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21. Konlesse Mizzj-oder der Fani#ientag
eine auch künstlerisch frische und eindringliche 25. Aufführun
erleben konnte, ist die große Glaubenstragödie „Ueber die Kraft
(erster Teil) in neuer Besetzung der Hauptrollen — Fran
Everth als Pfarrer Sang und Helene Roberts als sein
4011
Frau Klara — neu aufgenommen worden. Die neuen Darstelle
blieben hinter den Erinnerungen, die die frühere Aufführung hir
terlassen hatte, nicht zurück, und so weckte die Vorstellung wiede
das alte mächtige Interesse an dem tiefen Pathos des große
nordischen Predigers und Dichters.
= Der „hingerichtete“ Frank Wedekind. Der als Drapkatik¬
gänzlich steril gewordene Wedekind befaßt sich neuerding damit
eigene und anderer Mißerfolge den unfähigen deutschen Schau¬
spielern in die Schuhe zu schieben. In einer bei Geor# Müller eine reizvolle künstlerische Lösung dar. Da ein zuverlässiges Oüd.
(München) verlegten Broschüre „Schauspielkunst zwidmet er nismalerial nicht vorbanden ist, entschloß sich der Künstler zu
einer Art Symbolik: Auf dem vielstufigen, trefflich gegliederten
Unterbau lagert die Gestalt eines Genius. Die Aktfigur des
Jünglings, der mit der linken Hand die Leier hält, stützt sich mis
solchen „Hinrichtungen“ die folgende Epistel:
dem rechten Arm auf das Postament. Fesselnd ist der herbe Aus¬
Statt mit Aufführungen hat die heutige Dramatik weit eher
druck des mit dem Lorbeer umkränzten Hauptes, das sich nach
mit Hinrichtungen zu rechnen. Meine eigene Erfahrung ist spär¬
links gewendet in die Ferne richtet. Der Künstler hat hier aus
lich gegenüber der meiner Berufsgefährten. Mein Schauspiel
drücken wollen, wie in der Seele des Genius die eben vollendet
„So ist das Leben“ wurde in München, Berlin und Frankfurt
Dichtung nachklingt. Die Gestalt ist in anderthalbfacher Lebens¬
a. M. hingerichtet. Mein „Marquis von Keith“ wurde in Berlin
größe und in Bronze ausgeführt, dagegen der Unterbau in hellem
im Laufe von 10 Jahren zweimal gerädert. Mein „Erdgeist“
schlesischen Granit. Auf ihm hat vorn außer der Inschrift: „Den¬
wurde vor seiner Berliner Aufführung in Hamburg und Breslau
Andenken Heinrich von Kleists“ auch der Kopf des Dichters in
hingerichtet. Mein harmloser Schwank „Der Liebestrank“ wurde
Rundmedaillon seinen Platz erhalten. Der Künstler hielt sich hie
in Leipzig, Nürnberg und Breslau an den Pranger gestellt. -
Wollten die Schauspieler das Wort Aufführung bei Premieren
an das einzig authentische Porträt des Dichters, die kleine Minich
nicht dem Wesen ihres Wirkens entsprechend durch das Wort
tur, die Kleist von August Krüger im April 1801 für seine der
„Hochgericht“ ersetzen? — Das Henkeramt hat auch seine Standes¬
malige Braut Wilhelmine von Zenge malen ließ. Unter des
Nachkommen Kleists hat sich noch eine deutliche Familienähnlick
ehre, sobald es sich um wertlose Subjekte handelt.
Vor kurzem las ich ein Drama von Herbert Eulen¬
keit erhalien, und Bildhauer Elster zog, um das Werk recht ähnlie
berg: „Der natürliche Vater". Eine herrliche
zu gestalten, auch das Porträt eines jetzt lebenden Gliedes de
Schöpfung. Was Georg Büchner und Niebergall zu Beginn des
Familie von Kleist heran. Seitlich und an der Rückwand der
19. Jahrhunderts anstrebten, den behaglichen und geistig doch
Unterbaues fanden drei Reliefs mit Szenen aus Dramen de
anspruchsvollen Humor des Rheinländers, seinen Ueberschwang in
Dichters ihren Platz. Für die Rückseite wurde die Schlußszen
allen Lebensäußerungen dramatisch zu verwerten, hat Eulenberg
aus dem Prinzen von Homburg bestimmt. Unter de
in vollendeter Form geschaffen. Weder an Spannung noch an
brandenburgischen Offizieren, die der Stunde der Befreiung der
Steigerung fehlt es, weder an Buntheit der Charaktere noch an
Siegers von Fehrbelin beiwohnen, sind vorn drei Halbfiguren hei
Buntheit der Bühnenbilder, obschon jede Person die strotzend
ausgehoben: in der Mitte der Große Kurfürst, dann der brats
üppige Sprache Falstaffs spricht. Ist das unwahr, übertrieben?
Oberst Kottwitz und der Prinz selbst. Als Inschrift fandes
Nein, so reden und fühlen die Rheinländer.
die Schlußworte des Dramas Verwendung: „In Staub mit alle
Aber, so seufzte ich während der Lektüre, wer von unseren pessi¬
Feinden Bra#enburgs!“ Die Seitenflächen nahmen Szenen aus
mistischen, trockenen, verstandesmäßigen, kurzatmigen, schwung¬
dem Zerbrochenen Krug und dem Kätchen von Heilbronn auf. I#
und glutlosen Modegötzen will einer einzigen dieser Rollen ge¬
der Gerichtsszene des Lustspiels erscheint der Prachtkopf des Dor##
recht werden! Im Geiste sah ich vor mir, wie gerade die schau¬
richters Adam, dem Frau Marte Rull und ihr Evchen den zeh
spielerisch dankbarsten, die saftigsten Worte, die Eulenberg ge¬
brochenen Krug bringen, dazu der Gerichtsrat, der Schreiber un
lungen sind, den Darsteller in die jämmerlichste Verlegenheit ver¬
glückliche Nachfolger des Betrügers. Aus dem Kätchen von Hei
setzen, sah ihn schamhafter als eine Pensionsschülerin darüber
bronn wurde die Szene des vierten Aktes gewählt, wo der Gre
hinweghuschen, weil ihm von vornherein jeder Stimmungsansatz
Wetter vom Strahl des Kätchen am zerfallenen Mauerringe seine
fehlt, um solche Worte als Selbstverständlichkeiten auszusprechen.
Burg unter dem Holunderstrauch findet. Das Denkmal in seine
Mit bösen Ahnungen sah ich im Geiste schon den unvermeidlichen
schlichten Eigenart entfernt sich aufs glücklichste von den aus
E. Th. A. Hoffmann Gevatter stehen, der sich zu Eulenberg ver¬
getretenen Bahnen unserer Monumentalplastik. Es fand in de
hält, wie ein Boonekamp zu einer Flasche Liebfrauenmilch. Und
die Handlung? Je leichtfüßiger und geistvoller sie sich ent¬
wickelt, um so beklemmender und schwerfälliger sah ich sie sich auf sogenannten Park von Frankfurt seinen Platz, einem ehemalige
Friedhof, in dem noch eine Anzahl alter Grabmäler stehen,
ihrem Passionsweg über die deutsche Bühne dahinschleppen.
21. Konlesse Mizzj-oder der Fani#ientag
eine auch künstlerisch frische und eindringliche 25. Aufführun
erleben konnte, ist die große Glaubenstragödie „Ueber die Kraft
(erster Teil) in neuer Besetzung der Hauptrollen — Fran
Everth als Pfarrer Sang und Helene Roberts als sein
4011
Frau Klara — neu aufgenommen worden. Die neuen Darstelle
blieben hinter den Erinnerungen, die die frühere Aufführung hir
terlassen hatte, nicht zurück, und so weckte die Vorstellung wiede
das alte mächtige Interesse an dem tiefen Pathos des große
nordischen Predigers und Dichters.
= Der „hingerichtete“ Frank Wedekind. Der als Drapkatik¬
gänzlich steril gewordene Wedekind befaßt sich neuerding damit
eigene und anderer Mißerfolge den unfähigen deutschen Schau¬
spielern in die Schuhe zu schieben. In einer bei Geor# Müller eine reizvolle künstlerische Lösung dar. Da ein zuverlässiges Oüd.
(München) verlegten Broschüre „Schauspielkunst zwidmet er nismalerial nicht vorbanden ist, entschloß sich der Künstler zu
einer Art Symbolik: Auf dem vielstufigen, trefflich gegliederten
Unterbau lagert die Gestalt eines Genius. Die Aktfigur des
Jünglings, der mit der linken Hand die Leier hält, stützt sich mis
solchen „Hinrichtungen“ die folgende Epistel:
dem rechten Arm auf das Postament. Fesselnd ist der herbe Aus¬
Statt mit Aufführungen hat die heutige Dramatik weit eher
druck des mit dem Lorbeer umkränzten Hauptes, das sich nach
mit Hinrichtungen zu rechnen. Meine eigene Erfahrung ist spär¬
links gewendet in die Ferne richtet. Der Künstler hat hier aus
lich gegenüber der meiner Berufsgefährten. Mein Schauspiel
drücken wollen, wie in der Seele des Genius die eben vollendet
„So ist das Leben“ wurde in München, Berlin und Frankfurt
Dichtung nachklingt. Die Gestalt ist in anderthalbfacher Lebens¬
a. M. hingerichtet. Mein „Marquis von Keith“ wurde in Berlin
größe und in Bronze ausgeführt, dagegen der Unterbau in hellem
im Laufe von 10 Jahren zweimal gerädert. Mein „Erdgeist“
schlesischen Granit. Auf ihm hat vorn außer der Inschrift: „Den¬
wurde vor seiner Berliner Aufführung in Hamburg und Breslau
Andenken Heinrich von Kleists“ auch der Kopf des Dichters in
hingerichtet. Mein harmloser Schwank „Der Liebestrank“ wurde
Rundmedaillon seinen Platz erhalten. Der Künstler hielt sich hie
in Leipzig, Nürnberg und Breslau an den Pranger gestellt. -
Wollten die Schauspieler das Wort Aufführung bei Premieren
an das einzig authentische Porträt des Dichters, die kleine Minich
nicht dem Wesen ihres Wirkens entsprechend durch das Wort
tur, die Kleist von August Krüger im April 1801 für seine der
„Hochgericht“ ersetzen? — Das Henkeramt hat auch seine Standes¬
malige Braut Wilhelmine von Zenge malen ließ. Unter des
Nachkommen Kleists hat sich noch eine deutliche Familienähnlick
ehre, sobald es sich um wertlose Subjekte handelt.
Vor kurzem las ich ein Drama von Herbert Eulen¬
keit erhalien, und Bildhauer Elster zog, um das Werk recht ähnlie
berg: „Der natürliche Vater". Eine herrliche
zu gestalten, auch das Porträt eines jetzt lebenden Gliedes de
Schöpfung. Was Georg Büchner und Niebergall zu Beginn des
Familie von Kleist heran. Seitlich und an der Rückwand der
19. Jahrhunderts anstrebten, den behaglichen und geistig doch
Unterbaues fanden drei Reliefs mit Szenen aus Dramen de
anspruchsvollen Humor des Rheinländers, seinen Ueberschwang in
Dichters ihren Platz. Für die Rückseite wurde die Schlußszen
allen Lebensäußerungen dramatisch zu verwerten, hat Eulenberg
aus dem Prinzen von Homburg bestimmt. Unter de
in vollendeter Form geschaffen. Weder an Spannung noch an
brandenburgischen Offizieren, die der Stunde der Befreiung der
Steigerung fehlt es, weder an Buntheit der Charaktere noch an
Siegers von Fehrbelin beiwohnen, sind vorn drei Halbfiguren hei
Buntheit der Bühnenbilder, obschon jede Person die strotzend
ausgehoben: in der Mitte der Große Kurfürst, dann der brats
üppige Sprache Falstaffs spricht. Ist das unwahr, übertrieben?
Oberst Kottwitz und der Prinz selbst. Als Inschrift fandes
Nein, so reden und fühlen die Rheinländer.
die Schlußworte des Dramas Verwendung: „In Staub mit alle
Aber, so seufzte ich während der Lektüre, wer von unseren pessi¬
Feinden Bra#enburgs!“ Die Seitenflächen nahmen Szenen aus
mistischen, trockenen, verstandesmäßigen, kurzatmigen, schwung¬
dem Zerbrochenen Krug und dem Kätchen von Heilbronn auf. I#
und glutlosen Modegötzen will einer einzigen dieser Rollen ge¬
der Gerichtsszene des Lustspiels erscheint der Prachtkopf des Dor##
recht werden! Im Geiste sah ich vor mir, wie gerade die schau¬
richters Adam, dem Frau Marte Rull und ihr Evchen den zeh
spielerisch dankbarsten, die saftigsten Worte, die Eulenberg ge¬
brochenen Krug bringen, dazu der Gerichtsrat, der Schreiber un
lungen sind, den Darsteller in die jämmerlichste Verlegenheit ver¬
glückliche Nachfolger des Betrügers. Aus dem Kätchen von Hei
setzen, sah ihn schamhafter als eine Pensionsschülerin darüber
bronn wurde die Szene des vierten Aktes gewählt, wo der Gre
hinweghuschen, weil ihm von vornherein jeder Stimmungsansatz
Wetter vom Strahl des Kätchen am zerfallenen Mauerringe seine
fehlt, um solche Worte als Selbstverständlichkeiten auszusprechen.
Burg unter dem Holunderstrauch findet. Das Denkmal in seine
Mit bösen Ahnungen sah ich im Geiste schon den unvermeidlichen
schlichten Eigenart entfernt sich aufs glücklichste von den aus
E. Th. A. Hoffmann Gevatter stehen, der sich zu Eulenberg ver¬
getretenen Bahnen unserer Monumentalplastik. Es fand in de
hält, wie ein Boonekamp zu einer Flasche Liebfrauenmilch. Und
die Handlung? Je leichtfüßiger und geistvoller sie sich ent¬
wickelt, um so beklemmender und schwerfälliger sah ich sie sich auf sogenannten Park von Frankfurt seinen Platz, einem ehemalige
Friedhof, in dem noch eine Anzahl alter Grabmäler stehen,
ihrem Passionsweg über die deutsche Bühne dahinschleppen.