Kon
S
d
21. „umi#„se Mizzjoder der Fanisientag
box 26/4
Einakter=Abend ∆ 02,
im Deutschen Künstler=Theater.
Ferbinand Bonn, vor kurzem noch in den Kammer¬
spielen in Hermann Bahrs „Konzert“ der vielumschwärmte
Meister, der seine kleinen Abenteuer hinter plätzlichen Kon¬
zertverpflichtungen versteckt, spielt jetzt in Barnowskys
Künstler=Theater den Wedelindschen Kammersänger. Und
dieser Bonn sieht jenem zum Verzweifeln ähnlich, so ähnlich,
daß man unter dem Eindruck dieser Aehnlichkeit oft nicht
weiß, wo Bahr aufhört und Wedekind beginnt; ja, wenn ich
nicht sehr irre, trägt der k. k. Kammersänger Gerardo gar
dieselben Anzüge wie Bahrs großer Gustav Heink. Solche
Rollen der Unwiderstehllchkeit liegen Vonn gut, und wenn
er seinem Kammersänger auch ein bissel zu viel von jenem
m
alternden Professor gab und dadurch den noch von allem
Glanz des Jugendlichen Umstrahlten abgeklärter und ge¬
reifter erscheinen ließ als das wohl in Wedekinds Absicht ge¬
96 MIrnz 1-Hape Preussische Tellung. Pert
legen, so boten die Unterhaltung mit dem verkannten Opern¬
komponisten und die Auseinandersetzung mit der Frau, die
den Geliebten nicht lassen will, trotz aller Komik im einzelnen
so viel Lebenswahres im ganzen, daß man die leichte Lange¬
(Aus den Theatern. Im Teutschen Künstlertheater
weile, die diese reichlich zugespitzten und erkünstelten Szenen
wer am Sonnabend ein merkwürdiges Trisolium beisammen:
Wedekinds um so stärker atmen, je älter sie werden und je
Wedekind, Schnitzler und Ludwig Thoma. Jeder von
öfter man sie sieht, kaum spürte. Der Schauspieler besiegte
„Ahnen wartete mit einem EWedekind und Schnitzler
wieder einmal den Dichter, und der leise Unterton der Tragik,
und die
gaben ihre schwächsten: den „Kammersänger“
der in den barocken Szenen schwingt, erhielt durch ihn hier
„Komteß Mizzi“, Ludwig Thoma zeigte seinen besten, den
Bauernschwank „1. Klasse“. Alle drei sind in Berlin oft ge¬
und da ergreifenden Klang. Julie Serda als die Frau, die
spielt worden; daß sie jetzt dem berühmten dringenden Bedürfnis
lieber in den Tod geht als daß sie nach dem kurzen Rausch
abzuhelsen berufen sind, kann man nicht sagen. Wedekinds
in den Armen des gefeierten Künstlers zu Mann und Kin¬
„Kammersänger“ in drei Szenen zerfallend hat nur eine erträg¬
dern in die Enge ihres bisherigen Lebens zurückkehrt, und
liche Mittelszene. Es ist die mit dem alten Professor, der dem vor
John Gottowt als der greise Komponist unterstützten das
der Gastspielreise nervös seinen Koffer packenden K. K. Kammer¬
Spiel Bonns auf das vorteilhafteste.
sänger seine Oper bringt und sein Flehen um die Erfüllung seiner
„Komtesse Mizzi“ vonS#itzler falgte. Bonn der
ewigen Lebenshoffnung damit beantwortet sieht, daß der K. K.
alte Graf, dessen Lolo nach langen=Jahee friedlicher und
Kammersänger seine Brieftasche offnet und den alten Mann mit
ein paar Hundert Mark hinauskomplimentieren will. Kunstschaffen
rührender Liebe heiratet, im endlich „in geordnete Ver¬
und Kunstbetriob treten sich als zwei unüberbrückbare Gegensätze
hältnisse zu kommen“ und dem nun an der Seite seiner
gegenüber. Es ist von Wedekind ohne viel Aufwand erledigt wor¬
Mizzi die „Einsamkeit“ droht; äußerlich ein wenig an den
den, ohne den Aufschrei aus der eigenen Brust. Beim zweiten Ein¬
alten Kaiser erinnernd, aber lebenslustig noch und munter,
akter „Komtesse Mizzi“ kam man dahinter, daß es die Direktion
von herzgewinnender Jovialität und in die Ueberraschungen.
weniger auf Wedekind, Schnitler und Thoma, sondern auf einen
die ihm der eine kurze Sommertag bringt und die ihm statt
Ferdinand Bonn=Abend abgesehen hatte. Der K. K.
der gefürchteten Einsamkeit ein heiteres Leben verheißen,
Kammersänger erschien jetzt als Graf v. Arpad Pazmandy, der sich
sich mit lächelnder Laune und stiller Wehmut schickend ...
augenblicklich in einer scheußlichen Situation befindet. Sein Herz¬
eine Gestalt von eigenwilligem Reize; Julie Serda eine
ruhaus, die Schauspielerin Loto, ist im Begriff, sich zu verhei¬
raten. Damit beginnt hier die eigentümliche Anwendung des
sehr natürliche, behaglich=rundliche Komtesse Mizzi, die ihre
Satzes, daß es auf der Alm ka Sünd gibt. Die Fortsetzung liefert
miverhoffte Mutterschaft mit komischer Würde trägt und dem
so plötzlich aufgetauchten Bub zuliebe einen dicken Strich
S
unter alles Bisherige macht; Max Landa als Fürst Egon
dann die gräfliche Tochter, Komtesse Mizzi, selber. Es ist wirklich
eine echt Schnitzlersche Figur, vieleicht die echteste der ganzen
eine ungekränkte Moralinfreiheit in diesem Oesterreich von der
kleinen Komödie; und Toni Tetzlaff als Lolo und Walter
Alm bis ins Grafenschloß. Dritte Verwandlung. Ferdinand Bonn
Reymner als der Bub fügen sich in diesen bunten Reigen
erscheint als der bayerische Bauer und Abgeordnete Frieser und
mit viel wienerischer Grazie ergänzend ein. Das Leben ist
hat einen durchschlagenden Erfolg. Seine Maske haben die Zeichner
des Simplizissimus entworfen. Riesige Ohrwascheln und eine
hier noch ein Spiel, weiche Lust fächelt, alles ist heiter und
schief überhängende Unterlippe zieren sein Gesicht. Er kommt mit
licht. Das Gewittergrollen des Schicksals tönt nur ganz
einem Spankorb mit Eiern ins Abteil „1. Klasse“. Er spricht einen
schwach in diese Komödie der Worte, und die Kunst, mit der
großartigen Dialekt, ist echt bis auf die Stalluft, aus der er eben
die Menschen es überhören, es nicht an sich heranlassen, ist
kommt. Er trug die Satire der Thomaschen Komödie als warmes
zumindest amüsant. Hat es so etwas denn nicht einmal
Leben in den Handen. Hat Reinhardi diesen von Bühnenblut ganz
gegeben? So freuen wir uns dessen lächelnd und erinnerung¬
erfüllten, nicht alternden Schauspieler an Barnowsky abgegeben
versunken, und wenn der Vorhang fällt, sagen wir einer
oder war Herr Bonn nur zu Gast? Neben ihm hielten Herr
Stunde Lebewohl, die keine Ueberraschung, aber auch keine
Gottoldt als Professor Dührtng im „Kammersänger“ und Herr
Enttäuschung gebracht hat.
Adalbert als „Saupreuß“ in Thomas,=Schwank dem Gesamt¬
spiel kräftig die Stange.
Ludwig Thomas saftiger Bauernschwank „1. Klasse“
E. B
machte den Beschluß. Der hinlänglich bekannte, übermütige
Akt holt seine spaßigsten Wirkungen aus der Gegensätzlich¬
keit der Leutchen, die der Zufall in einem Eilzugkupee
1. Klasse zusammenwürfelt: ein Pärchen auf der Hochzeits¬
reise, ein eingebildeter Ministerialrat, ein Reisender aus
Neu=Ruppin und zwei bayerische Bauern, von denen der
eine der Abgeordnete Filser ist. Max Landa, Max
Adolbert, Hans Sternberg sind in ihren Rollen be¬
kannt. Neu aber ist der Filser Ferdinand Bonns.
Kammersänger, österreichischer Graf und bayerischer Bauer
an einem Abend . .. das will doch etwas heißen und macht
der Verwandlungsfähigkeit Bonns alle Ehre. Denn alles
war er ganz; und doch, denkt man an den lustigen und unter¬
haltsamen Abend zurück, gebührt seinem Filser die Palme.
Welch eine urwüchsige Gestalt! Die hängende Unterlippe,
die wackelnden Ohren, dies Lachen und vor allem die ver¬
schmitzte Würde, in die er sich blitzschnell hineinfindet, als der
Zugführer ihn dem vornehmen königlich bayerischen
Ministerialrat als den Abgeordneten Filser offenbart und
dieser auf einmal kaum weiß, wie nur immer er dem Herrn
Abgeordneten seine Ehrfurcht und Ergebenheit beweisen soll
— das alles war von einer geradezu zwerchfellerschütternden
Komik, und das leise Schmunzeln und verhaltene Lächeln,
bag die Panmots aus Modekinde und Schnitzlers kultinierten
S
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21. „umi#„se Mizzjoder der Fanisientag
box 26/4
Einakter=Abend ∆ 02,
im Deutschen Künstler=Theater.
Ferbinand Bonn, vor kurzem noch in den Kammer¬
spielen in Hermann Bahrs „Konzert“ der vielumschwärmte
Meister, der seine kleinen Abenteuer hinter plätzlichen Kon¬
zertverpflichtungen versteckt, spielt jetzt in Barnowskys
Künstler=Theater den Wedelindschen Kammersänger. Und
dieser Bonn sieht jenem zum Verzweifeln ähnlich, so ähnlich,
daß man unter dem Eindruck dieser Aehnlichkeit oft nicht
weiß, wo Bahr aufhört und Wedekind beginnt; ja, wenn ich
nicht sehr irre, trägt der k. k. Kammersänger Gerardo gar
dieselben Anzüge wie Bahrs großer Gustav Heink. Solche
Rollen der Unwiderstehllchkeit liegen Vonn gut, und wenn
er seinem Kammersänger auch ein bissel zu viel von jenem
m
alternden Professor gab und dadurch den noch von allem
Glanz des Jugendlichen Umstrahlten abgeklärter und ge¬
reifter erscheinen ließ als das wohl in Wedekinds Absicht ge¬
96 MIrnz 1-Hape Preussische Tellung. Pert
legen, so boten die Unterhaltung mit dem verkannten Opern¬
komponisten und die Auseinandersetzung mit der Frau, die
den Geliebten nicht lassen will, trotz aller Komik im einzelnen
so viel Lebenswahres im ganzen, daß man die leichte Lange¬
(Aus den Theatern. Im Teutschen Künstlertheater
weile, die diese reichlich zugespitzten und erkünstelten Szenen
wer am Sonnabend ein merkwürdiges Trisolium beisammen:
Wedekinds um so stärker atmen, je älter sie werden und je
Wedekind, Schnitzler und Ludwig Thoma. Jeder von
öfter man sie sieht, kaum spürte. Der Schauspieler besiegte
„Ahnen wartete mit einem EWedekind und Schnitzler
wieder einmal den Dichter, und der leise Unterton der Tragik,
und die
gaben ihre schwächsten: den „Kammersänger“
der in den barocken Szenen schwingt, erhielt durch ihn hier
„Komteß Mizzi“, Ludwig Thoma zeigte seinen besten, den
Bauernschwank „1. Klasse“. Alle drei sind in Berlin oft ge¬
und da ergreifenden Klang. Julie Serda als die Frau, die
spielt worden; daß sie jetzt dem berühmten dringenden Bedürfnis
lieber in den Tod geht als daß sie nach dem kurzen Rausch
abzuhelsen berufen sind, kann man nicht sagen. Wedekinds
in den Armen des gefeierten Künstlers zu Mann und Kin¬
„Kammersänger“ in drei Szenen zerfallend hat nur eine erträg¬
dern in die Enge ihres bisherigen Lebens zurückkehrt, und
liche Mittelszene. Es ist die mit dem alten Professor, der dem vor
John Gottowt als der greise Komponist unterstützten das
der Gastspielreise nervös seinen Koffer packenden K. K. Kammer¬
Spiel Bonns auf das vorteilhafteste.
sänger seine Oper bringt und sein Flehen um die Erfüllung seiner
„Komtesse Mizzi“ vonS#itzler falgte. Bonn der
ewigen Lebenshoffnung damit beantwortet sieht, daß der K. K.
alte Graf, dessen Lolo nach langen=Jahee friedlicher und
Kammersänger seine Brieftasche offnet und den alten Mann mit
ein paar Hundert Mark hinauskomplimentieren will. Kunstschaffen
rührender Liebe heiratet, im endlich „in geordnete Ver¬
und Kunstbetriob treten sich als zwei unüberbrückbare Gegensätze
hältnisse zu kommen“ und dem nun an der Seite seiner
gegenüber. Es ist von Wedekind ohne viel Aufwand erledigt wor¬
Mizzi die „Einsamkeit“ droht; äußerlich ein wenig an den
den, ohne den Aufschrei aus der eigenen Brust. Beim zweiten Ein¬
alten Kaiser erinnernd, aber lebenslustig noch und munter,
akter „Komtesse Mizzi“ kam man dahinter, daß es die Direktion
von herzgewinnender Jovialität und in die Ueberraschungen.
weniger auf Wedekind, Schnitler und Thoma, sondern auf einen
die ihm der eine kurze Sommertag bringt und die ihm statt
Ferdinand Bonn=Abend abgesehen hatte. Der K. K.
der gefürchteten Einsamkeit ein heiteres Leben verheißen,
Kammersänger erschien jetzt als Graf v. Arpad Pazmandy, der sich
sich mit lächelnder Laune und stiller Wehmut schickend ...
augenblicklich in einer scheußlichen Situation befindet. Sein Herz¬
eine Gestalt von eigenwilligem Reize; Julie Serda eine
ruhaus, die Schauspielerin Loto, ist im Begriff, sich zu verhei¬
raten. Damit beginnt hier die eigentümliche Anwendung des
sehr natürliche, behaglich=rundliche Komtesse Mizzi, die ihre
Satzes, daß es auf der Alm ka Sünd gibt. Die Fortsetzung liefert
miverhoffte Mutterschaft mit komischer Würde trägt und dem
so plötzlich aufgetauchten Bub zuliebe einen dicken Strich
S
unter alles Bisherige macht; Max Landa als Fürst Egon
dann die gräfliche Tochter, Komtesse Mizzi, selber. Es ist wirklich
eine echt Schnitzlersche Figur, vieleicht die echteste der ganzen
eine ungekränkte Moralinfreiheit in diesem Oesterreich von der
kleinen Komödie; und Toni Tetzlaff als Lolo und Walter
Alm bis ins Grafenschloß. Dritte Verwandlung. Ferdinand Bonn
Reymner als der Bub fügen sich in diesen bunten Reigen
erscheint als der bayerische Bauer und Abgeordnete Frieser und
mit viel wienerischer Grazie ergänzend ein. Das Leben ist
hat einen durchschlagenden Erfolg. Seine Maske haben die Zeichner
des Simplizissimus entworfen. Riesige Ohrwascheln und eine
hier noch ein Spiel, weiche Lust fächelt, alles ist heiter und
schief überhängende Unterlippe zieren sein Gesicht. Er kommt mit
licht. Das Gewittergrollen des Schicksals tönt nur ganz
einem Spankorb mit Eiern ins Abteil „1. Klasse“. Er spricht einen
schwach in diese Komödie der Worte, und die Kunst, mit der
großartigen Dialekt, ist echt bis auf die Stalluft, aus der er eben
die Menschen es überhören, es nicht an sich heranlassen, ist
kommt. Er trug die Satire der Thomaschen Komödie als warmes
zumindest amüsant. Hat es so etwas denn nicht einmal
Leben in den Handen. Hat Reinhardi diesen von Bühnenblut ganz
gegeben? So freuen wir uns dessen lächelnd und erinnerung¬
erfüllten, nicht alternden Schauspieler an Barnowsky abgegeben
versunken, und wenn der Vorhang fällt, sagen wir einer
oder war Herr Bonn nur zu Gast? Neben ihm hielten Herr
Stunde Lebewohl, die keine Ueberraschung, aber auch keine
Gottoldt als Professor Dührtng im „Kammersänger“ und Herr
Enttäuschung gebracht hat.
Adalbert als „Saupreuß“ in Thomas,=Schwank dem Gesamt¬
spiel kräftig die Stange.
Ludwig Thomas saftiger Bauernschwank „1. Klasse“
E. B
machte den Beschluß. Der hinlänglich bekannte, übermütige
Akt holt seine spaßigsten Wirkungen aus der Gegensätzlich¬
keit der Leutchen, die der Zufall in einem Eilzugkupee
1. Klasse zusammenwürfelt: ein Pärchen auf der Hochzeits¬
reise, ein eingebildeter Ministerialrat, ein Reisender aus
Neu=Ruppin und zwei bayerische Bauern, von denen der
eine der Abgeordnete Filser ist. Max Landa, Max
Adolbert, Hans Sternberg sind in ihren Rollen be¬
kannt. Neu aber ist der Filser Ferdinand Bonns.
Kammersänger, österreichischer Graf und bayerischer Bauer
an einem Abend . .. das will doch etwas heißen und macht
der Verwandlungsfähigkeit Bonns alle Ehre. Denn alles
war er ganz; und doch, denkt man an den lustigen und unter¬
haltsamen Abend zurück, gebührt seinem Filser die Palme.
Welch eine urwüchsige Gestalt! Die hängende Unterlippe,
die wackelnden Ohren, dies Lachen und vor allem die ver¬
schmitzte Würde, in die er sich blitzschnell hineinfindet, als der
Zugführer ihn dem vornehmen königlich bayerischen
Ministerialrat als den Abgeordneten Filser offenbart und
dieser auf einmal kaum weiß, wie nur immer er dem Herrn
Abgeordneten seine Ehrfurcht und Ergebenheit beweisen soll
— das alles war von einer geradezu zwerchfellerschütternden
Komik, und das leise Schmunzeln und verhaltene Lächeln,
bag die Panmots aus Modekinde und Schnitzlers kultinierten