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Konesse 1zz1oder deranienag
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Hähmene
J.0 NOV 1910
ihren letzten Liebhabe,seinen Maler, abgedankt hat:
„Grüß Deine Frau nad die Kinder.“ Eine Reihe
Theater und Musik.
Bonmots hilft über das morsche Gerüst dieser Hand¬
Deutsches Theater.
lung hinweg, die nur in Finale ist, von verlotterten
Musikanten geblasen.
Literarischer Lustspielabend: „Komtesse Mizzi“
„Angel
t eine Berliner Dirne, die Carl
loder „Der Familientag"), Komödie in einem Akt von
Brandes, ein alter Rentier seinem Sohne Viktor
Ahu
; „Angele“, Komödic in
g
wegschnappt. Da der Jüngling bei diesem Handel
ich Hartleben.
rabiat wird, läßt sich der Alte dazu hinreißen, ihm
Zuerst genannte und zuerst gespielte Stück ist
zu sagen, daß er einem Ehebruch seiner so sehr von
ganz entschieden das weitaus wertvollere von den
ihm verehrter Mutter das Leben verdanke. Eine
„besden. Dennoch ist es kein Fehler, daß es voran¬
ganz unnütze Roheit. Denn die Rechtfertigung seiner
gestellt wurde, denn es ist zugleich auch das feinere
Brutalität durch den Hinweis auf diesen von der ge¬
und graziösere, obgleich es nicht weniger deutlich als
liebten Frau einst gegen ihn verübten Betrug kann
die Hartlebensche Komodie das Signum trägt: „von
man nicht ernst nehmen. Brandes sen. verlebt drei
Dekadenten für Dekedenten“. Beide Stoffe spielen
sehr vergnügte Wochen mit der weitherzigen Angele,
in einem Milien moralischer Korruption. Beide
die indessen auch ruhig mit Brandes jun, weiter ver¬
tragen die Möglichkeit sowohl einer tragischen, als
kehrt und sich gleichzeitig in der Person eines super¬
einer humoristisch=satirischen Behandlung in sich. Bei
naiven Predigtamtskandidaten einen reellen Bräuti¬
beiden drängt sich die Erwägung auf, was unter den
gam zulegt. Die Aufdeckung dieser dreifachen Be¬
Handen von Dichtern und von dramatischen
tätigung ihrer Schläue vernichtet die Hoffnung des
Plauderern daraus hätte werden können. Dich¬
verliebten Brandes sen., in der reizenden Dirne eine
ter würden erschütternde und erschreckende Sitten¬
neue Gattin gewinnen zu können. Er jagt sie auf die
bilder geformt, Planderer witzige Schwänke daraus
Straße. Aber der supernaive Predigtamtskandidat
gemacht haben. Weder Schnitzler noch Hartleben
eilt ihr nach, um sie zu retten. Das ist Humor aus
aber standen hinreichend frei und stark über ihren
dem Kabarett „Punschterrine". Weder dort noch hier
Stoffen daß sie ihnen ein sicheres Gepräge in der
vermag ich die Indizien der Komödie zu entdecken.
einen oder anderen Art hätten geben können. Der
Schnitzler ist amüsanter als Hartleben, weil die
eine ist wie der andere — in künstlerischer Hinsicht
Fabel seiner Geschichte weniger „klotzig ist und weil
ein Produkt der Gesellschaftskreise, die er zu
er in Ansehung des versöhnlichen Schlusses einen
schildern unternimmt, ein Dekadenter unter Deka¬
spielerischen Ton festhalten durfte. Dazu kommt,
(denten, hat Gefallen an dem, was er verurteilen
daß die Personen seines dramatischen Scherzes
möchte, und richtet über Dinge, die seinem Geschmack
eigentlich durchwegs ganz sympathische Menschen mit
nicht fremd sind. Das gibt einen brüchigen Stil, in
dem berühmten „Weaner Gemüat“ sind, die nur von
dem die Leichtfertigkeiten nicht witzig genug sind und
den Ereignissen geschoben werden, während die
die strengen Mienen sich als Maske verraten. Diese
Hauptakteure in „Angele“ schamlose Schurken und
Mischprodukte unter den Titel „Komödie“ zu rubri¬
sehr aktiv sind.
zieren, ist ein Verlegenheitstrick, der durch den haufi¬
Auch in der Darstellung kam Schnitzler besser weg
gen Gebrauch nicht an Berechtigung gewinnt. Das
Wesen der Komödie erschöpft sich in den Worten: vom
als Hartleben, obgleich auch „Komtesse Mizzi“ nicht
ganz auf das Tempo eingespielt war, das dem Autor
Erhabenen zum Lächerlichen ist nur ein Schritt. Die
vorgeschwebt hat. Selbst Fräulein Leithner gab
Komödie hat aufzuzeigen, wie Tragik und Komik,
sich um eine kleine Nuance zu schwerblütig, so fein
Schulter an Schulter, die Lebensbahn entlang laufen,
ihr Spiel auch im allgemeinen war. Noch mehr gilt
oft so dicht aneinander geschmiegt, daß sie kaum noch
das von Max Ruhbeck als Graf, von Vollmer
zu unterscheiden sind. Die Komödie ist die kompli¬
als Fürst. Am echtesten erschien die Lolo von
zierteste Form dramatischer Gestaltung. Wie kommt
Marga Malten. Claus Donath spielte den
es, daß man ihren Namen gerade so oft mi߬
Philipp recht munter und mit der vorgeschriebenen
braucht? Sehen wir, ob Schnitzler und Hartleben
Affigkeit, die aber durch geziert eckige Haltung noch¬
Komödien geschrieben haben.
mehr betont werden muß.
„Komte
ist eine angejahrte
Mizzi“
Grafentochter, die vor achtzehn Jahren von einem
In „Angele“ waren es nur Mia Hellmuthi
Freund ihres Vaters, dem Fursten Ravenstein, ver¬
und Paul Müller, die sich ganz im Rahmen ihrer
führt worden ist. Das Kind dieser kurzen Liebe ist
Aufgabe bewegten. Die Darstellerin der Angele ver¬
in Unkenntnis seiner Abstammung zu einem schnod¬
blüffte geradezu durch die Sicherheit, womit sie das
derigen Bengel herangewachsen. Komtesse Mizzi hat
Dirnentum charakterisierte. Famos war besonders
den Jungen nie wieder sehen wollen, seitdem ihn der
die Szene im zweiten Akt herausgearbeitet, da der
Fürst, zur Verhütung eines Skandals, ihr genommen.
alte Narr ihr zu Füßen liegt. Den Brandes sen. faßt
Während der alte Graf eine endlose Liaison mit der
Herr Eivenack viel zu schwer auf. Das ist ein
Sängerin Lolo unterhalten hat, war das Fräulein
Kerl, der wohl einmal für einen Moment aufbrausen
Mutter in wechselnden Amouren eifrig tätig. Nun
kann, dann aber, von dem ungewohnten Gefühls¬
kommt der längst verwitwete Fürst zum xtenmal und
ausdruck selbst erschreckt, sofort wieder in den leicht¬
bittet sie, seine Frau zu werden. „Unser Kind“ hat
sinnigen Ton des Lebemannes zurückfällt. Vor allem
er mitgebracht. Auch Lolo findet sich ein, um Ab¬
ist festzuhalten, daß dieser alternde Roné sowohl dem
schied von dem Grafen zu nehmen, da die bekannte
Sohn als auch später der Dirne gegenüber mit dem
Sehnsucht nach der Ehrbarkeit sie gepackt hat und zur
großen Schmerz seines Lebens nur kokettiert, um
Verheiratung mit dem Fiaker Wasmer drängt. Mizzi
sich scheinbar ins Recht zu setzen, wo er sich im Unrecht
kanzelt den Fürsten ab, unterhält sich reizend mit
fühlt. Auch der junge Brandes des Herrn Voll¬
der pensionierten Maitresse ihres Vaters, amüsiert sich
mer muß leichter, angefaulter gespielt werden.
über den Lausbuben Philipy, ihren Sohn. Der Graf
Vater und Sohn, die moralisch so tief gesunken sind,
wünscht sich in Ostende von dem Schmerz um Lolo zu
daß sie nicht einmal mehr seruelle Geheimnisse vor
erholen; und da Ravenstein mit dem Bengel auch da
einander haben, sind keiner echten Empfindung mehr
sein wird, fährt Mizzi mit, nachdem sie zuvor nochl fähig.
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—
Herr Direktor Altmänn, der die beiden Werkchen
in Szene gesetzt hatte, hat durch eine wunderhübsche
1 Gartendekoration, wie sie wohl in solcher Schönheit
hier noch nie gesehen worden ist, dem Publikum eine
besondere Ueberraschung bereitet. Die Kasse des
Deutschen Theaters ist dem Polizeipräsidium zu be¬
sonderem Dank verpflichtet, das durch, die nur
bes
dingte Freigabe der beiden Knnsperigkeiten##
Publikum in hellen Scharen herbeigelockt hatte.
Konesse 1zz1oder deranienag
OB8
Ne 8
Hähmene
J.0 NOV 1910
ihren letzten Liebhabe,seinen Maler, abgedankt hat:
„Grüß Deine Frau nad die Kinder.“ Eine Reihe
Theater und Musik.
Bonmots hilft über das morsche Gerüst dieser Hand¬
Deutsches Theater.
lung hinweg, die nur in Finale ist, von verlotterten
Musikanten geblasen.
Literarischer Lustspielabend: „Komtesse Mizzi“
„Angel
t eine Berliner Dirne, die Carl
loder „Der Familientag"), Komödie in einem Akt von
Brandes, ein alter Rentier seinem Sohne Viktor
Ahu
; „Angele“, Komödic in
g
wegschnappt. Da der Jüngling bei diesem Handel
ich Hartleben.
rabiat wird, läßt sich der Alte dazu hinreißen, ihm
Zuerst genannte und zuerst gespielte Stück ist
zu sagen, daß er einem Ehebruch seiner so sehr von
ganz entschieden das weitaus wertvollere von den
ihm verehrter Mutter das Leben verdanke. Eine
„besden. Dennoch ist es kein Fehler, daß es voran¬
ganz unnütze Roheit. Denn die Rechtfertigung seiner
gestellt wurde, denn es ist zugleich auch das feinere
Brutalität durch den Hinweis auf diesen von der ge¬
und graziösere, obgleich es nicht weniger deutlich als
liebten Frau einst gegen ihn verübten Betrug kann
die Hartlebensche Komodie das Signum trägt: „von
man nicht ernst nehmen. Brandes sen. verlebt drei
Dekadenten für Dekedenten“. Beide Stoffe spielen
sehr vergnügte Wochen mit der weitherzigen Angele,
in einem Milien moralischer Korruption. Beide
die indessen auch ruhig mit Brandes jun, weiter ver¬
tragen die Möglichkeit sowohl einer tragischen, als
kehrt und sich gleichzeitig in der Person eines super¬
einer humoristisch=satirischen Behandlung in sich. Bei
naiven Predigtamtskandidaten einen reellen Bräuti¬
beiden drängt sich die Erwägung auf, was unter den
gam zulegt. Die Aufdeckung dieser dreifachen Be¬
Handen von Dichtern und von dramatischen
tätigung ihrer Schläue vernichtet die Hoffnung des
Plauderern daraus hätte werden können. Dich¬
verliebten Brandes sen., in der reizenden Dirne eine
ter würden erschütternde und erschreckende Sitten¬
neue Gattin gewinnen zu können. Er jagt sie auf die
bilder geformt, Planderer witzige Schwänke daraus
Straße. Aber der supernaive Predigtamtskandidat
gemacht haben. Weder Schnitzler noch Hartleben
eilt ihr nach, um sie zu retten. Das ist Humor aus
aber standen hinreichend frei und stark über ihren
dem Kabarett „Punschterrine". Weder dort noch hier
Stoffen daß sie ihnen ein sicheres Gepräge in der
vermag ich die Indizien der Komödie zu entdecken.
einen oder anderen Art hätten geben können. Der
Schnitzler ist amüsanter als Hartleben, weil die
eine ist wie der andere — in künstlerischer Hinsicht
Fabel seiner Geschichte weniger „klotzig ist und weil
ein Produkt der Gesellschaftskreise, die er zu
er in Ansehung des versöhnlichen Schlusses einen
schildern unternimmt, ein Dekadenter unter Deka¬
spielerischen Ton festhalten durfte. Dazu kommt,
(denten, hat Gefallen an dem, was er verurteilen
daß die Personen seines dramatischen Scherzes
möchte, und richtet über Dinge, die seinem Geschmack
eigentlich durchwegs ganz sympathische Menschen mit
nicht fremd sind. Das gibt einen brüchigen Stil, in
dem berühmten „Weaner Gemüat“ sind, die nur von
dem die Leichtfertigkeiten nicht witzig genug sind und
den Ereignissen geschoben werden, während die
die strengen Mienen sich als Maske verraten. Diese
Hauptakteure in „Angele“ schamlose Schurken und
Mischprodukte unter den Titel „Komödie“ zu rubri¬
sehr aktiv sind.
zieren, ist ein Verlegenheitstrick, der durch den haufi¬
Auch in der Darstellung kam Schnitzler besser weg
gen Gebrauch nicht an Berechtigung gewinnt. Das
Wesen der Komödie erschöpft sich in den Worten: vom
als Hartleben, obgleich auch „Komtesse Mizzi“ nicht
ganz auf das Tempo eingespielt war, das dem Autor
Erhabenen zum Lächerlichen ist nur ein Schritt. Die
vorgeschwebt hat. Selbst Fräulein Leithner gab
Komödie hat aufzuzeigen, wie Tragik und Komik,
sich um eine kleine Nuance zu schwerblütig, so fein
Schulter an Schulter, die Lebensbahn entlang laufen,
ihr Spiel auch im allgemeinen war. Noch mehr gilt
oft so dicht aneinander geschmiegt, daß sie kaum noch
das von Max Ruhbeck als Graf, von Vollmer
zu unterscheiden sind. Die Komödie ist die kompli¬
als Fürst. Am echtesten erschien die Lolo von
zierteste Form dramatischer Gestaltung. Wie kommt
Marga Malten. Claus Donath spielte den
es, daß man ihren Namen gerade so oft mi߬
Philipp recht munter und mit der vorgeschriebenen
braucht? Sehen wir, ob Schnitzler und Hartleben
Affigkeit, die aber durch geziert eckige Haltung noch¬
Komödien geschrieben haben.
mehr betont werden muß.
„Komte
ist eine angejahrte
Mizzi“
Grafentochter, die vor achtzehn Jahren von einem
In „Angele“ waren es nur Mia Hellmuthi
Freund ihres Vaters, dem Fursten Ravenstein, ver¬
und Paul Müller, die sich ganz im Rahmen ihrer
führt worden ist. Das Kind dieser kurzen Liebe ist
Aufgabe bewegten. Die Darstellerin der Angele ver¬
in Unkenntnis seiner Abstammung zu einem schnod¬
blüffte geradezu durch die Sicherheit, womit sie das
derigen Bengel herangewachsen. Komtesse Mizzi hat
Dirnentum charakterisierte. Famos war besonders
den Jungen nie wieder sehen wollen, seitdem ihn der
die Szene im zweiten Akt herausgearbeitet, da der
Fürst, zur Verhütung eines Skandals, ihr genommen.
alte Narr ihr zu Füßen liegt. Den Brandes sen. faßt
Während der alte Graf eine endlose Liaison mit der
Herr Eivenack viel zu schwer auf. Das ist ein
Sängerin Lolo unterhalten hat, war das Fräulein
Kerl, der wohl einmal für einen Moment aufbrausen
Mutter in wechselnden Amouren eifrig tätig. Nun
kann, dann aber, von dem ungewohnten Gefühls¬
kommt der längst verwitwete Fürst zum xtenmal und
ausdruck selbst erschreckt, sofort wieder in den leicht¬
bittet sie, seine Frau zu werden. „Unser Kind“ hat
sinnigen Ton des Lebemannes zurückfällt. Vor allem
er mitgebracht. Auch Lolo findet sich ein, um Ab¬
ist festzuhalten, daß dieser alternde Roné sowohl dem
schied von dem Grafen zu nehmen, da die bekannte
Sohn als auch später der Dirne gegenüber mit dem
Sehnsucht nach der Ehrbarkeit sie gepackt hat und zur
großen Schmerz seines Lebens nur kokettiert, um
Verheiratung mit dem Fiaker Wasmer drängt. Mizzi
sich scheinbar ins Recht zu setzen, wo er sich im Unrecht
kanzelt den Fürsten ab, unterhält sich reizend mit
fühlt. Auch der junge Brandes des Herrn Voll¬
der pensionierten Maitresse ihres Vaters, amüsiert sich
mer muß leichter, angefaulter gespielt werden.
über den Lausbuben Philipy, ihren Sohn. Der Graf
Vater und Sohn, die moralisch so tief gesunken sind,
wünscht sich in Ostende von dem Schmerz um Lolo zu
daß sie nicht einmal mehr seruelle Geheimnisse vor
erholen; und da Ravenstein mit dem Bengel auch da
einander haben, sind keiner echten Empfindung mehr
sein wird, fährt Mizzi mit, nachdem sie zuvor nochl fähig.
X 26
—
Herr Direktor Altmänn, der die beiden Werkchen
in Szene gesetzt hatte, hat durch eine wunderhübsche
1 Gartendekoration, wie sie wohl in solcher Schönheit
hier noch nie gesehen worden ist, dem Publikum eine
besondere Ueberraschung bereitet. Die Kasse des
Deutschen Theaters ist dem Polizeipräsidium zu be¬
sonderem Dank verpflichtet, das durch, die nur
bes
dingte Freigabe der beiden Knnsperigkeiten##
Publikum in hellen Scharen herbeigelockt hatte.