II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 200

21.
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Kontesse Mizz1oder-der Fami Tientag
Fränkischer Ceurier, Nürnberg
•I 2. 1912
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Schnitzler u. Schönherr im Lessing¬
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Theater.
Ausschaitt mus
Bor Dr. Albert Keller.
Berlin“31. Jan. Ein eigenartiges Ge¬
spann#öggernüber die Bühne des Lessing¬
Frankfurter Oder-Zeftus,
theaters. Eiß feuriger, zierlich gebauter Ungar
war mit einem schwerfälligen, strotzenden Tiroler
Mühlengaul zusammen gekoppelt. Elegant, in
verhaltener Kraft, tänzelte der Ungar vorüber und
W 2. 1912
fand das unbestrittene Wohlgefallen der Zu¬
schauer; schwer und schnaubend lag der Tiroler
in den Stricken, er zeigte die großen, kräftigen
/Theater=Wandlungen in Berlin.
Muskeln — aber er wirkte etwas brutal.
Schnitzlers „Komtesse Mizzi oder:
Schönherr und Schnitzler. — Gerhart Hauptmanns theatralische

Mission. — Vollmers Nachfolger. — Das Komödienhaus.
[Der Familientag“ ist ein Einakter von¬
Die weibliche Oper.
pikanter Liebenswürdigkeit und großer künstleri¬
Aus Dankbarkeit für den starken und schon ins zweite
scher Konzentration. Achtzehn Lebensjahre von
Jahr hineinreichenden Erfolg, den das Lessing=Theater mit
fünf Personen sind in ihm zusammengefaßt, und
Schönherrs Dichtung „Glaube und Heimat“ erzielte, griff Brahm
er schließt mit einem verheißungsvollen Ausblick
auf ein älteres Werk des Oesterreichers zurück. Die Komödie
des Lebens „Erde“ enthält eine Reihe von Bildern, die außer¬
in die Zukunft. Der Fürst Egon von Ravenstein
ordentlich stark wirken. Der ewig lebende Bauer, dem bis ins
stellt seinem Freund, den Grafen Pazmaudy,
späteste Greisenalter hinein nichts etwas anhaben kann, um
seinen achtzehnjährigen illegitimen Sohn vor, den
den herum alles an Leben verdorrt, während er selbst aus der
er in den nächsten Tagen adoptieren werde. Der
Erde immer neue Kräfte zu saugen weiß, trägt Elemente
tragischer Komik und komischer Tragik in sich. In den
Sohn hat bis jetzt im Verborgenen geblüht und
sten Lebensbeziehungen berühren sich ja oft beide
eben das Maturum bestanden. Seine Mutter sei
Als schon der in einem unglückseligen Prätendenten
„„ M. 0
schlafste Bauernsohn und dessen Geliebte, die mit G
auf den Tod des durch einen Pferdetritt verletzten Al
hoffen, ein sicheres Glück durch den Tod des Greises
sehen, erhebt sich dieser zu neuem Leben und zerschlägt
Sarg, den er sich in einem Moment der Schwäche hat bauen
lassen. Unmittelbar auf Schönherrs Werk folgte im Lessing¬
Theater ein kurzes Lustspiel Schnitzlers „Komteß Mizzi
das in echten Schnitzler'schen##mmert. Diese Kom
teß mit ihren 37 Jahren, deren äußerer Untadelhaftigkeit durch
ha
einen inneren Skeptizismus die Wage gehalten wird,
Telephon 12.801.
Leben reich genossen. Aus einer Liaison mit einem
der unglücklicherweise gerade verheiratet war, als si
liebelte, ist ein nun achtzehnjähriger Sohn entsprof
weigerte sich den Fürsten zu heiraten, als dessen
„SDSENER

storben war. Dieser hängt ihr immer noch in Treu
hat
verwendet den jungen Sohn, nachdem er ihn ado
I. öeterr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
echen.
als letztes Mittel, den Starrsinn der Komtesse zu
Ausschnitte und Bibliographie.
Die Konversation zwischen der Komtesse, dem Fürsten und dem
Achtzebnjährigen gehört mit zu dem Geistreichsten und Feinsten,
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
was Schnitzler je eingefallen ist. Frau Triesch, Monnard und ein
Vertretungen
junger Künstler, Erich Walter, spielten vollendet: Wie ein Ka¬
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christianis.
binettstück aus den Tagen seinster Schauspielkunst, und doch von
#, Kopenhagen, London Madrid, Mailand, Minneapolle.
in erem Leben durchpulst, wurde die Szene dargestellt.
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petere¬
Es ist in den Annalen der Berliner Theater etwas ganz
burg, Toronto.
Ungewöhnliches, daßsbeim Eintreten eines neuen Herrn die
(Quellenengebe ohne Gewühr.!
Künstler erklären, nitgt seine Untertanen sein zu wollen. Im
Lessing=Theater hat sich dieser seltene Fall ereignet. Von dem
Auschmit aus LShriger Repsis Nerhriehten
Augenblick an, als der Elitetruppe dieses Musenheims verkün¬
digt wurde, daß Brahm sein Szepter definitiv niederlege, und
daß Barnowsky vom Kleinen=Theater nunmehr am Kronprinzen¬
1·RB1912
vom:
Ufer residieren wolle, erklärte die Schar der Schauspieler, daß
ihnen Viktor Barnowskys theatralische Sendung nicht hoch ge¬
richtet genug erscheine, als daß sie sich an den Wagen seines
Geschicks spannen ließen. Vom Oberregisseur Emil Lessing an
bis zu den Kulissenschiebern erklärte der Verband des ganzen
Marl Schönherrs dreiaktige Bauernkomödie „Erde“ sicherte sich,
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Theaters einheitlich sich für eine Sezession in monten, sacrum,
wa uns ein Telegramm unseres Berliner K. 1
Mitarbeiters berichtet, gestern im Berliner Lessing¬
theater nur einen halben Erfolg. Zur kühlen Aufnahme mochte
wohl vor allem die dialektunsichere Darstellung beitragen, zu der nur
Emanuel Reicher als Grutzenbauer eine herbe und wahr gezeichnete
Figur beisteuerte. So konnte das Publikum selbst bei den stärksten
Szenenwirkungen, namentlich bei den wuchtigen Aktschlüssen, nicht recht
mitgehen. Vor Schönherr hatte Arthur Schiplermit „Kom¬
tesse Mizzi“ (Irene Triesch) das Wort. Der Einakter wurde sehr
liebenswürdig ausgenommen. Für die beiden österreichischen „Dichter
dankte Otto Brahm.