II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 127

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21. koizz1oderder Fanilientag
Titelrolle gab Frl. Steiger, ohne jedoch die starke perverse
Veranlagung der Königstochter in allen Szenen voll und ganz
zum Ausdruck zu bringen. Hin und wieder machte sich etwas
zu viel konventioneller Ton geltend, der zu dem ganzen Cha¬
rakter nicht stimmte. Der Jochanaan lag in den Händen des
Herrn Kirsch, der den pastoralen Ton gut erfaßte und auch
konsequent festhielt. Leider wurde er dadurch zu monvton.
Den Tetrarchen Herodes besorgte Herr Prell, seine Gemahlin,
die Herodias, Frl. v. Leuthold; letztere fand für ihren Haß
gegen den Propheten die nötige Schärfe im Ausdruck Mit
dem syrischen Hauptmann hatte sich Herr Marholm abzufinden,
mit dem Pagen der Herodias Frl. Risa Reval. Einige Heiter¬
keit rief einmal de Ungeschicklichkeit hervor, mit welcher der
Leichnam des durch Selbstmord geendeten syrischen Hauptmannes
auf Besehl des Herodes von der Bühne weggeschafft wurde,
sowie das waschechte Mauscheln der vier Juden. — In der
gleichfalls hier zum ersten Mal aufgeführten Komödie „Kom¬
tesse Mizzi“ zeigt sich Schnitzler als lachender Gesellschafts¬
satyriker. Liebenswürdig, ganz ohne beißende Schärfe enthällt
er in einer „feinen Familie“ vor unseren belustigten Blicken
deren tiefste Intimitäten. Wie alle diese fürstlichen und gräf¬
lichen Herrschaften, die wir nebst einigen Bürgerlichen im Park
des Grafen Arpad Pazmandy treffen, bekannt, verwandt und
verschwägert sind, das hier auseinanderzusetzen würde zu weit
führen, und dem Zuschauer bei einer Wiederholung, welche ja
bevorsteht, den Reiz der amusanten Ueberraschung nehmen. Es
sind jedenfalls, alles kurz gesagt, sehr vorurteilsfreie Leutchen,
die da mit einer Gelassenheit, die ihresgleichen sucht, ihre
Schicksale ausbreiten. Und was dabei das Merkwürdigste ist:
hier stirbt keiner an gebrochenem Herzen, man trennt sich mit
dem tröstlichen Ausblick auf eine allseits befriedigende Zukunft.
Das lustige, nur hie und da noch etwass zu lang ausge¬
sponnene Stückchen wurde vom Publikum mit fröhlichem Bei¬
fall und verständnisvollem Augenzwinkern aufgenommen Die
vorurteilslose Komtesse Mizzi, die von einer Wiener Sensation
nur den Namen hat, denn sie endet nicht wie jene durch
Selbstmord, fand in Frl. Steiger eine Vertreterin, die zwar
nicht alles aus der Rolle herausholte, aber im ganzen recht
brav war. Frl. Landschütz als solid gewordene Balleteuse
spielte ganz charmant, während die beiden adeligen Väter durch
Herrn Prell und Herrn Wonger schauspielerisch ganz gut ver¬
Telephos 14.691.
treten waren. Herr Marholm bot als Philipp eine zufrieden¬
stellende Leistung. Der Pazmandy'sche Gärtner sollte sich auf
seine Teerosen wohl ein Patent nehmen. Wie sich die Spiel¬
„OBSERVER
leitung doch nur so lächerlich machen konnte! — Sonntag den
F. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
13. März: „Rosenmontag“ eine Offizierstragödie in
Wien, I., Concordiaplatz 4.
5 Akten von Otto Erich Hartleben. Die Aufführung dieses
Vertretungen
Werkes, dem noch immer etwas von der alten Zugkraft inne¬
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christianil,
wohnt, fand vor einem sehr gut besuchten Hause statt, das den
Oenf, Kopenhagen, London, Madiid, Mailand, Minneapolls,
N#w-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockhelm, St. Peters¬
Vorgängen auf der Bühne mit lebhaftm Interesse folgte. Die
burg, Toronto.
Gertrude Reimann gab Frl. Hubicki mit guter Charakterisierung;
(Guellensagabe #b Gewih.
diese Rolle entspricht ganz ihrer persönlichen Veranlagung, die
Auf das Tragische hinneigt. Unbegreiflich und direkt lächerlich
Ausschnitt aus:
wirkte ihr sackähnlicher Anzug im dritten Akte, und konnte sich
bäder
vom: 14 3 1910
auch das Publikum trotz des Ernstes des Stückes des Lachens
Zicht enthalten. Wir hätten Frl. Hubicki doch etwas mehr
S
Geschmack zugetraut. Den Rudorff spielte Herr Marholm mit
schöner und scharfer Gliederung der Affekte. Im dritten Akte
Tages=Chronik.
allerdings hätte er etwas mehr Register geben können. Herr
Kirsch fand für den Harald richtige Töne, ebenso Herr Wonger
Karlsbad, am 14 März 1910.
für den Grobitzsch. Eine drollige Gefalt bot Herr Alpassy
(—Stadttheater= Samstag den 12. März:
als Offiziersbursche Nettelbusch. Auch die übrigen noch Mit¬
1Salome“, Drama in einem Aufzug von Oskar Wilde,
wirkenden waren nach Kräften bestrebt sich im Rahmen des
und „Komtesse Mizzi“ oder „Der Familientag“
Ensembles zu halten und bemühten sich nicht vergebens Herr
Komödie in einem Akt von Arthur Schnitzler. Neben den
Marholm erhielt nach dem dritten Akte Blumen und Kränze
Dramen, welche ihren Stoff aus Schichten
wie eine Primadonna. Diese Huldigung, für deren Grun
der Gesellschaft, Berufsstände usw. holen, bürgert sich in der
man sich im Zuschauerraum vergeblich den Kopf zerbrach, hatt¬
Neuzzit eine andeie Gattung ein, welche ihre Vorwürfe in
einen starken Beigeschmack nach etwas mit Haaren Herbeige
biblischen Geschehnissen sucht. Man denke da nur an Maeler¬
zerrtem, und dies ruft immer die entgegengesetzte Wirkung
liccks „Maria von Magdala“, an E. Bernhards „Der Briefschervor.
des Uria“ (hier noch nicht gegeben) und betrachte Oskar

Wilde's einaktiges Drama „Salome“, welches Samstag zum
ersten Mal hier zur Aufführung gelangte, welches ebenfalls.
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