II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 274

M
21. Kontessz 1oder-der-FaniTientag
box 26/4
##77
Neue Freie Presse.
Wenn es nicht noch im letzten Augenblick gelingen wür
71
sollte, die Staatstheaterverwaltung von ihrer ablehnendenj kult
1
Kof
Haltung abzubringen, würden Frau Bleibtreu und Frau gue
Medelsky aus dieser Zuschrift die Kon¬
ger¬
Ssmmn n asa
sequenzen ziehen und tatsächlich aus dem
Ils
Verbande des Burgtheaters ausscheiden.
wegliches Genrebildchen „Das Vermächtnis“ unbedingt der
lern
nachhaltigste Eindruck des Viergespanns an diesem Abend,
Die Verhandlungen, die gegenwärtig geführt werden,
nal
gibt der Ueberraschungen die Fülle, wirbelt behäglichen
beziehen sich auch nicht so sehr auf das Verbleiben der beiden
ente
Humor und versöhnt in seinem außerordentlich geschickten
Künstlerinnen im Burgtheater, als vielmehr auf die
Zer¬
Aufbau, seinem innig=gefühlten Sentiment selbst mit einem
Regelung ihrer Pensionsansprüche, die von
drei
etwas hastig gezimmerien Schluß. Das vom Quartett zurück¬
Me
der Bundestheaterverw altung im Prinzip
gebliebene Trio der Herren Großmann (geruhigster Phleg¬
der
Ro#
anerkannt werden.
matiker), Weber (polternder Sanguiniker) und Eysenhardt
(„bewußter Tatmensch“) stilisierten wirksame, unaufdringliche
Karikaturen. Herr Kner als habgieriger Dorsschulmeister kratzte
Theater= und Kunstnachrichten.
sein an seiner Figur herum, gab vielleicht jedoch des Guten zu
[Kammerspiele.] Eine in jeder Hinsicht ungewohnte
viel; Herr Almas: würdiger, pausenachtender Notar. — Als
Eit
und ungewöhnliche zugunsten der Hilfsaktion für deutsche
Uraufführung ging Hans Buxbaums „Das stille Glück“
Künstler veranstaltete Nachtvorstellung von besonderer dar¬
in Szene. Diese Komödie ist eine reichlich mächtig aufgeputzte
stellerischer Festlichkeit brachte gestern vergangene, bessere Theater¬
Dialogerie, nur aufs Plauschen, nur auf den Schußessell hin
zeiten in Erinnerungt eine Zeit, in der sich nicht um ein bis
ausgebaut, der aber dann auch wirklich gut erdacht ist. Nachbem
zwei Stars lauter Stichwortbringer gruppierten und wo eine
nämlich die kleine frühere Operettendiva dem einstmaligen Ge¬
Schauspielbühne ganz selbstverständlich in der Lage war, ein wert¬
liebten, einem bedeutend werdenden Dichter die Illusionen der
folg
volles Stück in allen seinen Rollen mit ersten Darstellern zu
Liebe geraubt hat — immer plauschend, immer kosend —,
nachdem sie ihm gesagt hat,
chn
besetzen. Heute ist dies nur mehr an wohltätigen Ausnahms¬
e
finde bei ihrem
1
gealterten Mann das „stille Glück“ und der Dichter darauf¬
abenden möglich, wenn sich einmal prominente Darsteller von
hin, knapp getröstet, entfleucht, eilt diese Miniatur=Strindberg¬
drei, vier Wiener Bühnen zusammenfinden. Deshalb erscheint
und
Katze ans Telephon und ruft sich zur Tröstung den allernenesten
wil
auch die kleine Kemödie „Komtesse Mitzie pur mehr selten im
Geliebten heran. Das könnte sich mit einigen wenigen Strichen
Bl
Spielplan, diese zoiste und wohlschmeckendste Frücht von Artur
knapper und schlagender herausbringen lassen. So, wie es jetzt ist,
Schnitzlers edel wienerischer Kunst. Dieser eine Akt, der
W
zerflattern Wort und Geste in schleppender Länge. Frl. Rohde
an dramatischem und menschlichem Gehalt, an Empfindung und
floß schmeichlerisch, verführend und weltweibisch dahin, Herr
Humor schwerer wiegt, als die meisten abendfüllenden Stücke
Karchow zerknüllte, im Schmerz knietief versinkend, seine Lie¬
und der eigentlich der letzte Akt zu zwei vorangegangenen, un¬
800
besträume, Herr Hübner formte den in Erz gegossenen Gro߬
geschriebenen Akten ist, zählt zu den klassischen Einaktern der
industriellen mit einer eisigen Kälte, die in dieser gedehnten
modernen Literatur und wirkt, wenn man ihn heute wieder
1
Zwiesprache zu zerlaufen drohte. Sorgsam glättende Spielleitun¬
sieht, trotz seiner unverminderten Bühnenlebendigkeit, fast schon
gen übten die Herren Robert, Hübner und Großmann.
historisch. Denn hier ist mit meisterhaft einfacher Charakteristik
Bei allen vier Komödien blieb Argend ein Fragezeichen: Was
Abl.
ein Wien ein Oesterreich festgehalten, das es nicht mehr gibt:
wird sich jetzt tun? So war es mir denn nicht verwunderlich,
die aristokratische Welt, die dort am amüsantesten war, wo sie
daß eine etwas ungeübtere, jüngere Theaterbesucherin hinter mir,
Dei
sich zur amüsantesten Seite des Volkes, den Theaterleuten und
die gewohnheitsmößig zu spät kam, bis zur Pause die einzelnen
Ma
den Fiakern, galant herabließ. Wenn man diesem aus halb
Stücke als einzelne Fortsetzungen eines Ganzen betrachtete!
Res
verdecktem Ernst aufsteigenden Komödiendialog zuhört, dann sitzt
Nach der Pause, und nachdem sie das Programm genau durch¬
man in einer halb gerührten, halb erheiterten Faszination da,
studiert hatte, schien sie sichtlich enttäuscht. Ihr war das Frage¬
zeichen auch geblieben!
weit man eine Welt wieder sieht, die, trotz aller ihrer Fehler, den
W
großen Vorzug hatte, daß sie die Welt unserer jungen Jahre
[Frankfurter Konzerte.] Das planlose Nebeneinander¬
den
war. So ergeht's einem bei Schnitzler immer wieder: man fühlt
wirkschaften der verschiedenen Konzertunternehmen bringt es
der
sich wieder jung und erkennt zugleich, daß man es längst nicht
immer wieder mit sich, daß wertvolle und gemeinhin interessierende
lt
Ops
mehr ist.
Und dazu noch ein solches außerordentliches En¬
Darbietungen sich durch zeitliche Kollision gegenseitig ins Hand¬
semble: Willi Thallers unverändert echt gebliebener öster¬
werk pfuschen. So wiederholte sich in den letzten Wochen der Fall,
ru
reichisch=ungarischer Kavalleriegraf, ein Kabinettsstück fein¬
daß ein Abonnementskonzert des Frankfurter Oechester¬
komischer Charakteristik, Frau Rettys kluge und scharmante
Vereins mit einem des Vereins für Theater= und
ge
Komtesse entre deux äges, ein Stück Buegtheaterkunst, ebenso
Musikkultur zusammenfiel. Um den Auskührenhen und der
Aus¬
wie die ironisch durchgeistigte Aristokratenfigur Arnold Korffs,
Vortragsfolge beiderseits gerecht zu werden, mußte der Berichter
Koß
wenn er auch nicht mehr dort spielt. Von reizend jugendlicher
das symphonische Hauptstück des sechsten Montagskonzertes: die von
Frechheit, vielleicht nur etwas zu betont komisch, das
Oscar v. Pander geleitete Darbietung der hemoll=Symphonie
Bürscherl Hermann Thimigs. Sehr herzig, nur nicht ge¬
vor
von Schubert versäumen. Immerhin bot das übrige Programm
wie
nügend kräftig, Frau Mimi Marlow als abdankende Ballett¬
hinlänglich Gelegenheit, die ja im wesentlichen schon feststehenden!
dame und Herr Lackner in zwei, drei Worten und Gebärden
unerhört Wienerisch: jeder Zoll ein Fiaker. Von gestrigem,
W
drastischerem Wienertum ist auch Felix Saltens witziges
als
Lustspiel „Schöne Seelen“ erfüllt, gleichfalls ein historischer Ein¬
1
akter, der nicht veraltet, und dessen Gestalten, Situationen und
Edi
Worte man immer wieder mit großem Vergnügen genießt. Wie
der
liebenswürdig und menschlich geht es in diesem Separee zu, und
Lei
was für nette Leute waren doch die Lebedamen und Kellner von
ang
Anno dazumal. In der einst für die Niese geschriebenen Rolle der
bürgerlich= solid empfindenden Lebedame machte diesmal
der.
Mizzi Günther einen ihrer erfolgreichen Ausflüge ins
Ror
Schauspiel, wo die Künstlerin, der darstellerisch interessanteste
Hai
Operetienstar, sich bereits völlig zu Hause fühlt. Das Vor¬
Bri.
städtisch=Wienerische ist zwar nicht Mizzi Günthers Sache, aber
Ror
dafür spielt sie dieses Separee=Fräulein mit so viel weiblich¬ Else
damenhafter Feinheit und Liebenswürdigkeit, daß man die Ver¬
Frit
liebtheit des Oberkellners vollkommen begreift. Dieser Kellner
Val
ist eine sehenswert heitere Leistung Anton Edthofers, eines
Pri¬
Künstlers,
der merhwürdigerweise gerade während seines
Lon
Berliner Erils zu höchster wienerischer Reise gelangt ist, und
ein
während man von ihm entzücht
über ihn lacht, hat man