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21. Kontesse Mizz ioder-derFani Lientag
##ul Francisco, Stot
burg, Toronto.
enknasenbr
Ausschallt aus:
Frankfurter Zeitung
OPTESTT
n
Berliner Theater.
Lessingtheater: Schnitzler „Komtesse Mizzi“.
241
Schönherr: „Erde“.
Berlin, 31. Januar.
Dr. Max Goldschmet
Eine interessante Probe auf die schauspielerische Leistungs¬
6 Bureau für
ffähigkeit, diese Nebeneinanderstellung von Schnitzlers —
„Komtesse Mizzi" und Schönherrs „Erde“ im
Zeitungsausschnitte
Lessingtheater. Zumal es dieselben Darsteller waren,
die hier wie dort die Hauptrollen innehatten. Verwandlungs¬
Teleph 4l, 1051.
Bertin N. 24
fähigkeit bleibt auf der Bühne Trumpf.
eeerungerer 1.—
Zunächst Schönherr; denn er kommt im Namen der
Kraft, und die Bühne müßte nicht die Bühne sein, wenn Go¬
Ausschnift 9u:
liath nicht Figur machen wollte. Der alte Grutz, den der Huf¬
schlag niederschmettert, der siech liegt, um nachher den eigenen)
Sarg zu zerhacken, fand in Herrn Reicher einen Darsteller“
von Größe. Diese Figur hatte Erdenschwere, diabolische
Humore stellten sich ein, es war wie ein Hinauswachsen aus
Eunigsberger Aügemeine P
sehr enger Sphäre, deren Eigenheit doch gewahrt blieb, ins
Symbolische. Und ihm zur Seite Frau Lehmann als Mena#
S
das sehr sinnenstarke Weib, fruchtbar und kampfbereit, streit¬
bar in ihren Instinkten. Ihr Widerpart, Frl. Sussin als
Trine, immer noch echt, aber ein wenig städtisch angekränkelt;
3 2 1917
Herr Forest als Eishofbäuerlein vorzüglich, die Knechte der
Herren Ziener, Neßler, Walter mit etwas forcierter,
unterstrichener „Echtheit". Frl. Albrecht als Totenweibele,
Aus den Berliner Cheatern.
Herr Wassermann als Jungknecht Zwittererscheinungen,
Premierenabend des Lessingtheaters
und Herr Stieler, als Sohn des alten Bauern, bei vorzüg¬
Verrur, F Der lchle Premierenabend des
licher Maske und prachtvoll angelegter Charakteristik im Fort¬
gang der Handlung seltsam haltlos. Merkwürdig! als hörte
Lessingtheaters, der großes lokales Interesse erweckte.
die Darstellungskunst da auf, wo bei Schönherr die „Poesie“
brachte keine Uraufführungen; beide, für das Stammpublikum der
anfängt. Denn nicht wahr? grabe das Totenweibele, grade
Brahmschen Bühne neue Stücke, sind an anderer Stelle schon bewertet
der Jungknecht, grade dieser im Schatten des greisen Vaters
worden; Schnitzlers Einakter „Komtesse Mizzi“ hatte
verkümmernde Sohn sind doch sehr — poetisch?
schon in Wien Aufsehen erregt, desgleichen Schönherrs stark¬
Schnitzler fordert selten und in „Komtesse Mizzi“
zügiges Bauerngemälde „Erde“, das übrigens auch im Berliner!
gar keine Größe. Herr Reicher hatte den gealterten Grafen
Hebbeltheater mit wenig Erfolg in Szene gegangen war. Der inter¬
darzustellen, dem seine Geliebte den Laufpaß gibt — wohin?,
essante Theaterabend soll indes nicht unerwähnt bleiben, weil einen
nun, eben ins einsame Alter hinein; Herr Walter den
ungewöhnlichen Darstellungserfolg hatte. In Schönherrs „Erde“
frechen Jungen, wie es deren allzuviele gibt (er war vorzüg¬
lich), Frau Triesch die Komtesse Mizzi, von der man nicht
war es namentlich Reicher, der in der Rolle des greisen Bauern,
viel mehr erfährt, als daß sie malt und viel geliebt hat; Frl.
der zwar halb in der Erde steckt, sich aber nicht in die Erde zwingen
Sussin die kleine Geliebte des gealterten Grafen, die, wie
lassen will, eine ganz ungewöhnliche Kraft entfaltete; das Zähe, Un¬
solche Mädchen immer, der Freiheit herzlich müde ist und sich
besiegbare der volkstümlichenNatur, die ihre Herrenrechte rücksichtslos
bei zeiten nach Ehe= und Altersversorgung umsieht; Herr
behauptet, wurde von dem Künstler mit bewundernswerter Echtheits
Stieler einen Malprofessor, dessen einzige Eigenschaft ist,
veranschaulicht. Neben ihm überraschte Else Lehmann, die nord¬
von Komtesse Mizzi verabschiedet zu werden. Aber — all diese
deutsche Künstlerin, durch eine österreichische Bauernmagd von derber“
Gestalten wirkten echt und echter. Vielleicht weil keine Größe
Urwüchsigkeit; auch Stieler war eigenartig und stark in der Rolle#
von ihnen gefordert wird? Vielleicht.
des intensivfühlenden aber gedrückten und energielosen Bauernsohnes.
Schönherrs „Erde“ war ein Augenblickseindruck, sei es ein
sinnlich starker. An Schnitzlers „Mizzi“ denkt man zurück.
Konnte in diesem Falle eine zum Teil klassische Darstellung nicht ganz
Und dabei vergegenwärtigt man sich: wie das doch weh tat,
über den Eindruck hinweghelfen, daß der Dichter von „Glaube und
als Frau Triesch Herrn Stieler den Abschied gab und
Heimat“ in seiner „Erde“ der Theatralik zu starke Zugeständnissel
ihm den Gruß an seine Frau nachrief; wie es einem im Her¬
macht und namentlich durch bizarr peinliche Züge die Empfänglichkeit
zen zuckte, als Herr Reicher Frl. Sussin zum letzten Mal
für den keck=humoriftischen Schluß herabsetzt, so hatte „Komtessent
die Hand bot und die heimliche Träne verbarg, die erste des
Mizzi“ einen ungeteilten, geradezu durchschlagenden Erfolg, der in
einsamen Alters; wie das eine ungeheuerliche Empfindung
gleichem Maße dem Autor und der Darstellung galt. Schnitzlers
war, als Frau Triesch ihrem Sohn, den sie zum ersten Mal,
dramatische Filigranarbeit, die da das Kühnste mit der größten!
seit sie ihm das Leben gegeben, wiedersah, als eine Fremde
Grazie wagt und in einer kleinen Meisterkomposition die Lebensfrei¬
entgegentrat und sich als eine Fremde mit ihm unterhielt ...
Was ist nun Größe? Seh ich von Herrn Reicher und
heit gewisser aristokratischer Kreise satirisch beleuchtet, wurde durch
Frau Lehmann ab, die auch das, sozusagen nebenher, kön¬
eine lebensvolle und doch behutsame Darstellung, die jede versteckte
nen, so liegt den Darstellern des Lessingtheaters
Beziehung zart heraushob, zur feinsten Bühnenwirkung gebracht.
Größe“ offenbar nicht. Ihre starken Wirkungen sind das
Namentlich die Triesch war köstlich als waschechte Komtesse von
Tieferlebenlassen der kleinen alltäglichen Schmerzen und Freu¬
großer weiblicher Vergangenheit und der vielwendige Reicher von
den. Schnitzler führt und Schönherr verführt sie, will es
gediegener Charakterkomik als gutartiger Papa und kindisch ver¬
scheinen. Aber wir selbst — geht es uns so sehr anders?
wöhnter Liebhaber. Schnitzlers Einakter wird sich — vielleicht in
st mit der „Größe“ im modernen Drama (für das
Kombination mit andern Stücken — lange im Lessingtheater be¬
klassische liegt die Frage naturgemäß anders), ein wenig
A. Kl.
wie mit dem Renaissancestil in der modernen Wohnungs¬
haupten.
einrichtung. Es läßt sich nichts dagegen sagen, daß man ein
Renaissance=Eßzimmer beibehält. Es muß auch Tischler geben,
die solche Mövel machen. Man würde die Kritiker, die jedem
poetischen Muschelaufsatz als unecht denunzieren, mit Recht
vom nationalökonomischen Standpunkt aus, böswillig nennem.
Aber nicht wahr? das kann niemand verlangen: wenn du und
ich vertraulich miteinander reden wollen, wenn wir uns etwas
mitzuteilen haben, was uns innerlich angeht, ins Re¬
ssane=Ekaimmer jetzen wir und dann nicht. E. H.
21. Kontesse Mizz ioder-derFani Lientag
##ul Francisco, Stot
burg, Toronto.
enknasenbr
Ausschallt aus:
Frankfurter Zeitung
OPTESTT
n
Berliner Theater.
Lessingtheater: Schnitzler „Komtesse Mizzi“.
241
Schönherr: „Erde“.
Berlin, 31. Januar.
Dr. Max Goldschmet
Eine interessante Probe auf die schauspielerische Leistungs¬
6 Bureau für
ffähigkeit, diese Nebeneinanderstellung von Schnitzlers —
„Komtesse Mizzi" und Schönherrs „Erde“ im
Zeitungsausschnitte
Lessingtheater. Zumal es dieselben Darsteller waren,
die hier wie dort die Hauptrollen innehatten. Verwandlungs¬
Teleph 4l, 1051.
Bertin N. 24
fähigkeit bleibt auf der Bühne Trumpf.
eeerungerer 1.—
Zunächst Schönherr; denn er kommt im Namen der
Kraft, und die Bühne müßte nicht die Bühne sein, wenn Go¬
Ausschnift 9u:
liath nicht Figur machen wollte. Der alte Grutz, den der Huf¬
schlag niederschmettert, der siech liegt, um nachher den eigenen)
Sarg zu zerhacken, fand in Herrn Reicher einen Darsteller“
von Größe. Diese Figur hatte Erdenschwere, diabolische
Humore stellten sich ein, es war wie ein Hinauswachsen aus
Eunigsberger Aügemeine P
sehr enger Sphäre, deren Eigenheit doch gewahrt blieb, ins
Symbolische. Und ihm zur Seite Frau Lehmann als Mena#
S
das sehr sinnenstarke Weib, fruchtbar und kampfbereit, streit¬
bar in ihren Instinkten. Ihr Widerpart, Frl. Sussin als
Trine, immer noch echt, aber ein wenig städtisch angekränkelt;
3 2 1917
Herr Forest als Eishofbäuerlein vorzüglich, die Knechte der
Herren Ziener, Neßler, Walter mit etwas forcierter,
unterstrichener „Echtheit". Frl. Albrecht als Totenweibele,
Aus den Berliner Cheatern.
Herr Wassermann als Jungknecht Zwittererscheinungen,
Premierenabend des Lessingtheaters
und Herr Stieler, als Sohn des alten Bauern, bei vorzüg¬
Verrur, F Der lchle Premierenabend des
licher Maske und prachtvoll angelegter Charakteristik im Fort¬
gang der Handlung seltsam haltlos. Merkwürdig! als hörte
Lessingtheaters, der großes lokales Interesse erweckte.
die Darstellungskunst da auf, wo bei Schönherr die „Poesie“
brachte keine Uraufführungen; beide, für das Stammpublikum der
anfängt. Denn nicht wahr? grabe das Totenweibele, grade
Brahmschen Bühne neue Stücke, sind an anderer Stelle schon bewertet
der Jungknecht, grade dieser im Schatten des greisen Vaters
worden; Schnitzlers Einakter „Komtesse Mizzi“ hatte
verkümmernde Sohn sind doch sehr — poetisch?
schon in Wien Aufsehen erregt, desgleichen Schönherrs stark¬
Schnitzler fordert selten und in „Komtesse Mizzi“
zügiges Bauerngemälde „Erde“, das übrigens auch im Berliner!
gar keine Größe. Herr Reicher hatte den gealterten Grafen
Hebbeltheater mit wenig Erfolg in Szene gegangen war. Der inter¬
darzustellen, dem seine Geliebte den Laufpaß gibt — wohin?,
essante Theaterabend soll indes nicht unerwähnt bleiben, weil einen
nun, eben ins einsame Alter hinein; Herr Walter den
ungewöhnlichen Darstellungserfolg hatte. In Schönherrs „Erde“
frechen Jungen, wie es deren allzuviele gibt (er war vorzüg¬
lich), Frau Triesch die Komtesse Mizzi, von der man nicht
war es namentlich Reicher, der in der Rolle des greisen Bauern,
viel mehr erfährt, als daß sie malt und viel geliebt hat; Frl.
der zwar halb in der Erde steckt, sich aber nicht in die Erde zwingen
Sussin die kleine Geliebte des gealterten Grafen, die, wie
lassen will, eine ganz ungewöhnliche Kraft entfaltete; das Zähe, Un¬
solche Mädchen immer, der Freiheit herzlich müde ist und sich
besiegbare der volkstümlichenNatur, die ihre Herrenrechte rücksichtslos
bei zeiten nach Ehe= und Altersversorgung umsieht; Herr
behauptet, wurde von dem Künstler mit bewundernswerter Echtheits
Stieler einen Malprofessor, dessen einzige Eigenschaft ist,
veranschaulicht. Neben ihm überraschte Else Lehmann, die nord¬
von Komtesse Mizzi verabschiedet zu werden. Aber — all diese
deutsche Künstlerin, durch eine österreichische Bauernmagd von derber“
Gestalten wirkten echt und echter. Vielleicht weil keine Größe
Urwüchsigkeit; auch Stieler war eigenartig und stark in der Rolle#
von ihnen gefordert wird? Vielleicht.
des intensivfühlenden aber gedrückten und energielosen Bauernsohnes.
Schönherrs „Erde“ war ein Augenblickseindruck, sei es ein
sinnlich starker. An Schnitzlers „Mizzi“ denkt man zurück.
Konnte in diesem Falle eine zum Teil klassische Darstellung nicht ganz
Und dabei vergegenwärtigt man sich: wie das doch weh tat,
über den Eindruck hinweghelfen, daß der Dichter von „Glaube und
als Frau Triesch Herrn Stieler den Abschied gab und
Heimat“ in seiner „Erde“ der Theatralik zu starke Zugeständnissel
ihm den Gruß an seine Frau nachrief; wie es einem im Her¬
macht und namentlich durch bizarr peinliche Züge die Empfänglichkeit
zen zuckte, als Herr Reicher Frl. Sussin zum letzten Mal
für den keck=humoriftischen Schluß herabsetzt, so hatte „Komtessent
die Hand bot und die heimliche Träne verbarg, die erste des
Mizzi“ einen ungeteilten, geradezu durchschlagenden Erfolg, der in
einsamen Alters; wie das eine ungeheuerliche Empfindung
gleichem Maße dem Autor und der Darstellung galt. Schnitzlers
war, als Frau Triesch ihrem Sohn, den sie zum ersten Mal,
dramatische Filigranarbeit, die da das Kühnste mit der größten!
seit sie ihm das Leben gegeben, wiedersah, als eine Fremde
Grazie wagt und in einer kleinen Meisterkomposition die Lebensfrei¬
entgegentrat und sich als eine Fremde mit ihm unterhielt ...
Was ist nun Größe? Seh ich von Herrn Reicher und
heit gewisser aristokratischer Kreise satirisch beleuchtet, wurde durch
Frau Lehmann ab, die auch das, sozusagen nebenher, kön¬
eine lebensvolle und doch behutsame Darstellung, die jede versteckte
nen, so liegt den Darstellern des Lessingtheaters
Beziehung zart heraushob, zur feinsten Bühnenwirkung gebracht.
Größe“ offenbar nicht. Ihre starken Wirkungen sind das
Namentlich die Triesch war köstlich als waschechte Komtesse von
Tieferlebenlassen der kleinen alltäglichen Schmerzen und Freu¬
großer weiblicher Vergangenheit und der vielwendige Reicher von
den. Schnitzler führt und Schönherr verführt sie, will es
gediegener Charakterkomik als gutartiger Papa und kindisch ver¬
scheinen. Aber wir selbst — geht es uns so sehr anders?
wöhnter Liebhaber. Schnitzlers Einakter wird sich — vielleicht in
st mit der „Größe“ im modernen Drama (für das
Kombination mit andern Stücken — lange im Lessingtheater be¬
klassische liegt die Frage naturgemäß anders), ein wenig
A. Kl.
wie mit dem Renaissancestil in der modernen Wohnungs¬
haupten.
einrichtung. Es läßt sich nichts dagegen sagen, daß man ein
Renaissance=Eßzimmer beibehält. Es muß auch Tischler geben,
die solche Mövel machen. Man würde die Kritiker, die jedem
poetischen Muschelaufsatz als unecht denunzieren, mit Recht
vom nationalökonomischen Standpunkt aus, böswillig nennem.
Aber nicht wahr? das kann niemand verlangen: wenn du und
ich vertraulich miteinander reden wollen, wenn wir uns etwas
mitzuteilen haben, was uns innerlich angeht, ins Re¬
ssane=Ekaimmer jetzen wir und dann nicht. E. H.