Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Nachrichten
Zeitung:
OM SR KIMTT & 20.
Datum:
—
—6
— PeDrz
Neues Theater. Am Samstag erfreute das Neue Theater
seine Gäste mit einem Komödienabend, der, zusammengestellt
saus nier Komödien jeweils verschiedener Autoren, mir billig
nach Der Klimax ad majus aufgebaut war. Wie jedermann
weiß gehört ein guter komischer Einakter, obschon seit des
seligen Hans Sachs' Zeiten der Ehrgeiz unsrer Bühnendichter,
zu den Seltenheiten. Denn merkwürdigerweise ist kaum ede
andere Kunstgattung so sehr der Gefahr der Banalität aus¬
gesetzt. Banal waren denn auch schließlich auch alle
vier
Komödien dieses Abends. Wodurch sie sich aber der Art und
dem Range nach von einander abhoben, das entschied sich an
der lebendigen Kraft, Charaktere zu gestalten und Situationen
zu ballen, und an der Weise und Stärke des Witzes, was alles
zusammen die Banalität vergessen macht. — So sehr nun war
„Das stil
e Glück“ von Hans Buxbaum im Bonalen
stecken geblieben, daß es hin und wieder eine Parodie seiner
selbst zu sein schien. Vorgang und Sprache zwischen Kommer¬
zienrat und Dichter, an deren Verkörperuna Hanns Hübner
und Ernst Karchow ihre schönen Mittel vergebens verschwen¬
deten, erinnerten so verzweifelt an die liebe Courths=Mahler,
daß man es nur ertragen konnte, aus der Perspektive der unbe¬
dingt ironisierenden Ueberlegenheit der reizend alltäglichen
Frau Aliee, um die sich — versteht sich! — das ganze herzlich
langweilige Stückchen dreht, und aus der Alice Rhode ein
ganz samos kaltherzig sirrendes Weibchen machte. — Absurder
zwar im Vorwurf —. Enoch=Arden=Motiv mit philiströs=fried¬
lichem Ausgang — doch im Grunde nicht weniger banal gab
sich „Der Selige“ von Hermann Bahr. Wie sich hier bei
der Wiederkehr des ersten totgeglaubten Schreinersgatten aus
dem Felde im Gespräch des alten und des neuen Mannes
allmählich herausstellt, daß jeder dem andern wohl die gemein¬
same Frau, nicht aber das blühende Schreinergeschäft gönnt.
das ist nicht ohne Humor gemacht. Wenn man nur nicht, trotz
all der treuherzig weanernden Sprache, gegen diesen Humor
mißtrauisch würde, weil er halt gar zu getstreich wird! Immer¬
hin konnten sich die Schauspieler doch wenigstens enthalten.
Und so, wie Fred Hennings und besonders Hanns Hübner
und Anny Reiter ihre Figuren hinstellten, war es wirklich
amüsant. Freilich konnten weder diese drei hervorragenden
Darstellungen noch die von Walter Fried
feingezeichnete
Advokatenepisode den jäh ins Sentimentale abflauenden Schluß
retten. — Schon bei weitem dichterischer war die nun folgende
Komödie Artbur Schnitzler
die an einen Sommernach¬
mittag um de „omreffe Mizzi“ eine Menge feltsamer
Menschen zusammenführt, die alle untereinander in merkwür¬
digen, teils schmerzlichen, teils zukunftsfrohen, teils jäh sich
offenbarenden, teils einander unbekannten Beziehungen stehn.
Dieser Nachmittag ist von Schicksal durchwoben, nur hin und
wieder blitzt der Humor gedämpft und wehmütig auf. Robin
Robert, der sich schon des ersten Stücks nach Kräften ange¬
genommen hatte, verwandte auf diese Schnitzlersche Komödie
seine bewährte Kunst, unterstützt durch ein stimmungsvolles,
einfaches Bühnenbild Lore Dahls. Von den Darstellern ist
neben wiederum einem schönen, eindrucksvollen Spiel A.
Reiters und Fr. Hennings' ganz besonders eine ganz
ausgezeichnete Leistung A. Großmanns zu rühmen. Auch
Maria Freue und Erich Kiel machten sich verdient. Der
Schluß verlor leider durch eine Uebertreibung Schnitzlers. Die
Episode des Professor Windhofer gefährbet das ganze Stück und
sollte füglich gestrichen werden. — Wie ein Arzt, ein Finanzeat,
ein Advokat und ein Volksschullehrer bei der Testamentseröff¬
nung ihres gemeinsamen Freundes das innerste Wesen ihres
Charakters enthüllen, das — sollte man meinen — ist von allen
denn doch der allerbanalste Komödienvorwurs. Und doch gestal¬
tete sich das „Vermächtnis“ von Viktor Fleischer zum
Höhepunkt des Abends. Denn hier hat nicht nur ein gewiegter
Theaterkenner einer Winzigkeit von Handlung durch geschickt
angebrachte retardierende Momente dramatische Spannung
verliehen, hier hat auch ein gestaltungskundiger Autor vier
samos lebensvolle Typen nebeneinandergestellt. Freilich war
auch die Darstellung unter Alois Großmanns bewährter
Leitung ganz besonders vorzüglich. August Weber, Fritz
Eysenhardt und A. Großma'nn schusen jeder eine scharf
umrissene, lebenswahre Figur. Die Krone aber war der Lehrer
Adam in Hermann Kners wisklich witzig karikierenden
Charakterisierung. Johs Almas führte die Rolle des Testa¬
mentderöffnerd mit ironischer Besonnenheit. Der Beifall, dem
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Srengee Worre Wrire der „Tems¬
bemerkt, Birch eine
des eisässischen Abgeordneten Self
veranlaßt, in der darüber Beschwerde geführt war, daß ei
Staatsanwalt in Bordeaux das Wort „boche“ in einer Klags
schrift gegen einen elsässischen Kaufmann angewandt hatte
der im übrigen wegen unerlaubter Schiebereien zu drei Jahrs
Gefängnis verurteilt worden, war.
ga.
[Frankfurter Neues Theater.] Vier einaktige Komödick
hatte Die Westendbühne zusammengespannt. Von hier schon g
spichten Stücken sah man Hermann Bahrs „Der Selige“
ein Spiel, das das ewig=alte, im und nach dem Kriege wiede
echll geworbene Enoch Arden=Problem von neuem aufwirft; #
setzt mit routinierter, fast beängstigender Frische ein, zerdehnt sic
aber in Ausleierung der Pointen und versandet in einer heille
Ratlosigkeit, die durch nichts anderes als den rasch fallenden Voß#
hang zugedeckt wird. Die Fragezeichen blieben. Frau Reite
sowie die Herren Hübner und Hennings malten die stild
trotzigen Typen österreichischen Kleinbürgertums mit satten Farbei
—
Arthur Schnitzlers „Komteise Mizzi“ ist, wenn aus
vom äußeren und innlsken Schwung der Zeiten überholt, imme
noch graziös und plaudersam. Und wenn man sich träumend ind
fesche K.= und K.=Land der Wiener zurückversetzen kann, dans
gehts einigermaßen; besonders diesmal, da die glänzende Nonchalene
Herrn Hennings, die versonnene, stilsichere Komtesse von Fras
Reiter und der vom geliebten außer-gesellschaftlichen Leben de¬
Donaustadt melancholisch=heiter abtretende Graf des Herrn Groß
mann die zum Schlusse stets matter werdenden Vorgänge mi
starken Strebepfeilern willig stützten. — Viktor Fleischers bi¬
Bureau für Zeitungsausschnitte
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21
Nachrichten
Zeitung:
OM SR KIMTT & 20.
Datum:
—
—6
— PeDrz
Neues Theater. Am Samstag erfreute das Neue Theater
seine Gäste mit einem Komödienabend, der, zusammengestellt
saus nier Komödien jeweils verschiedener Autoren, mir billig
nach Der Klimax ad majus aufgebaut war. Wie jedermann
weiß gehört ein guter komischer Einakter, obschon seit des
seligen Hans Sachs' Zeiten der Ehrgeiz unsrer Bühnendichter,
zu den Seltenheiten. Denn merkwürdigerweise ist kaum ede
andere Kunstgattung so sehr der Gefahr der Banalität aus¬
gesetzt. Banal waren denn auch schließlich auch alle
vier
Komödien dieses Abends. Wodurch sie sich aber der Art und
dem Range nach von einander abhoben, das entschied sich an
der lebendigen Kraft, Charaktere zu gestalten und Situationen
zu ballen, und an der Weise und Stärke des Witzes, was alles
zusammen die Banalität vergessen macht. — So sehr nun war
„Das stil
e Glück“ von Hans Buxbaum im Bonalen
stecken geblieben, daß es hin und wieder eine Parodie seiner
selbst zu sein schien. Vorgang und Sprache zwischen Kommer¬
zienrat und Dichter, an deren Verkörperuna Hanns Hübner
und Ernst Karchow ihre schönen Mittel vergebens verschwen¬
deten, erinnerten so verzweifelt an die liebe Courths=Mahler,
daß man es nur ertragen konnte, aus der Perspektive der unbe¬
dingt ironisierenden Ueberlegenheit der reizend alltäglichen
Frau Aliee, um die sich — versteht sich! — das ganze herzlich
langweilige Stückchen dreht, und aus der Alice Rhode ein
ganz samos kaltherzig sirrendes Weibchen machte. — Absurder
zwar im Vorwurf —. Enoch=Arden=Motiv mit philiströs=fried¬
lichem Ausgang — doch im Grunde nicht weniger banal gab
sich „Der Selige“ von Hermann Bahr. Wie sich hier bei
der Wiederkehr des ersten totgeglaubten Schreinersgatten aus
dem Felde im Gespräch des alten und des neuen Mannes
allmählich herausstellt, daß jeder dem andern wohl die gemein¬
same Frau, nicht aber das blühende Schreinergeschäft gönnt.
das ist nicht ohne Humor gemacht. Wenn man nur nicht, trotz
all der treuherzig weanernden Sprache, gegen diesen Humor
mißtrauisch würde, weil er halt gar zu getstreich wird! Immer¬
hin konnten sich die Schauspieler doch wenigstens enthalten.
Und so, wie Fred Hennings und besonders Hanns Hübner
und Anny Reiter ihre Figuren hinstellten, war es wirklich
amüsant. Freilich konnten weder diese drei hervorragenden
Darstellungen noch die von Walter Fried
feingezeichnete
Advokatenepisode den jäh ins Sentimentale abflauenden Schluß
retten. — Schon bei weitem dichterischer war die nun folgende
Komödie Artbur Schnitzler
die an einen Sommernach¬
mittag um de „omreffe Mizzi“ eine Menge feltsamer
Menschen zusammenführt, die alle untereinander in merkwür¬
digen, teils schmerzlichen, teils zukunftsfrohen, teils jäh sich
offenbarenden, teils einander unbekannten Beziehungen stehn.
Dieser Nachmittag ist von Schicksal durchwoben, nur hin und
wieder blitzt der Humor gedämpft und wehmütig auf. Robin
Robert, der sich schon des ersten Stücks nach Kräften ange¬
genommen hatte, verwandte auf diese Schnitzlersche Komödie
seine bewährte Kunst, unterstützt durch ein stimmungsvolles,
einfaches Bühnenbild Lore Dahls. Von den Darstellern ist
neben wiederum einem schönen, eindrucksvollen Spiel A.
Reiters und Fr. Hennings' ganz besonders eine ganz
ausgezeichnete Leistung A. Großmanns zu rühmen. Auch
Maria Freue und Erich Kiel machten sich verdient. Der
Schluß verlor leider durch eine Uebertreibung Schnitzlers. Die
Episode des Professor Windhofer gefährbet das ganze Stück und
sollte füglich gestrichen werden. — Wie ein Arzt, ein Finanzeat,
ein Advokat und ein Volksschullehrer bei der Testamentseröff¬
nung ihres gemeinsamen Freundes das innerste Wesen ihres
Charakters enthüllen, das — sollte man meinen — ist von allen
denn doch der allerbanalste Komödienvorwurs. Und doch gestal¬
tete sich das „Vermächtnis“ von Viktor Fleischer zum
Höhepunkt des Abends. Denn hier hat nicht nur ein gewiegter
Theaterkenner einer Winzigkeit von Handlung durch geschickt
angebrachte retardierende Momente dramatische Spannung
verliehen, hier hat auch ein gestaltungskundiger Autor vier
samos lebensvolle Typen nebeneinandergestellt. Freilich war
auch die Darstellung unter Alois Großmanns bewährter
Leitung ganz besonders vorzüglich. August Weber, Fritz
Eysenhardt und A. Großma'nn schusen jeder eine scharf
umrissene, lebenswahre Figur. Die Krone aber war der Lehrer
Adam in Hermann Kners wisklich witzig karikierenden
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mentderöffnerd mit ironischer Besonnenheit. Der Beifall, dem
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Srengee Worre Wrire der „Tems¬
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des eisässischen Abgeordneten Self
veranlaßt, in der darüber Beschwerde geführt war, daß ei
Staatsanwalt in Bordeaux das Wort „boche“ in einer Klags
schrift gegen einen elsässischen Kaufmann angewandt hatte
der im übrigen wegen unerlaubter Schiebereien zu drei Jahrs
Gefängnis verurteilt worden, war.
ga.
[Frankfurter Neues Theater.] Vier einaktige Komödick
hatte Die Westendbühne zusammengespannt. Von hier schon g
spichten Stücken sah man Hermann Bahrs „Der Selige“
ein Spiel, das das ewig=alte, im und nach dem Kriege wiede
echll geworbene Enoch Arden=Problem von neuem aufwirft; #
setzt mit routinierter, fast beängstigender Frische ein, zerdehnt sic
aber in Ausleierung der Pointen und versandet in einer heille
Ratlosigkeit, die durch nichts anderes als den rasch fallenden Voß#
hang zugedeckt wird. Die Fragezeichen blieben. Frau Reite
sowie die Herren Hübner und Hennings malten die stild
trotzigen Typen österreichischen Kleinbürgertums mit satten Farbei
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Arthur Schnitzlers „Komteise Mizzi“ ist, wenn aus
vom äußeren und innlsken Schwung der Zeiten überholt, imme
noch graziös und plaudersam. Und wenn man sich träumend ind
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gehts einigermaßen; besonders diesmal, da die glänzende Nonchalene
Herrn Hennings, die versonnene, stilsichere Komtesse von Fras
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Donaustadt melancholisch=heiter abtretende Graf des Herrn Groß
mann die zum Schlusse stets matter werdenden Vorgänge mi
starken Strebepfeilern willig stützten. — Viktor Fleischers bi¬