II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 201

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21. Kontesse Mizzioder der Fani Lientag
Usipreussische Zeilung, Königebert
*U 2 191)
Man spielte
bracht. Und Mizzi — hat wohl ihre Gefühlswelt im Laufe der
wie in frühèrer 3
Jahre etwas verrückt. Sie freut sich, die mutterlose, heimlich
Berliner Bühnenspiele.
pad vollkommen, h
mütterliche Komtesse, endlich einmal Lolo kennen zu lernen. Sie
Schnitzler und Schönherr.
behauptet, gar keine Mutterliebe zu empfinden, aber der große] Triesch legte in
und kluge Seele,
Da brachte das Lessing Theater zwei Komödien an einem
Junge Philipp gefällt ihr doch sehr. Schnell gibt sie noch einem
Stück Wirtschaft.
Abend heraus, die weit über den Unterhaltungsscherzstücken
versteht sich: ebenfalls verheirateten — Liebhaber den Ab¬
Stieler. Ziener, A
standen, zu denen man dies Genre erniedrigt. Arthur Schnitzler¬
schied Und dann: tröstet sie den lololosen Vater, wird mit ihm
wäre ein schöner
gebührte der Sieg er hatte den Stoff, der sich ihm gibt, die
nach Ostende reisen, dort Egon und Philipp treffen. Und sie
Abends ein dunk
Sphäre, für die der Feine noch stark genug ist. „Komtesse
wird nicht mehr „Nein“ sagen . .. weil der große Junge da ist.
Bang ist tot, er¬
Mizzi“ oder „Der Familientag“ ist das entzückend leicht hin¬
Tod des Künstler#
Hätte es für einen kraftvollen Dichter wie Schönherr
geworfene Spiel, in dem die leichtlebigen Schwächlinge zur
Goethebund aus
eine günstigere Folie geben können, als dies überfeinerte Stück
Natur finden, weil es so am lequemsten ist; in dem ohne
ein Künstler, etwa
seines Landsmannes. Wir sollten nun Erdgeruch spüren, nach
Pedanterie von illegitimen Zuständen schließlich zur hof##tten
einer Atmosphäre, die hinlänglich verdorben war. Ich gestehe,
Ehe hinübergelenkt wird, aus Instinkten, aus einer Art Soli¬
daß ich arg enttäuscht war. Wohl bot auch Schönherrs-Stück¬
dität, vielleicht aus einer müden Art von Liebe. Hinter den
des Achtbaren und Bewundernswerten genug. Aber es war allzu
feingezogenen Linien der Schicksale, den Konturen der Personen
simpel und breit, überdeutlich und nicht tief genug, dafür behängt
sehen wir den Dichter mit skeptischem Blick — er hat ein Paar
mit äußerlichem Anekdotenkram; und trat nicht ohne den Ehrgeiz
Marionetten zu fassen bekommen, die von Natur aus nicht mehr
auf. Symbolik — hanebüchen sinnfällige und unzureichende —
als dies waren. Verfeinerte Leutchen, ohne Vorurteile, rück¬
bieten zu wollen. „Erde“ war sein anspruchsvoller Titel) eine
sichtsvoll und egoistisch, verlogen und echt, wie es ihnen liegt.
„Komödie des Lebens“ nannte es sich. Ist es genug, duß dies
Sie wissen zu leben, auf sonderbaren Umwegen kommen sie zu
Lohnt es, daß solche da sind, die auf
Stück eine gewisse frische Heiterkeit zu verkreiten suchte? Der
den „menschlichen Zielen“.
alte Grutz ist ein kräftiger Bauer, steckt sozusagen bis zum
heimlichen Pfaden Abgründe umgehen, von der „großen“ Natur
Herzen drin in dem Lande, das unter seinen schaffenden Fäusten
nicht zu viel wissen und nur das Augenblickliche glauben wollen?
blüht und gedeiht. Er will sich nicht aufs Altenteil setzen, ob¬
Seht, wie glücklich sie sind, antwortet der Dichter, die Natur
wohl sein Sohn schon graue Haare kriegt. Er weiß, das ist
spielt gans freundlich mit ihnen. Sie führt so verborgen. Am
kein. Bauer. Wirklich ein Schwächling ist dieser Sohn,
Ziel werden die Leute klüger sein, ernster, vielleicht auch tiefer.
der einer Magd Trine längst die Ehe versprochen hat,
Für ein Lustsviel genügt diese Weisheit — diesmal — in diesem
von der er kein Kind kriegt. Ein Hufschlag, der den alten
gegebenen Fall — es wendet sich ja ein Blättlein zum guten.
Grutz aufs Krankenbett wirft, scheint den unbesiegbaren Bauern
Wenn's schlimm ginge, mit Heulen und Zähneklappern und diese
doch unter die Erde bringen zu sollen. In dieser Zeit weiß die
Menschen sollten standhalten, sie würden arm dastehen und
Wirtschafterin Mena sich den Sohn ganz zu eigen zu machen.?
müßten sich umsonst bittend an den Autor, an diesen seelischen
Schon hobelt der Kindsnarr sich eine Wiege, schon hat Mena die
Nihilisten wenden. Er würde ihnen nur Heilmittel geben, keine
Trine ganz verdrängt und fühlt sich Herrin. Da wird der Alte,
Waffen.
der schon neben seinem selbstbestellten Sarg schlief, allem zum
Als Graf Arpad Pazmandy seine Frau verlor, war seine
Trotz wieder gesund. Die erboste Mena läßt sich samt lebendem
Tochter, Komtesse Mizzi, ein junges Mädel von 18 Jahen. Der
Inventar von einem andern Bauern heimführen, Trine muß sich
Vater tröstete sich mit der Schauspielerin Lolo. Mizzi verlor sich
enttäuscht weiter placken und der junge Grutz vielleicht als
an einen verheirateten Fürsten Egon; bald zeigte sich die Liebe
kinderloser Knecht sterben. Der Alte lebt und reckt die kräftigen
dieses Menschen als immerhin nicht stark genug, die Folge der
Glieder.
Liebschaft, den kleinen Philipp, vor der Welt anzuerkennen.
Es gelang Egon wie Mizzi, ihren nächsten Angehörigen den
Das alles hätte Schönherr, wie in seinem Merkbuch,
Schmerz der Wahrheit zu ersparen. Und während Egon auch
packend erzählen können. Dies bißchen Handlung hätte auch wohl
nach dem Tode seiner Gattin zu feige war, Mizzi zu heiraten,
für einen tüchtigen Akt gelangt — wenn schon theatert sein sollte.
und Philipp fern von Wien erziehen ließ, ließ die Komtesse, an¬
Es reichte nicht für drei, und schon gar nicht für eine „Komödie des
geblich unglücklich in einen andern verliebt, es über sich ergehen,
Lebens“. Schönherr hat dies Stück vor „Glaube und Heimat“
daß man sie für eine alternde Jungfer hielt, die sich mit Malerei
geschrieben — und wird, das hoffen wir, nun bessere schreiben. Es
beschäftigte; und tröstete sich mit manchem Liebhaber. Das Stück
genügt für unsere Bühne nicht mehr, daß einer in wenigen großen
zeigte nun den alten Grafen von seiner Lolo verlassen — aber
Zügen packend umreißen kann, und durch Wiederholungen den
sie kommt sich noch einmal seinen Park ansehen. Egon — dessen
nicht immer ungezwungenen Eindruck der Natürlichkeit hervor¬
Sohn Philipp eben das Abiturium gemacht hat, von ihm legiti¬
zurufen sucht. Auch die Details der Ausführung und die viel¬
miert wird — hält diesen Moment für den passendsten, endlich
fochen Verwobenheiten menschlicher Wechselbeziehungen sind uns
Mirei um die Ehe zu bitten, kriegt einen Korb. hat aber den
jungen Sprößling, der sich furchtbar nobilitiert fühlt, mitge= wesentlich und unentbehrlich.