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21. Kontesse Nizzi-oder der Pani Lientag
Frühlingssonne wärmt, feiert er seine Auferstehung, ergötzt sich
chadenfroh am Schreck der andern und tritt sein Regiment von
zeuem an.
Indes trotz der Gediegenheit der Charakteristik löst diese
Schilderung, der das Clement der Handlung fast völlig abgeht, auf
der Bühne nicht genügend Spannung und intensive Anteilnahme
aus. Bei aller wechselnden Beleuchtung verändert sich die Konstellation
im Grund zu wenig. Auch die mit größter Sorgfalt ausgefeilte
Vorstellung des Lessing=Theaters konnte dem nicht abhelfen. Die
Ausschnitt aus
beiden ersten Akte fanden mäßigen Applaus und der starke Beifall
am Schluß schien mehr eine Demonstration für den Dichter von
Die beiden rivalisierenden Mägde
Varwärts, Berlin
„Glaube und Heimat“
waren durch Elfe Lehmann und Mathilde Sussin
trefflich vertreten. Kurt Stieler brachte den gutmütig¬
Forest, das harmlose Eishofbäuerlein,
schwachen Hannes,
Margarete Albrecht das streitbare Totenweibel zu lebensvoller
Anschauung. Reicher in der Figur des Grutz gab einen neuen
Beweis von der eminenten Vielseitigkeit seines Könnens. Freilich,
1. Z 1912
seine Gestalt war für den Alten nicht knorrig, nicht wurzelfest genug,
aber bewunderungswürdig glückte ihm der Ausdruck der grillenhaften
Einfälle und Empfindungen.
Schnitzlers Einakter „Komtesse Mizzi“ spielt in der¬
He.
selben Wiener Welt vornehm=galanten Müßgganges wie das „Weite
Theater.
Land“. Der gar nicht mädchenhaften Komtesse wird von ihrem ersten
NLessing=Theater: Erde, Komödie von Karl Schön¬
Liebhaber, einem Herrenhäusler, der in der Kammer klüglich nie den
Herr; Komtesse Mizzi, Komödie von Artur Schnitzler.
Mund auftut, nach achtzehn Jahren der Junge, den sie ihm
Der außerordentliche Erfolg von Schönherrs Glaube und Heimat
geboren, vorgeführt. Sie hat nie etwas von dem Kinde wissen wollen,
Im Lessing=Theater gab wohl den Anstoß, seine ein paar Jahre
da der Vater nicht hielt, was ihre romantische Jugendschwärmerei
sältere, früher vom Hebbel=Theater gespielte Tiroler Bauernkomödie
erhoffte. Wie das standesgemäß erzogene frechdachsige Bürschchen
in neuer Inszenierung herauszubringen. Die bäuerliche Liebe zum
ühr zu gefallen anfängt, wie sie von dieser neuen Neigung ein wenig
eigenen Grund und Boden — in jenem Stücke ein Motiv, das sich
auf den einst Geliebten, der um sie anhält, überträgt, das bildet,
dem Eintreten für den vom Landesherrn verfolgten Glauben, als
gekreuzt von Liebesaffären des eigenen Papa, den Inhalt der kleinen
mächtigste von allen Hemmungskräften entgegenstemmt — wird hier,
Plauderei. Das Spiel war glänzend. Die drei Hauptrollen hatten¬
rein zuständlich als Seelenstimmung dargestellt. Sie äußert sich in
Irene Triesch, Reicher und Monnard inne.
allem; sie lebt in dem alten Grutz, der unverwüstlich zäh, so lange
er die Hund noch rühren kann, Herr seines Hofes bleiben wyill; in
dem alternden Sohne, der jede Demütigung lieber in Kauf nimmt,
als daß er das Stück Land, auf dem er einmal Erbe sein soll, verließe;
in der verblühten Magd, die zehn Jahre wartet, daß der Hannes Bauer
wird und sie heiratet, wie in der egoistisch robusten Mena, der
Nebenbuhlerin. Die einzelnen Personen sind naturalistisch scharf ge¬
sehen und geschickt um die meisterhaft charakterisierte, ebenso
originelle wie typisch repräsentative Gestalt des Alten als Mittel¬
[pünkt geschickt gruppiert. Er ist in der Unzerstörbarkeit seiner
Energie verwoben und verwachsen mit der ihn umgebenden Natur,
fühlt sich eins mit ihr. Ehe ich nicht schlafen geh, zieh ich mein
Kleid nicht aus — so weist er seines Sohnes Bitten, sich auf das
Altenteil zurückzuziehen, höhnend ab. Auch als er meint, nun habe
ihn der Tod erwischt, geht ihm kein weiches Wort, keine Klage über
die Lippen. Nach drei Wochen ununterbrochenen Schlafs, als die
21. Kontesse Nizzi-oder der Pani Lientag
Frühlingssonne wärmt, feiert er seine Auferstehung, ergötzt sich
chadenfroh am Schreck der andern und tritt sein Regiment von
zeuem an.
Indes trotz der Gediegenheit der Charakteristik löst diese
Schilderung, der das Clement der Handlung fast völlig abgeht, auf
der Bühne nicht genügend Spannung und intensive Anteilnahme
aus. Bei aller wechselnden Beleuchtung verändert sich die Konstellation
im Grund zu wenig. Auch die mit größter Sorgfalt ausgefeilte
Vorstellung des Lessing=Theaters konnte dem nicht abhelfen. Die
Ausschnitt aus
beiden ersten Akte fanden mäßigen Applaus und der starke Beifall
am Schluß schien mehr eine Demonstration für den Dichter von
Die beiden rivalisierenden Mägde
Varwärts, Berlin
„Glaube und Heimat“
waren durch Elfe Lehmann und Mathilde Sussin
trefflich vertreten. Kurt Stieler brachte den gutmütig¬
Forest, das harmlose Eishofbäuerlein,
schwachen Hannes,
Margarete Albrecht das streitbare Totenweibel zu lebensvoller
Anschauung. Reicher in der Figur des Grutz gab einen neuen
Beweis von der eminenten Vielseitigkeit seines Könnens. Freilich,
1. Z 1912
seine Gestalt war für den Alten nicht knorrig, nicht wurzelfest genug,
aber bewunderungswürdig glückte ihm der Ausdruck der grillenhaften
Einfälle und Empfindungen.
Schnitzlers Einakter „Komtesse Mizzi“ spielt in der¬
He.
selben Wiener Welt vornehm=galanten Müßgganges wie das „Weite
Theater.
Land“. Der gar nicht mädchenhaften Komtesse wird von ihrem ersten
NLessing=Theater: Erde, Komödie von Karl Schön¬
Liebhaber, einem Herrenhäusler, der in der Kammer klüglich nie den
Herr; Komtesse Mizzi, Komödie von Artur Schnitzler.
Mund auftut, nach achtzehn Jahren der Junge, den sie ihm
Der außerordentliche Erfolg von Schönherrs Glaube und Heimat
geboren, vorgeführt. Sie hat nie etwas von dem Kinde wissen wollen,
Im Lessing=Theater gab wohl den Anstoß, seine ein paar Jahre
da der Vater nicht hielt, was ihre romantische Jugendschwärmerei
sältere, früher vom Hebbel=Theater gespielte Tiroler Bauernkomödie
erhoffte. Wie das standesgemäß erzogene frechdachsige Bürschchen
in neuer Inszenierung herauszubringen. Die bäuerliche Liebe zum
ühr zu gefallen anfängt, wie sie von dieser neuen Neigung ein wenig
eigenen Grund und Boden — in jenem Stücke ein Motiv, das sich
auf den einst Geliebten, der um sie anhält, überträgt, das bildet,
dem Eintreten für den vom Landesherrn verfolgten Glauben, als
gekreuzt von Liebesaffären des eigenen Papa, den Inhalt der kleinen
mächtigste von allen Hemmungskräften entgegenstemmt — wird hier,
Plauderei. Das Spiel war glänzend. Die drei Hauptrollen hatten¬
rein zuständlich als Seelenstimmung dargestellt. Sie äußert sich in
Irene Triesch, Reicher und Monnard inne.
allem; sie lebt in dem alten Grutz, der unverwüstlich zäh, so lange
er die Hund noch rühren kann, Herr seines Hofes bleiben wyill; in
dem alternden Sohne, der jede Demütigung lieber in Kauf nimmt,
als daß er das Stück Land, auf dem er einmal Erbe sein soll, verließe;
in der verblühten Magd, die zehn Jahre wartet, daß der Hannes Bauer
wird und sie heiratet, wie in der egoistisch robusten Mena, der
Nebenbuhlerin. Die einzelnen Personen sind naturalistisch scharf ge¬
sehen und geschickt um die meisterhaft charakterisierte, ebenso
originelle wie typisch repräsentative Gestalt des Alten als Mittel¬
[pünkt geschickt gruppiert. Er ist in der Unzerstörbarkeit seiner
Energie verwoben und verwachsen mit der ihn umgebenden Natur,
fühlt sich eins mit ihr. Ehe ich nicht schlafen geh, zieh ich mein
Kleid nicht aus — so weist er seines Sohnes Bitten, sich auf das
Altenteil zurückzuziehen, höhnend ab. Auch als er meint, nun habe
ihn der Tod erwischt, geht ihm kein weiches Wort, keine Klage über
die Lippen. Nach drei Wochen ununterbrochenen Schlafs, als die