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21. Kontesse nizz1 oder der Fanilientag
Erde“ Schönherrs „Komödie des Leoeno,
nahm man wie die zufällige Begegnung mit einem
Bekannten auf. Die Premieren=Gesellschaft hatte das
Stück schon im Hebbeltheater kennen gelernt. Die
kraftvolle Schilderung des tiroler Bauerniums,
wie es tief in der heimischen Erde wurzelt,
dieses urwüchsigen
Bauernschlags
mit aller
seiner Liebe zur Scholle, mit seiner derben Un¬
befangenheit, wirkte wieder, aber doch nicht
mehr mit der Kraft und Wucht der ersten Begegnung.
Auseu
Emanuel Reicher, der eben erst ganz magyarischer
Aristokrat war, erschien uns hier als die kraft¬
strotzende Bauernnatur, als der überlegen=selbst¬
bewußte Despot auf seinem Bauernhof. Wie er
Berüner Börsen-Courie
den Sieg davonträgt über den Tod, der ihn
schon beim Kragen hatte und seinen Sarg zer¬
schlägt,
das war von einer imponierenden,
humorüberglänzten Kraft. Else Lehmann war in
31 1. 1912
der vordem von Rosa Bertens packend dargestellten
Rolle der Mena die echte, kraftstrotzende Bauernmagd
nur machte ihr der fremdartige Dialekt viel
Beschwer. Der Hannes mit seiner dumpfen Sehn¬
Vor den Kulissen.
sucht nach dem Kind, nach dem Bodenerbe war in Kurt
Stielers Darstellung überzeugend
geschildert.
Das Lessing=Theater brachte uns gestern einen
Eine köstliche Episode bot Ziener als ge¬
Tösterreichischen Abend. Zwei sehr verschieden geartete
fräßiger Roßknecht. Frl. Sussin, Carl Forest,
„Wiener Autoren haben mit zwei sehr verschieden ge¬
Fr. Albrecht als in Erscheinung und Ton
arteten Stücken eine bundesbrüderliche Aufnahme ge¬
unheimlich charakteristisches Totenweibele setzten sich
sunden. Die Neuheit des Abends war Arthur
für das Werk ein. Die eine oder andere kleinere
Sch###r, Komtesse Mizzi öder der
Rolle hatte früher stärkere Wirkung, die Aufführung,
Familientag“, wie der satirische Untertitel lautet.
von Emil Lessings Regie sonst in treues Leben über¬
Auch diese einaktige Komödie hat bereits anderwärts
tragen, war zeitweise zu schleppend, der Dialekt führte
ihre Feuerprobe bestanden, hat ihren Erfolg schon
zu Verwirrung, das alles beeinträchtigte den Erfolg
mehrfach erneuert, nur in Berlin erschien sie zum
empfindlich, es regte sich sogar Widerspruch. Immer¬
ersten Male. Ein wunderliches Gespann: „Komtesse
Mizzi" und „Erde“! Und doch gehören die beiden hin wird wohl auch dieses ältere Werk Schönherrs
an der Siegesstätte von „Glaube und Heimat“ einige
Stücke zusammen. Die Moral des hohen austro¬
Zeit Glauben und Heimat fiuden.
J. 2.#
ungarischen Adels und die des tiroler Bauernbundes
sind da einander gegenübergestellt, beide in ihrer Ab¬
daß
weichung von der Konvention. Nur
auf der einen Seite die Ueberkultur die Konvention
längst übersprungen hat, während auf der anderen
die derbe Naturursprünglichkeit von Konventionen noch
gar nichts weiß.
Man kennt von den Wiener Berichten her die vor¬
nehme Gesellschaft, die bei Komtesse Mizzi sich zu
sammenfindet. Graf Arpad Pazmandy ist ganz un¬
glücklich darüber, daß die Balletdame, mit der er ein#
achtzehn Jahre in den intimsten Beziehungen lebté
ihn verabschiedet um sich zu verheiraten. Fürst
Ravenstein, dem er sein Mißgeschick klagt; war
gekommen, um seinen natürlichen Sohn, den er
jetzt adoptiert, beim Grafen einzuführen. Im
nächsten Augenblick erfahren wir überrascht, daß
die Tochter des Grafen, Komtesse Mizzi, die Mutter
dieses achtzehnjährigen Sohnes ist. Vom Vater wie
vom Sohn will sie jetzt nichts mehr wissen, nachdem
man ihr einst das Kind vom Herzen gerissen, da¬
mals als sie bereit gewesen wäre, allen Vor¬
urteilen zu trotzen und mit dem Manne zu
fliehen den sie ehedem geliebt und nun verachtet.
Das Liebespaar a. D. sagt sich derb die
Wahrheit. Sie weiß von seinen Liebesaffären, er von
Das Zusammentreffen dieser lieben
den ihren.
Familie mit der bisherigen und nunmehr in den gut¬
bürgerlichen Ehestand einbiegenden Geliebten des
Grafen, mit dem frischanerkannten jungen Sohn des
fürstlich = gräflichen Liebespaares, mit dem Fiaker
und
Ballettdame
Wasner endlich, den die
gräfliche Geliebte jetzt liebt und heiratetführt zur überaus
Die
hellen Beleuchtung der Wiener Gesellschaft.
Satire ist scharf, doch nicht verletzend, die Pikanterie
stark, doch ohne den Geschmack zu stören, die Pointen
witzig und treffend. Spitzer und wirksamer freilich im
Zug der Szenen und des Dialogs als im Schluß,
der kein stärker aufgebautes Finale bildet.
Man hatte ein heiteres Behagen an der klar
umrissenen Gesellschaftsgruppe, an ihrer geschickten
Charakterisierung, an dem feinzugespitzten Dialog, an
diesem ganzen Werk, das so deutlich die Schnitzlerschen!
Züge aufweist. Aber auch an der Darstellung!
Emanuel Reicher charakterisierte den inner¬
gutmütigen,
lich
leichtgerührten
ungarischen
Grafen
in
Dialekt,
in Ton und Wesen
gleich wirklichkeitstreu. Herr Monnard, der schon
in den Anatol=Einaktern durch die treffende Schilde¬
rung des weichlichen Wiener Lebemannes überrascht
M
21. Kontesse nizz1 oder der Fanilientag
Erde“ Schönherrs „Komödie des Leoeno,
nahm man wie die zufällige Begegnung mit einem
Bekannten auf. Die Premieren=Gesellschaft hatte das
Stück schon im Hebbeltheater kennen gelernt. Die
kraftvolle Schilderung des tiroler Bauerniums,
wie es tief in der heimischen Erde wurzelt,
dieses urwüchsigen
Bauernschlags
mit aller
seiner Liebe zur Scholle, mit seiner derben Un¬
befangenheit, wirkte wieder, aber doch nicht
mehr mit der Kraft und Wucht der ersten Begegnung.
Auseu
Emanuel Reicher, der eben erst ganz magyarischer
Aristokrat war, erschien uns hier als die kraft¬
strotzende Bauernnatur, als der überlegen=selbst¬
bewußte Despot auf seinem Bauernhof. Wie er
Berüner Börsen-Courie
den Sieg davonträgt über den Tod, der ihn
schon beim Kragen hatte und seinen Sarg zer¬
schlägt,
das war von einer imponierenden,
humorüberglänzten Kraft. Else Lehmann war in
31 1. 1912
der vordem von Rosa Bertens packend dargestellten
Rolle der Mena die echte, kraftstrotzende Bauernmagd
nur machte ihr der fremdartige Dialekt viel
Beschwer. Der Hannes mit seiner dumpfen Sehn¬
Vor den Kulissen.
sucht nach dem Kind, nach dem Bodenerbe war in Kurt
Stielers Darstellung überzeugend
geschildert.
Das Lessing=Theater brachte uns gestern einen
Eine köstliche Episode bot Ziener als ge¬
Tösterreichischen Abend. Zwei sehr verschieden geartete
fräßiger Roßknecht. Frl. Sussin, Carl Forest,
„Wiener Autoren haben mit zwei sehr verschieden ge¬
Fr. Albrecht als in Erscheinung und Ton
arteten Stücken eine bundesbrüderliche Aufnahme ge¬
unheimlich charakteristisches Totenweibele setzten sich
sunden. Die Neuheit des Abends war Arthur
für das Werk ein. Die eine oder andere kleinere
Sch###r, Komtesse Mizzi öder der
Rolle hatte früher stärkere Wirkung, die Aufführung,
Familientag“, wie der satirische Untertitel lautet.
von Emil Lessings Regie sonst in treues Leben über¬
Auch diese einaktige Komödie hat bereits anderwärts
tragen, war zeitweise zu schleppend, der Dialekt führte
ihre Feuerprobe bestanden, hat ihren Erfolg schon
zu Verwirrung, das alles beeinträchtigte den Erfolg
mehrfach erneuert, nur in Berlin erschien sie zum
empfindlich, es regte sich sogar Widerspruch. Immer¬
ersten Male. Ein wunderliches Gespann: „Komtesse
Mizzi" und „Erde“! Und doch gehören die beiden hin wird wohl auch dieses ältere Werk Schönherrs
an der Siegesstätte von „Glaube und Heimat“ einige
Stücke zusammen. Die Moral des hohen austro¬
Zeit Glauben und Heimat fiuden.
J. 2.#
ungarischen Adels und die des tiroler Bauernbundes
sind da einander gegenübergestellt, beide in ihrer Ab¬
daß
weichung von der Konvention. Nur
auf der einen Seite die Ueberkultur die Konvention
längst übersprungen hat, während auf der anderen
die derbe Naturursprünglichkeit von Konventionen noch
gar nichts weiß.
Man kennt von den Wiener Berichten her die vor¬
nehme Gesellschaft, die bei Komtesse Mizzi sich zu
sammenfindet. Graf Arpad Pazmandy ist ganz un¬
glücklich darüber, daß die Balletdame, mit der er ein#
achtzehn Jahre in den intimsten Beziehungen lebté
ihn verabschiedet um sich zu verheiraten. Fürst
Ravenstein, dem er sein Mißgeschick klagt; war
gekommen, um seinen natürlichen Sohn, den er
jetzt adoptiert, beim Grafen einzuführen. Im
nächsten Augenblick erfahren wir überrascht, daß
die Tochter des Grafen, Komtesse Mizzi, die Mutter
dieses achtzehnjährigen Sohnes ist. Vom Vater wie
vom Sohn will sie jetzt nichts mehr wissen, nachdem
man ihr einst das Kind vom Herzen gerissen, da¬
mals als sie bereit gewesen wäre, allen Vor¬
urteilen zu trotzen und mit dem Manne zu
fliehen den sie ehedem geliebt und nun verachtet.
Das Liebespaar a. D. sagt sich derb die
Wahrheit. Sie weiß von seinen Liebesaffären, er von
Das Zusammentreffen dieser lieben
den ihren.
Familie mit der bisherigen und nunmehr in den gut¬
bürgerlichen Ehestand einbiegenden Geliebten des
Grafen, mit dem frischanerkannten jungen Sohn des
fürstlich = gräflichen Liebespaares, mit dem Fiaker
und
Ballettdame
Wasner endlich, den die
gräfliche Geliebte jetzt liebt und heiratetführt zur überaus
Die
hellen Beleuchtung der Wiener Gesellschaft.
Satire ist scharf, doch nicht verletzend, die Pikanterie
stark, doch ohne den Geschmack zu stören, die Pointen
witzig und treffend. Spitzer und wirksamer freilich im
Zug der Szenen und des Dialogs als im Schluß,
der kein stärker aufgebautes Finale bildet.
Man hatte ein heiteres Behagen an der klar
umrissenen Gesellschaftsgruppe, an ihrer geschickten
Charakterisierung, an dem feinzugespitzten Dialog, an
diesem ganzen Werk, das so deutlich die Schnitzlerschen!
Züge aufweist. Aber auch an der Darstellung!
Emanuel Reicher charakterisierte den inner¬
gutmütigen,
lich
leichtgerührten
ungarischen
Grafen
in
Dialekt,
in Ton und Wesen
gleich wirklichkeitstreu. Herr Monnard, der schon
in den Anatol=Einaktern durch die treffende Schilde¬
rung des weichlichen Wiener Lebemannes überrascht