II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 161

Machewact bezütglich ihrer Mutterschaft!
sind typisch für Schnitzler geworden. „Frei¬
Aber vielleicht nehmen wir den Scherz zu
wild“ war ein wirksames Bühnenstück, aber
ernst.
nicht von dem Edelgehalt der „Liebelei“
Jedenfalls gibt es ein paar dankbare
„Das Vermächtnis“ bedeutete bereits den
Rollen. Stephanie Schaffenbeiger
Übergang zu Problemen, die mehr auf Be¬
zeigte für die überreise Komtesse gute Eig¬
rechnung als auf menschliche Allgemein¬
nung. Daß sie mit dem leichten, natürlichen
gefühle gestellt sind. Dabei wurde Schnitzler
Ton der Erfahrungen über die Spissigkeiten
mehr und mehr „Sexual=Spezialist“ (siehe
hinweghalf, sei ihr besonders gutgeschrieben.
die Dialoge „Reigen“]). Die noch so geistvoll
Spielleiter Heinrich Orell gab den „naiv“
vorgetragenen Konstruktionen der späteren
gebliebenen alten Lebemann, Franz Kamm¬
Werke können für den Mangel poctischer Ur¬
auf das fürstliche Herrenhausmitglied mit
sprünglichkeit und Frische nicht entschädigen.
gelungener Charakteristik. Auch Rosa Su¬
Im „Ruf des Lebens“ kommt es bereits
strowits war als Lolo am Platze. Da¬
Auch
zur Sensation des Abstoßenden ..
gegen spielte Karl Karner den vorwitzigen
in „Komtesse Mizzi“ vermag man, bei allem
Abiturienten zu geflissentlich; die Komik
Respekt für die Reife der Erfahrung, einen
allerdings blieb er nicht schuldig. Gut
dichterischen Fortschritt nicht zu erkennen.
pointierte Franko Ostwald als Professor.
Es wäre vielleicht auch von einem Ein¬
Alerander Leichter bot als Fiaker eine
akter zu viel verlangt. Es muß genügen,
köstliche Charge.
den scharfen Veobachter, den Kenner der
Vorher wurde die „Liebelei“ aufgeführt.
Wiener Gesellschaft, den feinen Satiriker,
Christine: Grete Sticker. Sie spielte im
„den Meister des Dialoges wiederzufinden.
Anfang ein klein wenig gezwungen, doch
Selbstverständlich fehlt es auch diesmal
vermied sie glücklich den häufigen Fehler
nicht am „süßen Mädel“
Graf Arpad
blutjunger Darstellerinnen, daß sie die
Pazmandy ist frühzeitig Witwer geworden,
Tragik des letzten Aufzuges schon im ersten
hat dann bald mit Lolo Langhuber vom
spüren lassen. Dieser Schlußakt wurde ihr
Ballett Beziehungen angeknüpft, die nun
zur vollgültigen Prove starken und reichen
durch achtzehn Jahre ungetrübt gedauert
Talentes. Eine Anfängerin, die auf das
haben. Er hat sich an Lolo gewöhnt, doch sie
Theater ganz vergessen läßt und bis zu
gibt ihm den Laufpaß. Sie will, da sie der
Tränen rührt, ist eine Seltenheit, besonbers
Bühne Valet gesagt und sich ins Privatleben
heutzutage Franz Kammauf (Theodor)
zurückgezogen hat, in „geordnete Verhält¬
strahlte Leven und Natürlichkeit von sich
nisse“ kommen und heiratet den Fiakereigen¬
aus. Weich tüchtiger Charakteristiker er ist,
tümer und Hausbesitzer Wasner. Der Graf
konnte man an diesem Abend, an dem er
nimmt es nicht leicht, seine langjährige Ge¬
zwei so verschiedene Rollen mimte, freudig
fährtin zu verlieren, er bietet ihr sogar
beobachten. Den Fritz gab Franko Ost¬
seine Hand zum ehelichen Bund, doch sie
wald. Er bewies richtige, ja tiefer
schlägt sie klugerweise aus, denn „es lät'
reichende Auffassung, aber die Durchfüh¬
doch kein gut.“ Vor ihrer Verheiratung be¬
rung ließ noch zu wünschen übrig; nament¬
sucht Lolo ihren alten Freund auf dessen
lich kann nicht verschwiegen werden, daß er
Landsitz. Das geniert den Grafen, denn er
vielfach zu leise sprach und in den entfern¬
möchte doch Lolo seiner Tochter, Komtesse
teren Rängen nicht verstanden wurde. Mit
Mizzi, nicht vorstellen. Doch diese, gleich¬
dem Weiring fand sich Eduard Köck gut
falls ein älteres Mädchen, nimmt die Maj¬
ab. Gisela Jelly gab sich mit der Schlager
tresse des Vaters liebevoll und herzlich auf.
Mizzi alle Mühe, allein ihr fehlt es an dem
So sind Vater, Tochter und die illegale
echt Wienerischen, sich gehen lassenden Tem¬
„Stiefmama“ beisammen. Aber zum „Fa¬
perament. Wie soll denn auch eine Schau¬
milientag“ fehlen noch zwei, die sind auch
spielerin heute die „Grille und morgen eine
alsbald zur Stelle: Fürst Ravenstein, typi¬
Chansonette, einmal die Athenais und
scher Herrenhäusler, und dessen siebzehn¬
jähriger natürlicher Sohn Philipp. Der] dann die Schlager Mizzi spielen! Spiel¬
leiter Orell und Marianne Austerlitz 7
Fürst hat ihn eben adoptiert. Die Mutter
müssen lobend hervorgehoben werden.
des Jünglings ist — Komtesse Mizzi. Als
k. 8. /
nach dem Tode ihrer Mutter der Vater bei
Lolo Trost gesucht hat, war sich die Kam¬
tesse meist allein überlassen. Sie verliebte
sich in den Fürsten Ravenstein und hatte
mit ihm einen Sohn, der ihr trotz alles
Sträubens nach der Geburt weggenommen
und fremden Leuten zur Erziehung über¬
geben wurde. Nun sieht sich Komtesse Mizzi
plötzlich ihrem erwachsenen Sohne gegen¬
über und seinetwillen entschließt sie sich
jetzt enblich, Fürf: Ravenstein zu akzeptie¬
ren, der schon früher, sowie er Witwer ge¬
worden war, vergebens um ihre Hand ge¬
worben hatte. Freilich hat sich Komtesse
Mizzi nicht gelangweilt, Zeichenlehrer und
andere Männer sorgten für ihren Zeitver¬
treib. So findet sich die eigenartige!
Familie“ mit einem Male zusammen.
Der Komtessen wegen (oder sollten sie nur
zum Vorwand gedient haben?) wurde
manch ein modernes Bühnenstück vom Wie¬
ner Hofburgtheater ferngehalten. Nun ist
die literarische Rache über diese sonst so
liebliche Menschenspezies hereingebrochen.
Eine Komtesse, die nicht wenigstens ein un¬
1 eheliches Kind und eine ganze Reihe Lieb¬