II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 295

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21. Konte#sez1 oder der Fanilientag

3 (1893 entstand die Dichtung!), da sprach einer mit den Versen Klang und Gewicht Zu geben verstand,iken läßt. Es müßte einem doch Wunder nehmen,
nie gehörten Worten so berückend das letzte iener
seine Rolle aber mit einer schätzbaren Verhalten= wenn solches Theater nicht immer, über alle Kri¬
seltsamen Lebensstimmung aus, welche die Jahr¬
heit umgab. Es war eine sehr vornehme, große sen hinweg, sich durchzusetzen vermöche! Marietta
lhundertwende schmerzlich kannte (und die jeder sen¬
Leistung, die den bewundernswert gestaltungsfähi=] Weber war als „Komtesse Mizzi“ vollendet in
sible Mensch, der junge zumal stets wieder an sich
gen Darsteller von seiner besten Seite zeigte. Grete Wort und Gehaben in der äußern Erscheinung und
erfährt) daß Hofmannsthal sehr lange nur als
Kaiser legte in die Worte der „Mutter“ viel im viven, aber doch von leichter Melancholie um¬
Dichter dieses einen Werkes gekannt war. Man ver¬
schlichte Wärme; es war sehr still im ganzen, dicht
lauerten Spiel. Sie darf diese prächtige Leistung
Isteht es, denn „Tor und Tod“ ist voll der unnenn¬
besetzten Hause, als sie mit ihrer wundervollen Be¬
neben ihre bisherigen Erfolge reihen: man wird sie
baren Schönheiten, die einem nicht mehr lassen,
seeltheit die Bühne erfüllte. — Die „Geliebte“ der
als hervorragende Interpretin dieser reizvollen
wenn man einmal von ihnen berührt wurde. Dieser
Dora v. Seiffert hätte noch um eine Note milder,
Frauengestalt in wachster Erinnerung behalten. —
sehnsuchtsvolle Gesang um ein ungelebtes Leben,
liebevoller sein dürfen, so klar und fein auch im
Und was ein goldiger Mensch ist diese Grete Kai¬
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diese schwermütige Weise vom Hinscheiden eines
ganzen der Künstlerin ihre Szene gelang. — Sig¬
ser! Sie stellt eine österreichische „Lolo Langhuber“
„Toren“, dem weder Gott noch Liebe je offenbar
frit Steiner war ein impetuoser „Freund“, der
hin, die schlechthin einzigartig ist. Alles ist in die¬
wurde und der erst im visionären Saitenspiel des
seine Rolle mit gedämpfter Leidenschaft und schar¬
sem zur Bürgerlichkeit bekehrten Balletthaserl und
Todes den Sinn seines Seins zu ahnen beginnt,
fer Präzision zeichnete. Als „Diener“ amtete Lud¬
Grafen=Gspuserl von einst: die warme Natürlichkeit
diese ganze Melodie voll namenloser verzehrender
wig Weber.
der Frau „von unten“, die wienerische Liebens¬
Sehnsüchte — dies alles ist einmalig und herrlich.
würdigkeit einer Vollblütigen, der lächelnd be¬
Die Wiedergabe des viel gelesenen, aber selten
In einer warm getönten, den ganzen Hofmanns¬
kämpfte Schmerz um eine entschwindende, geliebte
gehörten Spiels fand ergriffene und von Schönheit
thalschen Stimmungsgehalt fein untermalenden Auf¬
Welt. Man konnte sich nicht satt sehen und hören
gefangene Zuhörer. Sie dankten mit herzlichem
führung adelte dieser Tor und Tod“ unsern Li¬
an dieser ganz von Leben und Charme umspielten
Beifall für diese im wirklichen Sinne „literarische“
terarischen Zyklus“ wieder einmal zu einem Thea¬
„Lolo“. — Prachtvoll auch Emil Mamelok als
Tat unseres Theaters. Auf die Stimmung der ver¬
terabend der tiefen Werte. Emil Mamelok lei¬
Graf Arpad“, fertig durchgeführt die ganze Dar¬
zichtenden Weltmüdigkeit, die aus Hofmannsthal in
tete das Spiel mit schönstem Verständnis. Er schuf
stellung bis ins Detail, köstlich in jeder einzigen
schmerzlicher Schönheit erblüht war, folgte iene des
einen Rahmen in dem dieses stille Drama um die
Nuance. Das war die Zeichnung eines Menschen,
kapriziösen Tändelns mit den menschlichen „Affären“
Tragheit des Herzens“ zur sehr gemäßen Wirkung
wie sie sicherer und humorvoller auf keiner bedeu¬
dieses Lebens wie Schnitzler sie in ungezählten
kommen konnte; der Innenraum und die Kostümie¬
tenden Bühne
zeigt würde. — Auch Sigfrit“
seiner Novellen und Einakter immer wieder auf¬
rung der Darsteller ließen jene Impression von
Steiner fand yochst ansprechend den leichten Ton
kommen läßt. Aber auch sie so spielerisch und
Gepflegtheit und Stil und leichter Uebersättigung
des wienerischen Wesens; er sprach so gütig und
schwerelos sie ist, wird angerührt vom Wissen um
fühlbar werden, die sich wohl richtigerweise mit
liebenswürdig, daß er alle Sympathien in kurzem
das Altern, den Verzicht und einen mit Lächeln
dieser Dichtung verbindet. Sergius Sax war aller¬
für sich hatte. Erfreulich zu sehen, wie ernst dieser
bespotteten Tod. „Komtesse Mizzi“ ist voll
dings
nicht der „Claudio“, den wir uns ge¬
Darsteller an jede seiner Rollen herangeht — auch
von dieser echten Schnitzler=Luft, vom feinen Lebens¬
wünscht hätten. Er spielte seinen Part viel zu sehr
wenn als Resultat etwas so Amüsantes und Hei¬
stil österreichischer Menschen, von ihrem Sinn für
vom Kopfe her, nicht aus der lässigen Feinnervig¬
teres herauskommen soll wie bei diesem „Fürsten
heitere und schöne Dinge und von ihrer ahnungs¬
keit eines frühe müd Gewordenen, nicht aus dem
Rauenstein“. — Daß Rainer Litten den kleinen
vollen Verspieltheit von ihrer Sehnsucht, selbst aus
wehen Gesühl eines vom Leben nie Erfüllten. „Ganz
Frechling „Philipp“ überaus versiert und mit be¬
der „Liebelei“ noch Liebe und Geborgenheit und
vergessener Völker Müdigkeiten kann ich nicht ab¬
zwingendem Lächeln spielen würde, konnte man
ergreifendes Erleben werden zu lassen. Ein bezau¬
tun von meinen Lidern“ — dies müßte spürbar
eigentlich annehmen. Es war eine Leistung, die er¬
berndes kleines Werk, voll Anmut und Esprit. Man
werden aus dem Spiele Claudios. Und die Verse
neut deutlich werden ließ, wie ungebührlich lange
wird ganz gelockert und froh davor — und auch ein
Hofmannsthals müßten zu einer einzigen wehmüti¬
ein wirklich Junger“ auf unserer Bühne gefehlt
klein wenig nachdenklich.
gen Melodie werden. Jedes Wort, jeder Klang,
hat. Rainer Litten schafft aus seinen paar leicht¬
Es kam in einer ganz meisterlichen Wiedergabe
jede kleine Gebärde sollte ganze Welten der Abkehr
hienigen Sätzen ein kleines Kabinettstück. Sergius
zur Aufführung. Emil Mamelok verstand als
und Resignation in sich schließen. Dies blieb uns
Sax und Gustav Rothe=Carey, beide wohl
Spielleiter den Ton unnachahmlich gut zu treffen.
Sax schuldig, behindert teilweise durch sein nicht sehr
etwas verunglückt in der Maske, waren mit Anstand
Wir müssen ihm ein sehr vernehmliches Bravo
günstiges Organ und sein stets unzuverlässiges Ge¬
mit im Spiel, ebenso Gustav Stelzer und Adolf
sagen für solch eine ausgefeilte nirgends aufdring¬
dächtnis. mehr aber noch durch einen schwer begreif¬
Raden.
liche, aber bis ins letzte „richtige" Regieleistung.
baren Verzicht, wirklich bis in die letzten Tiefen
Die treue Gemeinde des „Literarischen Zyklus“
Schnitzler hätte nicht wahrer und eindrücklicher
dieser Dichtung und ihrer gedanklichen wie sprach¬
und eine erfreulich große Zahl von „Zuzügern“
lebendig gemacht werden können.
lichen Herrlichkeiten vorzustoßen. Neben dieser wich¬
folgte mit angeregtem Vergnügen auch diesem Spiel,
tigen Hauptgestalt mit der die Bühnenmöglichkeit
Und wie beglückend diese feine Komödie hinge¬
das zu volendeter Wirkung kam. Reicher Beifall
dieses Spiel unlösbar verkoppelt ist, stand der sehr
spielt wurde! Das war gepflegtes Ensemblespiel, lohnte eine Aufführung, die sich zu den feinsten der
nklar umrissene „Tod“ Friedrich Carlmayrs, der lwic es sich gerundeter und harmonischer schwer den= letzten Zeit zählen darf.