II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 277

Kom
21 esse Mizz1 oder der Fani Lientag
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Frankfurter Generalanseiger,
Frankfurt a. M.
0 Ane 4028
matürlich auch lacht, die aber mit Schnitzler nichts mehr zu
Schnißzler im Schauspielhaus.
tun hat. Thoeren als Anatol und Danegger als
Max hatten anfangs den Stil, kamen aber gegen die
Neu einstudiert: „Abschiedssouper“ und „Komtesse Mizzi“. klaute, allzu laute Lustigkeit ihrer Partnerin nicht auf.
„Also spielen wir Theater,
[Es war ein Fehler der Spielleitung, die in den Händen
Spielen unsre eignen Stücke,
[der Frau Sagan lag, das Stückchen in dieser Besetzung
Früh gereift und zart und traurig:
herauszubringen.
Die Komödie unsrer Seele.“
Diese Verse stehen in dem Prolog Hugo von Hof¬
mannsthals zum „Anatol“=Zyklus, und das Wesen der
Die Aufführung der „Komtesse Mizzi“ war wesent¬
Kunst Arthur Schnitzlers läßt sich nicht treffenderslich glücklicher. Dieses leicht satirische Herbststück, das eine
charakterisieren als mit diesen Worten, die Robert Thoerenjenmutig fröhliche Brücke über tiefe Abgründe baut und
gestern sehr fein sprach. „Früh gereift und zartsaußerdem einen Dialog hat, den Schnitzler kein deutscher
und traurig!" Denn das ist der Grundzug aller Dramatiker nachmacht, kam recht erfreulich heraus, hatte
Schnitzlerschen Dramen und Novellen: eine mideeise Lebendigkeit und Stimmung. Dank der ausgezeichneten natur¬
(Trauer. In der Welt Schnitzlers gehört es geradezu zum sichten Leistung Arthur Bauers als Graf Arpad und dank
Wohlbefinden der Menschheit, ein bißchen dekadent zu seinsder feinen und überlegenen Sprechkunst Leontine Sagans.
und auchrhinter dem leisen Lachen die streichelnde Melodie Das war der Stil Schnitzlers. Auch Fritz Odemarstraf
einer milden Schwermut klingen zu hören. Im Sechsachtel-sihn als Fürst Egon, obwohl er an Zurückhaltung vielleicht
takt eines weichen Wiener Walzers lieben diese Menschen sein wenig zu weit ging. Den Philipp gab Robert Thoeren
und leiden und lächeln über sich selbst, über die Komödiejmit lauter, erfrischend eckiger Jugendlichkeit; Aid###
ihrer Seele, die nicht Kraft genug hat, zum wirklichen Lust=[Stuckering konnte man die Wiener Tänzerin nicht recht)
spiel oder — zur Tragödie zu werden. Es ist das Wien der lalauben, und Norbert Schiller übertrieb als Fiaker
neunziger Jahre, das uns mit seiner locker sitzenden Ge=Wasner doch allzu sehr. Im ganzen aber kam dieser
rührtheit und seiner milden Frivolität, mit seinen müd ge¬
„Familientag“ prächtig heraus und fand mit Recht den
wordener Romantik und mit seinen leicht moussierenden
vollen Beifall des Hauses. Daß man die beiden Stücke im
Zynismen grüßt, eine versunkend Welt voll entzückender
Kostüm ihrer Zeit gab, war dankenswert.
Halbtöne, voll schmerzlich gedämpfter Lustigkeit und voll
lächelnden Schmerzes. „Anatol“, der Tragiker der glück¬
lichen Liebe, weiß sehr wohl, was hinter den Gefühlen
Theater der Vergangenheit! Aber man sah mit einer Art
und Gefühlchen steckt, die er sich und den anderen mit ernst¬
wehmütiger Freude durch einen schmalen Spalt in eine Welt,
hafter Lustigkeit vorspielt und die ihm ebenso vorgespielt die nicht mehr die unfrige ist und die vielleicht schöner war
werden. Eine versunkene Welt — schade, daß sie versunken lals die unfrige. Vielleicht? Nein: wahrscheinlich! Denn sie
ist! Denn die füße, leise, anmutige Lüge ist immer noch war weich und zärtlich und auch ihre Trauer barg ein leises,
erträglicher als die brutal bittere Wirklichkeit.
aumutiges Lächeln...
Ubg.
Aus dem „Anatol“=Zyklus ist „die Frage an das Schicksal“
das beste, das „Abschiedssouper“ das meistgespieltef
Stück. Die „Annie“ im „Abschiedssouper“ ist nämlich eie
Rolle. Gestern spielte sie Renée Stobrawa. Sieyist
eine große Künstlerin, aber das kann sie nicht. Ihrer fest
zugreisenden Art liegt dieses Wiener Mädel, das auch im
Champagnerrausch noch immer Charme haben muß das
nie übermäßig laut lacht, nicht. Aber schon gar nicht! Diese
„Annie“ ist in Berlin beheimatel und macht aus der zart
getönten Komödie eine derbe Posse, über die das Publikum: