II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 298

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Adresse:
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Date:
19.1. 35
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1Narren, einen „Stiefvater seines eigenen Wesens“,
Aber sihon zur Zeit, als Hofmannsthal den Toren]
„Der Tor und der Tod“ undder eben diesen Weg ins Leben sich verriegelte. Clau= schrich, stieg ihm eine neue, frische Erkenntnis auf,
dio und mit ihm der Dichter irrten von jedem schma= und er gewann, aus seinen Zweifeln sich befreiend,
„Komtesse Mizzi“
die Ueberzeugung, daß man sein „Ich“ erst dann er¬
len Pfade zur Wirklichkeit ab, weil sie es nicht wag¬
Zur zweiten Vorstellung des Literarischen Zyklus
ringe, wenn man das Schicksal dieser Welt auf sich
ten, sich den Winden diesei Welt auszusetzen, und
im Stadtthealer am Montag.
nehme und heraustrete aus dem Banne dieser „Vor¬
fürchteten, daß in diesen Stürmen ihr eigenes We¬
(Nachfolgenden Aufsatz hat Hr. Kuno Müller, als
existenz“ in den Wirkungskreis irdischen Lebens. Daß
sen zerflattere und verloren gehe. Sie wagten nicht,
Kenner der neuern österreichischen Literatur, auf Ver¬
man auch dann noch „Figur“ in den Händen eines
sich selbst aufs Spiel zu setzen und die erweckten Lei¬
anlassung des Stadttheaters der Presse in liebens¬
höhern Regenten bliebe und im Großen Welttheater
denschaften zu erwidern, und so stand der Tor, zö¬
P. Sch.
würdiger Weise zur Verfügung gestellt.)
gernd und beherrscht, bis der Tod nach den gepfleg¬
nur seine zugeteilte Rolle spielte, das verleugnete
Oft werden (nach Jos. Nadlers Prägung) „Liebe —
Hofmannsthal auch später nie.
ten Händen griff, und das feine Lächeln erstarb in
Tod — Theater“ als die Kennworte österreichischer
der Erkenntnis des eigenen Torentums.
Art und Kunst erklärt. Auch hier erscheinen auf der
In spätern Jahren hat sich Hofmannsthal immer
Wie ein Walzer nach einer Sonate, wie das
Bühne der Tod und die Liebe einträchtig und brü¬
wieder gedanklich mit diesem jugendlichen Zaudern
Satirspiel nach einer Tragödie, wie das Zeichen des
derlich verwandt und wollen wie das Theater selbst,
vor dem Tor des Lebens befaßt und des Jünglings
Erdgeistes spricht Schnitzler=dagegen auf uns ein.
nichts anderes bedeuten als schimmernde Wellen und
Zweifel weltanschaulich umschrieben. In jenen Jah¬
Da plauderttundschwaße die Menschen durchein¬
wechselnde Namen des ewig einen, fließenden Lebens.
ren war der Dichter tief ergriffen von der Vorstel¬
ander, und keiner scheint zu zweifeln, daß nun jeder
Zwei Dichter, die sich kaum verwandt erscheinen,
lung einer großen Allverbundenheit der Menschen
sich selbst das Wichtigste in dieser Welt bedeute. Hier
erheben ihre anfänglich widersprechende Rede und
und Dinge. Er mißtraute der Welt der Einzel¬
zaudert keiner, sich ins rauschende, lockende Leben
Gegenrede, und je länger man den zarten, östersei¬
erscheinungen und sah die Wesen allerorts grenzen¬
zu stürzen. Hier knausert keiner mit dem Einsatz.
chisch gedämpften Worten lauscht umso ähnlicher
Frisch und fröhlich ziehen sie alle in den Liebeskrieg,
los überfließend und sich verwebend. Die Figuren
werden sie sich, umso tiefer versteht der Hörer, daß
jeder hat seine Erlebnisse und seine Glücksfälle, nur
seiner Werke sprachen alle diese Gefühle aus, und
Hofmannsthal und Schnitzler sich in ihrem Leben
der Stubenhocker nicht.
sie wirkten in diesem Zwielicht nicht wie menschliche
sehr geliebt und wohl verstanden haben und daß auf
Aber auch ein Walzer kann schwermütig stimmen“
Gestalten, sondern eher wie Schemen und Erschei¬
ihr Geheiß der Anblick des Todes auf den Lippen
nungen durch die das Schicksal wie ein großer Wind
und die anfangs heitern Takte werden auch bei
des „Toren“ und auf dem schönen Mund der Kom¬
Schnitzler ernster und verhaltener. Die fröhlichen
wehte, sie ballend und zerreißend je nach Lust. Hof¬
tesse Mizzi das gleiche verzichtende Lächeln erweckt.
Paare erkennen, daß Frau Welt ihre Gaben nicht
mannsthal schuf daher nicht plastische Standbilder
Hofmannsthal schrieb sein lyrisches Drama als
verschleudert, daß ihre Huld zuletzt gar teuer bezahlt
wie für ein klassisches Drama, nein, eher Bilder wie
Neunzehnjähriger und schlug damals so seltene und
wird und daß die Schöne seltsam strenge Rechnung
für einen gewebten Teppich, durch die kommend und
überraschende Klänge an, daß er der Welt noch im¬
führt. Und wenn sie sich auch noch so ausgelassen
gehend die Fäden schlugen, Gestalten, die keiner her¬
mer als der Dichter des „Tors“ in Erinnerung blieb,
gebärden, alle diese Paare des Reigens sie wissen
In
ausschneiden konnte, ohne daß sie zerfaserten.
als seine Entwicklung längst andere Wege genom¬
schon alle um das Ende un dumarmen sich vielleicht
den
dieser Stimmung glaubte Hofmannsthal sich
men hatte. Damals hörte die Jugend vor allem den
nur deshalb so sehnsüchtig, weil draußen schon der ##
ewigen Mächten nahe verbunden und was er fürch¬
schwermütig tönenden Geigenstrich einer müden To¬
Tod umgeht und das Scheiden. O, es ist immer mehr
tete, wenn er sich den Kräften des Diesseits ergäbe,
dessehnsucht und zurückhaltenden Weltablehnung und
suchen als Finden. Und wenn der ewige Zusprecher
war der unwiderbringliche Verlust dieser gehüteten
verkannte, daß der Dichter nicht zuerst dem schönen
seine letzten Worte sagt und der Vorhang niedersaust,
Allverbundenheit, aus der ihm alle Inspiration floß.
Tod ein Loblied sang, sondern mit schmerzlichem
dann stehen die sentimentalen Mädchen und die fri¬
Werke christlicher Neuplatonik und die resignierten
Mühen den seltsam versperrten Weg ins Leben
suchte. Hofmannsthal pries Claudio, den Verschlos= Stellen aus Goethes Faust umschmeichelten ihm Ohr] volen Herren alle sehr bestürzt auf den Brettern des
eeren Theaters und möchten weinen, als hörten sie
jenen, nicht als Helden, sondern schalt ihn einen und Sinn.