II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 301

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amilientag
Kontesse Mizzj oder der
21.—
Nr. 38, 12. V. 1936
JUDISCHE RUNDSCPAU
wird, scheint mir, immer noch
r etwa nicht, ihr Herren
Sdmitzier im
Kukturbund
Auch das haben die Gemeinde¬
versucht, genutzt hat es gar
der Zunge schlagen wollt, so
rische Revolution in Berlin hatte kailm den Sieg des Naturalis¬
Es ist das dritte Mal, daß Arthur Schnitzlers reiche
schärfer, als die unsere. Hier,
mus entschieden, die Bühne mit Proletariernet und Elends¬
Hinterlassenschaft herbeigezogen wird, um einen Abend des
iemeinde Smyrna gesandt. Sie
malerei erfüllt, als schon diese mit reichen väterlichen Wech¬
Kulturbundes auszufüllen, und man hat meiner Meinung nach
hon ins Gefängnis geworfen
sein ausgestatteten Anatols auftraten, denen das Leben durch
nicht immer das richtigste herausgegriffen, dagegen ihn ein¬
raue sich nicht, ihm ernsthaft
mal übersehen, da er als der Mann des Augenblicks gerade
die Finger glitt, weil es ihnen zu leicht gemacht war. Schnitz¬
sein Kerker hat sich in eine
vor der Tür zu stehen schien. Statt auf Molières „Gelehrte
Wler war der größte Verführer aus dieser Dekadenz, die in
zu dem die Juden aus allen
Frauen“ sehr verbindungslos die Goetheschen „Geschw###fer
Wahrheit eine neue Romantik bedeutete; er hat die besten
esströmen, um seine Zelle zu
„Franzosen schon auf dem Gebiet des Dialogs, das ihnen vor¬
nzu überhäufen.
behalten schien, erreicht und übertroffen. Dieses Abschied¬
souper, der ausgelassenste von den Anatol-Dialogen, ist im
im Himmel! Was ist da zu tun?)

Grunde eine peinliche Angelegenheit, wenn da Jüngling und
esseres Mittel. „Was beherrscht
Mädchen streiten, wer den anderen zuerst betrogen hat, wobei
Vier-Länder-Synode sollte sofort
der Kavalier keine sehr ritterliche Rolle spielt. Aber Fritz
alle ihre Gemeinden, und das
Wisten, obgleich für den jungen Lebemann etwas zu reif,
nen Vertrauensmann an den
gibt ihm das Gewinnende einer entschuldigenden Dummheit,
wird dann alles tun, was wir
und der Verstand, den er bei seinem Freund und Dialog¬
partner Max aufgehoben hat, wird ihm von Martin Brandt
in einer recht sympathischen Figur beigegeben. Die Rolle
ihr ihm beikommen? Torheit!
der Annie ist bei Otto Brahm von Irene Triesch kreiert
bst schon eine Art jüdischen
worden. Jenny Bernstein-Schaffer wurde ihr eine
Geld strotzt, daß er das ganze
sehr würdige Nachfolgerin; unter der Leitung von Fritz
Wisten, der die Szene in einem vergnügten Schwung hielt,
lem Sultan, seinen Ministern,
alles!!
schien sie von aller Starrheit befreit, sehr liebenswürdig, sehr
unternehmend und mit dem Schuß Banalität, den die Figur
ar kein Mittel
eines etwas derberen süßen Mädchens verlangt. Ich habe
heute nicht viel Appetit auf Stücke, in denen Sekt und
Wie? Was? Sprecht doch, Ehr¬
Austern serviert werden müssen, aber das Publikum ließ

ser, sprecht!)
es sich wohl schmecken und war noch besonders entzückt,

wenn Annie bei dem letzten Abschied und den allerletzten
über ihn verhängen!
Injurien noch die Schüssel mit Creme ausleckte. Das Theater
rgießen, Lipman Oser!
hat nun einmal sein Eigenrecht, das des Augenblicks. Was
Ausrottung, Reb Levi!
die Zukunft anbelangt und besonders das Schauspiel des
Komtesse Mizzi; von links nach rechts: Lolo Lunghuber
Kulturbunds, so wird Fritz Wisten, ein Regisseur, den nament¬
(Lillp Kann) — Mizzi (Jennp Bernstein-Schaffer)
— Graf
bst verboten: „Du sollst nicht
lich die Jugend braucht, die durch den Verlust von Dr. Jeßner
Arpad Puzmandp (Arthur Levin)
Philipp (José Ernesto
Leup) — Fürst Edop Rauenstein (Fritz Wisten)
elbst befohlen: „Du sollst aus¬
aus seinem Volke!“ — Wenn
zu setzen, hätte man damals seinen Einakter „Literatur“ ein¬
uchert, was tut sein Besitzer,
setzen sollen, und das Publikum hätte sich damit vergnügen
ben ersticken? Rabotai! Es ist
können, die Behandlung eines sehr ähnlichen Stoffes zu ver¬
roden! Hatte das Synhedrion
gleichen, wie sie sich sehr unterschiedlich aus dem Paris des
gen und Tod? Nun, der Vier¬
Barock und einige Jahrhunderte später aus dem Wien der
t dasselbe, was das Synhedrion
Dekadenz ergeben hat.
Diesmal gab es eine einaktige Komödie und einen Dialog
hmeine, Reb Lipman Oser.
aus der frühen Sammlung „Anatol“, der Lustspiel genannt
wurde und der noch eher die Bezeichnung Schwank verdient
ache sein!
hätte. Das eine ist ein Ding zum Lächeln mit einiger Gelegen¬
heit zum Lachen, das andere mit einiger Gelegenheit zum
bst): Und wenn und wenn
Lächeln eine offene Aufforderung zum Lachen, wovon auch
ist?
21

herzhaft Gebrauch gemacht wurde. Wir könnesi also eine halbe
1 Gottes willen! Was sagt Reb
Stunde unbedenklich lustig sein.
as gehört?)
Arthur Schnitzler ist gleich Hofmannsthal und Beer-Hof¬
Wir verbieten Euer Ehrwürden,
mann, der dann den Weg zum Zionismus#fand, aus sehr
bequemen oder sicheren Lebensverhältnissen hervorgegangen;
b der Kuh nachläuft, geschicht
es geschah in Wien wie hundert Jahre früher in Berlin, zur
m Euter wittert? Wenn Israel
Zeit der Felix Mendelssohn und Meyerbeer, der Michael
Beer und Ludwig Robert, daß das Judentum in stark einge¬
pflanzten und schon patrizisch gewordenen Familien eine
n! Was ist Euch in den Kopf
fruchtbare Mischung von Besitz und Talent hervorbrachte.
lach ist noch nicht gekommen.
Abschiedssouper; von links nach rechts: Mur (Martin Brandt)
Alle diese Dichter sind leidenschaftliche Wiener gewesen und
Annie (Jennp Schaffer-Bernstein) — Anatol (Fritz Wisten)
hen seiner Zeit haben schon¬
ebenso sehr Altösterreicher geworden. Schnitzler selbst hat
mit der Hand.) Ich sehe die
Fotos: J. Abraham
sich nur zweimal mit Problemen des Juden¬
Wäldern .. und auf den
tums beschäftigt, einmal mit dem großen Roman, durch den
entstanden Lücke ohne weiteres ausfüllen können, mit dem
in den Flußläufen ... auf
er keinen Weg ins Freie“ fand, dann durch den „Professor
ienn sein, daß es keine Barm¬
Vorbehalt allerdligs, daß die schauspielerische Tätigkeit die¬
Bernhardi“, der als eine sehr männliche, besonders frauen¬
daß der Himmel nicht ant¬
ses ergiebigen zund erfahrenen Darstellers keine Verkümme¬
lose Satire vielleicht zäher leben wird als alle die Stücke,
Arthur Eloesser
rung erfährt.
die er seiner Hauptentdeckung, den Wiener süßen Mädels
und nichts wird ge¬
und anderen Liebeleien gewidmet hat.
Diese „Komteß Mizzi“ hat Schnitzler mit fünfund¬
rklich, Reb Nehemia, daß aus¬
Stuart Webbs’ letzte Rolle. Aus Prag wird uns geschrie¬
vierzig Jahren herausgegeben, also in einem Lebensalter, in
t des Moschiach sind —
ben: Es wußte zuerst niemand davon. Bis die Lokalredakteure
dem der moderne Dramatiker nach einem verhängnisvollen
Jener?
der Prager Zeitungen unter den Dutzenden von Todesfällen
Gesetz den ersten frischen Impetus verloren hat, ohne ihn im
der offiziellen Polizeikorrespondenz den Namen Ernst Rei¬
Umgang mit der Bühne gegen eine gesteigerté Sicherheit ein¬
chiach ist, sagt, warum zweifle
cher herausfischten, den man in einem Hotel in der Altstadt
zutauschen. Dieser Dichter war eine Ausnahme; er hatte das
weichste Handgelenk und erhielt sich am längsten die Fähig¬
tot aufgefunden hatte. In einem kleinen, engen Zimmerchen,
erste Zeichen für den wahren
ein sind in die¬
keit, überhaupt Stücke fertigzumachen. Wi.
an einer Straße gelegen, die weit ab von den Bahnen des
aß alle an ihn glauben, daß
sem nicht umfangreichen Gewebe verschiederte Schicksale zu¬
Ruhmes war. Die Träger, die den Toten im „Institut für
sammengefädelt, die vielleicht nur den einensNachteil haben,
gerichtliche Medizin“ aufbahrten, wußten nicht, wen sie da
o schweigt doch!! ... Wie gut
daß sie uns so von Herzen nichts mehr argehen. An die¬
auf den kalten Seziertisch legten. Aber die ganze große
Wahrheit so sonnenklar vor
sem Familientag, wie der Untertitel ironisch sagt, nimmt der
Schar der Kinobesucher wird sich an diesen Mann erinnern,
hemia! Was soll Nehemia tun,
„Graf“ von seiner bis dahin treuen Liebsten Abschied, einem
der sie in der Jugend begeistert hatte. Den Namen Ernst
vischen Glauben und Zweifel
solider gewordenen süßen Mädel, das sich wiederum einen
Reicher kennen nur wenige, aber der Name Stuart
jener der Moschiach ist
Fiaker als treuen Gefährten für einen gesetzten Lebensnach¬
Webbs ist schon eher geläufig. Er war der erste Held
dann? Und wenn er nur ein
mittag vorstellt. Der „Fürst“ stellt dem alten gräflichen Freund
deutscher Detektivfilme und Ernst Reicher war sein Dar¬