseneres Amüsement brachte der gestrige
Einakterabend. Zuerst schien es freilich, als sollte Herr
Sudermann dem Publikum die Laune gründlich ver¬
derben. Man gab — warum, ist unbegreiflich —
den
ersten seiner „Rosen"=Einakter, „Lichtbänder“ be¬
titelt. Weil nämlich die Sonne in bandähnlichen Streifen
durch die Jalousinenritzen eines Pavillons fällt, in dem
sich ein Pärchen schwüler Lust hingibt. Die „Schwüle“
und die „Lust“ sind Herrn Sudermann die Hauptsache.
Man konnte schon bei seinem auch hier gekenterten
„Blumenboot“ und noch besser in seinem letzten Sen¬
sationsroman beobachten, wie lüstern er jetzt auf pikante
Wirkungen losgeht und wie er seiner wilden Kolportage¬
phantasie geradezu die Zügel über den Kopf wirft. Nach
vielerlei pikfein ausgeklügelter Spannung überrascht denn
richtig der Ehemann sein rosen= und liebevolles Frauchen
doch es lohnt wirklich nicht, auf die Einzelheiten
all dieser aufdringlichen Verlogenheiten einzugehen, die
ersichtlich nur deshalb ins Rampenlicht gerückt wurden,
weil Fräulein=Galafres und Herr Kramer sie in
einem prächtigen, mitunter erregenden Furioso vorbei¬
wirbeln ließen. Das Publikum lehnte den schwülen Herrn
Sudermann sehr entschieden ab und freute sich gleich
darauf dem angenehmer temperierten Herrn Salten zu
begegnen, dessen von hiesigen Aufführungen her be¬
bekannter Einakter „Auferstehung“ (aus dem Zyklus
„Vom anderen Ufer“) nun folgte. In der bodenständige¬
ren Wiedergabe des Wiener Ensembles wurde die feine,
von allerlei melancholischer Nachdenklichkeit umwitterte
Stimmung des geistvollen Stückes ungleich stärker fühl
bar. Die innige Treuherzigkeit der Frau Glöckner
und der sichere, selbstironische Ton des Herrn Kramer
beherrschten die sehr glückliche Darstellung, in der auch
die Episoden der Herren Homma, Klitsch und des
Fräuleins Müller einmütiges Gefallen fanden.
„Komtesse Mizzi“ von Arthur Schnitzler machte
den Schluß. Ein schwächerer Schnitzler; aber immerhin
ein Schnitzler in der kunstvollen Schlichtheit des Baues;
frohgemuten Viveur, der ihr Vater ist und den sie bis¬
her nur aus den gehässigen Worten der Mutter kennt.
Und in Gesprächen, deren Sinn und Inhalt sich zwischen
und hinter die Worte versteckt, erwacht in ihr allmählich
eine unbegreifliche Sehnsucht nach der freieren, leichten,
beschwingten Art der Lebensführung des Vaters und
gleichzeitig ein noch unbegreiflicherer Widerwillen gegen
die pedantische Oede, die kaffeeduftende Behaglichkeit des
mütterlichen Heims. Undeutlich, aber mit leisem inneren
Jubel beginnt sie zu fühlen, wo ihre wahre Heimat liegt.
So wie der feindselige Trotz, mit dem sie die Wohnung
des Vaters betrat, ganz unmerklich zu tiefer Hingezogen¬
heit gewandelt wird, ebenso wird mit sanftem, melodi¬
schem Modulieren der Mißklang dieses bisher verfehlten
Mädchenlebens in Harmonie aufgelöst. Vielerlei ganz
imponderable Zartheiten sind da am Werke: der seltsam
keusche Reiz, der in diesem langsamen Besiegtwerden von
einem Manne liegt, der noch nicht lange genug als
Vater empfunden wird, um nicht auch mit der Wärme
seiner Männlichkeit zu wirken. Dann der Zauber dieser
lockenden Sphäre von Ueberfluß und Luxus, in der alle
früheren Perspektiven und Proportionen gänzlich ver¬
schoben und aufgehoben werden, in der der bescheidene
Bräutigam aus dem ersten Akt plötzlich bis zur Unsicht¬
barkeit in den Hintergrund rückt. In diesem zweiten und
dritten Akt liegen die Schönheiten und Werte dieses an¬
mutig heiteren Spieles, das manchmal sogar zu rühren
vermag, ohne rührselig zu werden. Man ärgert sich nur
ganz flüchtig, wenn dann der vierte Akt nicht umhin
kann, das Ganze zuguterletzt mit der faden Sauce all¬
seitigen Wohlgefallens zu übergießen.
Das Hauptverdienst der vortrefflichen Darstellung
lag im Mr. Orsier des Herrn Thaller. Es mußte
entzücken, zu beobachten, wie leicht und launig dieser
Künstler alle Sentimentalität in eine lustige frische Herz¬
lichkeit auflöste, wie originell er die charmante Sicherheit
des Viveurs aller Weiblichkeit gegenüber in überlegene,
väterliche Zärtlichkeit umbog. Die Jeanne spielte Fräulein
Paula Müller und sie hatte für die oft leise glei¬
tende, oft wieder ruckweise Wandlung von trotziger Zag¬
haftigkeit zu kindlicher Hingebung im Ton, im Augen¬
aufschlag, im Lachen, in der Gebärde unerschöpflich viele,
köstliche Nuancen.
Fast noch erleseneres Amüsement brachte der gestrige
Einakterabend. Zuerst schien es freilich, als sollte Herr
Sudermann dem Publikum die Laune gründlich ver¬
derben. Man gab — warum, ist unbegreiflich —
den
ersten seiner „Rosen"=Einakter, „Lichtbänder“ be¬
titelt. Weil nämlich die Sonne in bandähnlichen Streifen
durch die Jalousinenritzen eines Pavillons fällt, in dem
sich ein Pärchen schwüler Lust hingibt. Die „Schwüle“
und die „Lust“ sind Herrn Sudermann die Hauptsache.
Man konnte schon bei seinem auch hier gekenterten
„Blumenboot“ und noch besser in seinem letzten Sen¬
sationsroman beobachten, wie lüstern er jetzt auf pikante
Wirkungen losgeht und wie er seiner wilden Kolportage¬
phantasie geradezu die Zügel über den Kopf wirft. Nach
vielerlei pikfein ausgeklügelter Spannung überrascht denn
richtig der Ehemann sein rosen= und liebevolles Frauchen
doch es lohnt wirklich nicht, auf die Einzelheiten
all dieser aufdringlichen Verlogenheiten einzugehen, die
ersichtlich nur deshalb ins Rampenlicht gerückt wurden,
weil Fräulein=Galafres und Herr Kramer sie in
einem prächtigen, mitunter erregenden Furioso vorbei¬
wirbeln ließen. Das Publikum lehnte den schwülen Herrn
Sudermann sehr entschieden ab und freute sich gleich
darauf dem angenehmer temperierten Herrn Salten zu
begegnen, dessen von hiesigen Aufführungen her be¬
bekannter Einakter „Auferstehung“ (aus dem Zyklus
„Vom anderen Ufer“) nun folgte. In der bodenständige¬
ren Wiedergabe des Wiener Ensembles wurde die feine,
von allerlei melancholischer Nachdenklichkeit umwitterte
Stimmung des geistvollen Stückes ungleich stärker fühl
bar. Die innige Treuherzigkeit der Frau Glöckner
und der sichere, selbstironische Ton des Herrn Kramer
beherrschten die sehr glückliche Darstellung, in der auch
die Episoden der Herren Homma, Klitsch und des
Fräuleins Müller einmütiges Gefallen fanden.
„Komtesse Mizzi“ von Arthur Schnitzler machte
den Schluß. Ein schwächerer Schnitzler; aber immerhin
ein Schnitzler in der kunstvollen Schlichtheit des Baues;