II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 119

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21. Kontesse Miz1 der Fani1ientag
Theatzr und Kunst. ##
Lobtheater.
September. „Komtesse
Sonnabend, den 4.
Mizzi“ oder: „Der Familientag“. — „Lie¬
Pelei“.
Zwischen dem Arthur Schnitzler der „Komtesse
vierzehn Jahre.
Mizzi“ und dem der
Tempora mutantur — und der zweite Teil dieses Wortes,
daß wir uns mit den Zeiten verändern, ist nicht minder
zutreffend. Der Kern dieser neuen Schnitzlerschen Ein erinnert ihn noch einmal sehr deutlich daran und gib
akterkomödie hat einen recht bitteren Nachgeschmack. Ei dann, wie gesagt, den Laufpaß, mit „herzlichen" Wohl¬
Wedekindeffett, doch davon später. Eines schon mach ergehenswünschen für seine Frau und seine Kinder. Ein
stutzig: Arthur Schnitzler, ein so geschmackvolle: Autor richtiger burlesker Wedekind=Bluff, der denn auch im
bedient sich der wenig geschmackvollen Titelformulierung Publikum sofort die entsprechende Lachstimmung erzeugte.
mit „oder“. Das muß einen Zweck haben. Und natürlich Komtesse Mizzi ist gewißlich keine Heilige, aber das hätte
hat es einen. Die giftige Dolchspitze der Satire blink uns Arthur Schnitzler mit ihr nicht antun sollen. Brr!
Der Aufführung fehlte trotz mancher Vorzüge die rechte
daraus unter weichem Seidentüchlein hervor. Wie in den
späteren Ibsendramen, so ist auch in „Komtesse Mizzi“ stilistische Einheitlichkeit. Herr Bauer (Graf Arpad
wenn sich der Vorhang hebt, eigentlich schon alles vorbei. Pazmandy). Fr. Santen (Komtesse Mizzi) und Herr
Nur die Vergangenheit steigt aus ihrem eigenen Schoße Müller (Fürst Ravenstein) versuchten es bald mit dem
wieder empor, und was sich begiebt. ist Nachspiel. Dieses österreichischen bezw. ungarischen Dialekt. bald gaben sie
Nachspiel könnte nun tragisch, pathetisch, befreiend oder es wieder als aussichtslos auf, um den Versuch dann —
auch sentimental ausklingen, tut aber keines von alledem ebenso aussichtslos — wieder aufzunehmen. Frl. De¬
Man höre. Der alternde Graf Arpad Pazmandy muß von carli als Lolo Langhuber und Herr Halpern als
seiner in 18 jährigem Verhältnis treu bewährten Geliebter Fiaker Werner boten angemessene Leistungen. Herr
Lolo Langhuber, k. k. Balleteuse a. D., Abschied nehmen. Kaiser konnte in seiner unglücklichen Rolle als Pro¬
weil sie noch rechtzeitig vor „Torschluß“ in den heiligen fessor Windhofer nur eine unglückliche Figur machen.
Ehestand mit einem Wiener Fiaker= und Hausbesitzer Ganz famos traf Herr Skoda die Haltung seines frisch
tritt. Da besucht ihn sein Freund Egon Fürst Raver= gebackenen jungen Aristokraten Philipp. Er stand sozu¬
stein, um ihm vor Antritt einer größeren Reise noch seinen sagen allein auf weiter Flur, aber der Reiz der Neuheit
der Welt bisher verborgen gebliebenen, nunmehr legiti= des Stückes schuf eine hinreichend ergiebige Beifalls¬
mierten 18 jährigen Sohn Philipp vorzustellen. Nicht nur resonanz im Publikum.
dem Grafen, sondern auch seinen Techter, der schon stark
„Liebelei“ wie anders wirkte dieses
angedreißigten“, aber noch immer schönen Komiesse Mizzi.
Zeichen ein! Diese rührend schöne, unpatherische Tragödie
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Sie und keine andere ist die Mutter Philipps. Ihr
des kleinen süßen Mädels, die etwas Typisches, etwas Un¬
Vater weiß von der seinerzeit schlau verborgenen Affaire
verwelkliches an sich hat! Ein modernes Stück nur noch
nichts. Und sie. Mizzi, die einstmals den inzwischen längst
gibt's, in dem Gefühl und Empfindung gleichermaßen
zum Witwer gewordenen Fürsten Ravenstein zu heiraten
bleibende Form gewonnen haben: Halbes „Jugend“.
und ihre Mutterschaft zu bekennen bereit gewesen wäre,
Herrn Bonnos Regie alle Anerkennung. Es lag reiche
will heute davon nichts mehr wissen. Eine Aussprach¬
Stimmung in der Aufführung, trotzdem z. B. die Ver¬
unter vier Augen zwischen dem Fürsten und Komtesse
treterinnen der beiden süßen Mädels nicht den idealen
Mizzi, die erst einen schwachen Anlauf ins Pathetisch.
Anforderungen entsprachen. Die Christine der Fr. von
nimmt, dann aber in Ironie verfließt, verläuft negatie.
Küstenfeld war ja gewiß sehr lieb und schlicht, aber
Die Bekanntschaf ihres Sohnes muß Komtesse Mizz'
gewisse schwer zu charakterisierende Gemütstöne der Rolle
allerdings wobl oder übel machen und der etwas kecke, sich
hätte vielleicht ihre Partnerin, Frl. Jauck, noch voller er¬
sehr aristokratisch fühlende, sonst aber nette junge Mann
klingen lassen können, die ihrerseits als Mizzi Schlager
gefällt ihr auch ganz gut. Auch die in den Ehestand tre
ebenfalls sehr nett war, aber einen gewissen (wienerisch
tende Geliebte ihres Vaters, die sich zu einer Art An¬
gemilderten) schnippischen Unterton des von Männertreue
stands= und Abschiedsbesuch auf dem Schlosse einfindek, ge¬
nichts haltenden jungen Mädchens nicht ganz treffen
fällt ihr sehr; sie freundet sich in aller Kürze förmlich mit
konnte. Dennoch ergänzten sich beide recht gut, noch voll¬
ihr an. So bringt Echnitzler mit geschickter Szenenfüh¬
kommener aber ergänzten sich die Herren Skoda und
rung in den Schloßpark schließlich die ganze „Familie“ zu
Halpern als Fritz Lobheimer und Theodor Kaiser. Zwei
sammen. Mizzi ist zu allerletzt mit dem Vorschlag ihres
wirklich ganz vorzügliche Leistungen. Christinens alten
Vaters einverstanden, mit dem Fürsten Rabenstein und
=Vaier Säls Weieina gas derr Müller mit schlichter
seinem (ihrem) Sohne nach Ostende zu reifen. Vielleicht
stensährheil. Die kleine. aber schwierige Rolle des
also, daß in dem ungeschriebenen zweiten Akte der Ko¬
(„Herrn“, der als gehörnter Gatte mit seiner Duellforde¬
mödie sich doch noch die erfreulichsten Aussichten erfüllen.
rung die jähe Dissonanz in die „Liebelei"=Stimmung des
ersten Aktes bringt, kann noch mit eindrucksvollerer Hal¬
Vorher aber ereignet sich noch das, das ich vorhin als
tung gespielt werden, als sie Herr Bauer ihr gab. Fr.
den Wedekind=Effekt des Stückes bezeichnete. Kom¬
Mäder=Stegemann verdarb in der Nebenrolle der
tesse Mizzi gibt ihrem zur Malstunde erscheinenden Kunst¬
Frau Katharina Binder nichts. Daß die Dasteller in
professor Windhofer den Laufpaß, mit dem sie nicht nur
[Liebelei“ auf verfehlte Dialektimitationen verzichteten,
„Rosen und Veigerln“ gemalt, sondern auch ein entschieden
par sehr löblich. Lebhafter Beifall lohnte die schöne Auf¬
verbtisch betontes“ Stilleben im Schlosse geführt hat. Siel
ührung.
K. M.
* Aus der Breslauer Künstlerwelt. Frl. Hanna=Lise
sabel, eine junge Breslauerin, von der hiesigen Ges
ingsmeisterin Frau Schauer=Bergmann in der Gesangs¬
inst ausgebildet, wurde für die Saison als Opemn¬
ubrette an das #ttbeate in Freiberg i. S. engagiert.