II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 163

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zu ihrer „Stellung“ gehört. Jetzt aber, wo sie sich ins
Privatleben zurückgezogen hat, will sie in „geordnete
Verhältnisse“ kommen. Der Graf hat sie wohl zu seiner
Gattin machen wollen, aber die kluge Lolo hat Nein ge¬
sagt. „Es hätt' kein Gut getan. Und da sie sich über
Hals und Kopf in den Fiaker=Eigentümer und Hausbe¬
sitzer Nasner verliebt hat und ihn auch heiraten will, hat
sie mit dem Grafen gebrochen.
Pazmandy hat es ihr versprochen, daß sie ihn vorher
einmal auf seinem Landsitze besuchen, den schönen Garten
und das Schloß besichtigen dürfe. Und so ist sie mit
einem Male unverhofft da. Der Graf ist bestürzt und
vor seiner Tochter Mizzi verlegen. Doch Mizzi kennt die
Geschichte und durchschaut die Situation. Sie nimmt
Lolo, die ihrem Vater so lange Zeit eine brave, treue
Gefährtin gewesen ist, herzlich und lieb auf. Da sind
nun Papa, Tochter und die illegale „Stiefmama“ bei¬
sammen. Aber noch andere Gäste sind anwesend: Fürst
Egon Ravenstein, gleichfalls ein älterer Aristokrat, streng
feudal, von weniger sympathischer Art wie Pazmandy,
und ein siebzehnjähriger Jüngling, Baron Philipp Ra¬
deiner. Dieses junge Herrchen wird aber in wenigen
Tagen gleichfalls das Ravensteinsche Adelsprädikat füh¬
ren, denn es ist der natürliche Sohn des Fürsten Egon,
der ihn jetzt nach der Matura adoptiert hat. Und seine
Mutter ist — Komtesse Mizzi, die 37jährige, die noch
hübsch und jugendlich aussieht. Gerade als der Vater
mit Lolo seine Beziehungen anknüpfte, verliebte sie sich
leidenschaftlich in Ravenstein und gab sich ihm hin. Der
Vater war mit Lolo so beschäftigt, daß er sich um sein
junges Töchterchen nicht viel kümmerte und es ihm sehr
bequem war, als es für mehrere Monate verreiste. So
blieb der Graf in völliger Unkenntnis dessen, was und
wie es sein Töchterchen trieb. Ravenstein war damals
verheiratet, er versteckte seine Geliebte und nahm ihr
trotz allen Sträubens das Knäblein acht Tage nach dessen
Geburt weg, um es fremden Leuten zu übergeben. Als
er Witwer geworden, bot er Mizzi seine Hand. Sie
schlug sie aber aus; freilich hatte sie inzwischen Trost ge¬
funden, und der Zeichenprofessor erfreut sich, trotzdem er
Familienvater ist, eben ihrer Gunst. Nun steht Mizzi
plötzlich ihrem siebzehnjährigen Sohne gegenüber. Sie
bilden Alle eine „Familie“ die sich zufällig auf dem
Schlosse eingefunden haben, — ein eigenartiger „Fami¬
lientag“. Die gute Mizzi will den ahnungslosen Vater
von dem Kummer um Lolos Verlust befreien und be¬
schließt, mit ihm nach Ostende zu reisen. Gleichzeitig fah¬
ren aber auch der Fürst und sein Sohn dorthin. Der
Dichter schließt mit dem Ausblick, daß Mizzi sich nunmehr
entschließen werde, den Fürsten zu heiraten.
Die Aufführung war recht flott und ließ nichts zu
wünschen übrig. Frl. Stephanie Schaffenberger
wußte die Komtesse Mizzi, die über die Jahre der Leiden¬
schaftlichkeit und Sentimentalitäten hinaus ist und die
Dinge nimmt, wie sie sind, treffend darzustellen. Herr
Kammauf schuf in dem Fürsten Ravenstein eine cha¬
rakteristische Gestalt, Herr Orell spielte den alten Ka¬
valier mit seiner Ueberlegenheit. Frl. Sustrowits
war fesch wie immer. Herr Karner gab den Philipp
etwas gar zu dämlich, Herr Ostwald war gut am
Platze, Herr Alexander Leichtner ein echter Wiener!
Fiaker. Das Stückchen fand viel Beifall.
Vorher wurde Schnitzlers
„Liebelei“
gegeben. Die Darstellung klappte hier nicht so, wie in
Komtesse Mizzi; ein rascheres Tempo wäre manchmal
am Platze gewesen. Vortrefflich gab Frl. Grete Stik¬
ker die Christine. Sie spielte das naive, mit ganzen
Leidenschaft liebende Mädchen, das um ihr Glück zittert,
Ihr
mit rührender Schlichtheit und Natürlichkeit.
Schmerz über den verlorenen Geliehten war tief empfun¬
den und erschütterte. Es war dies die beste Leistung, die
zu
wir von ihr sahen. Herr Kammauf ließ nichts
wünschen übrig; er war temperamentvoll, heiter, voll
Humor. Dagegen gefiel uns Herr Franko Ostwald
weniger. Er war gar zu melancholisch und sentimental;
und Fritz Lobheimer ist doch auch ein lebenslustiger, jun¬
ger Mann, wenn auch in seinen Grundsätzen nicht so
locker, wie sein Freund. Auch sprach er zu leise; es wa¬
ren oft ganze Sätze nicht vernehmbar. Auch dem Frl.
Jelly war die Mizzi nicht recht gelegen; es fehlte ihr
das leichte heitere Wiener Naturell. Schlicht und einfach
spielte Herr Köck Christinens Vater. Sonst seien noch
Herr Orell als der Rächer der Ehre und Frl. Auster¬
litz lobend hervorgehoben.
K.
—*
Telephen 12.501
„UDSERTER
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abe ehme Geneühen.
(6
Auschalt aef; song
Halinoverscher Courier
Deutsches Theater.
Literarischer Lustspiel=Abend: „Komtesse Mizzi“ oder „Der
Familientag“, Komödie in einem Akt von Arthue Schnitz
ler. — „Augeie“, Komödie in zwei Akten
Hartleben.
Hannover, 18. November.
Diese beiden Komödien, stofflich gar wesensverwandt, in
Tihrer inneren Struktur indessen, ihrer Optik des Menschen¬
tums, ihrem dialogischen Kolorit gar grundgegensätzlich,
boten, zu einem Lustspielabend verbunden, ein recht inter¬
essantes Prüfstück ernsthafterer dichterischer Eigenschaften.
Und nicht zugunsten Otto Erichs. Seine „Angele“ schlägt
die „Komtesse Mizzi“ des Oesterreichers durch den straffen,
theatralischer Wirkungen allenthalben bedachten Aufbau.
Sie hat die Pointen=Ueberdeutlichkeit des Jugendwerkes, die
Maßlosigkeit eines an seinem Zynismus sich selber noch Be¬
rauschenden. Sie ist hart in ihren Mitteln, rücksichtslos in
ihren Tendenzen, frech im Theatralischen, durchsetzt mit bei¬
nähe unüberbrückbaren Gegensätzen von Süßlich=Sentimen¬
Malem und einer Essenz, der ich den Namen „Juchhe=Anti¬
moralin“ verleihen möchte.
Nichts von alledem im
Schnitzlerschen Einakter. Das iypische Werkchen eines Reifen,
eines sicheren Könners, der alle billigen Wirkungen meidet,
allen lauten, aufreizenden Pointierungen abhold ist. Eine
Dichtung, fast zu zart und still, wohl auch zu breit für das
Theater; voll leiser Neben= und Untermelodien, ganz auf den
sanften Ton milder Ironien eingestellt. Man hat geglaubt,
nach einer bestimmten Tendenz in ihr suchen zu müssen.
Sie ist tendenzlos. Sie ist, im eigentlichsten Sinne un¬
dramatisch. Ein Genrebildchen; ein Lebensausschnitt; ganz
Behaglichkeit, ganz Lächeln, ganz Verstehen.
Auch Hartleben schuf Aehnliches, Künstlerischeres, Zarteres.
Man denke an seine „Sittliche Forderung“, halte sie in ihrer
weisen Oekonomie, hrer vorsichtigen Sprache an diese derbere
„Angele". Man wird verstehen, was uns bei diesem Zweiakter
trotz seinem schlagkräftigen Humor, seinem durchgefeilten, alle Wir¬
kungen des Themas erschöpfenden Dialog befremdlich anmutet.
Zwei Seelen kämpften ja in Otto Erichs Brust: die sentimen¬
tale, die so gern gläubig, anbetend sein möchte; die zynische,
die stets verneint, stets das Gefühl durch einen guten Witz
ertöten möchte. Das aussöhnende Wechselspiel der beiden feind¬
lichen Schwestern macht den Reiz der Hartlebenschen Novellen
und Komödien aus. Denn schließlich siegt der Glaube an das
Schöne (nur nicht in der hergebrachten Form) ja doch. Hier,
in „Angele“, überwuchert der Zyuismus. Ein freier, frecher,
in seiner Frechheit stellenweise befreiender Zynismus. Indes
der Ausgleich fehlt. Die Verneiner, die Baalanbeter des
Animalischen im Werke überwiegen. Der arme Kandidat mit
seinem Kinderherzen kommt nicht dagegen auf. Gewiß:
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