20. Zuischenspiel
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JOBSERVEN
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin. Budapest. Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
Lendon, Madrid. Mailand, Minneapolis, New-Vork, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm. St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Sesent u Hontags-Kovue Wion
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vom:
Der Schleier der Frozzelei.
Am letzken Dienstag fand im Burgtheater der erste
Premierenapend statt. Zwei Werke französischer Autoren gingen
n Szeue“ „Der=Schleier des Glücks“von Clemenceau und
„Das Rätset“ von Hervien. Mein Kollege mit dem kritischen
Richtschwert hat den Einakter und Zweiikter vorgenommen.
Was mich an dieser Stelle veranlaßt, eine Angelegenheit des
Theaters zu diskutieren, ist der sonderbare Ukas der Hof¬
heaterbehörde, der am Tage nach den genannten Erstauffüh¬
rungen in die Oeffentlichkeit hinausdrang. Für außer¬
ordentliche Vorstellungen in den Hoftheatern sollen
fünftig alle Sitzkategorien eine Preiserhöhung erfahren,
ilso auch die Galeriesitze, an die bisher der Großsäckelbewahrer
nicht rührte. Diese Entscheidung wirbelte im Publikum Staub
auf und die Tagespresse übte Kritik an der Ordre aus der
Kabinettskanzlei des Freiherrn von Plappart. Ich werde des¬
Halb hier die anderweitig vorgebrachten Argumente gegen diese
„Verteuerung des Kunstgenusses“ nicht wiederholen, schon
deshalb nicht, weil ich die meisten Premierenveranstaltungen
des Herrn Direktors Schleuther nicht als erlesene Kunst¬
genüsse zu erkennen vermag. Ich bin von der gegenwärtigen
Leitung des Burgtheaters gegen Uieberraschungen abgestumpft
worden und deshalb setzte mich auch der „Friede“ nicht in
Erstaunen, den Direktor Schleuther mit Arthur Schnitzler
und der ganzen, lange schnoddrig behandelten „Heimatskunst“
abzuschließen für gut befand. Einigermaßen verwundert bin
ich doch. Der Direktor des Burgtheaters überläßt der Gene¬
ralintendanz der Hoftheater die Entscheidung über die Klassi¬
fikation der Novitäten und des ganzen Repertoires. So
wie es Droschken „erster" und „zweiter Güte“ gibt, sollten
künftig „außerordentliche" und „gewöhnliche" Vorstellungen
existieren und der Theaterzettel wird das p. t. Publikum
von dieser hochobrigkeitlichen Aichung eines Poetenwerkes in
Kenntnis setzen. Eine neue Bevormundung in Geschmack¬
sachen und literarischen Dingen. Ich bin sehr neugierig, welche
Note Schleuthers Busenfreund Gerhard Hauptmann von der
behördlichen Punzierungsstation der Dichter bekommen wird.
Der Autor der „Rose Bernd“ ist bei der löblichen Sitten¬
kommission schlecht angeschrieben, die möglicherweise Gustav
Davis, Schönthan, Mosere tutti quanti höher bewertet als
die Stürmer und Dränger, die Probleme auf die Bühne
bringen, gefährlich für Komtessenohren oder unangenehm für
Exzellenzuerven. Schon am letzten Dienstag merkte man den
intendanzlichen Stempel. Clemenceau und Hervien wurden zu
gewöhnlichen Preisen aufgeführt. Ich greife dem Kritiker der
„Montags=Revue“ nicht vor, doch darin glaube ich der Zustim¬
mung meines Kollegen sicher zu sein, wenn ich der Hoftheater¬
behörde das Recht abspreche, Unterscheidungen zwischen den Dich¬
tern, die ihre Werke dem Burgtheater übergeben, vorzunehmen
und vor der Premiere ein Urteil gewissermaßen vor den Augen
der Wiener auf dem Theaterzettel zu affichieren. Darin liegt
eine Ungehörigkeit, eine Anmaßung, zu deren Abwehr Direktor
Schleuther in allererster Reihen berufen gewesen wäre.
In der Hofoper soll dasselbe Verfahren zur Anwendung
kommen. Dort liegen jedoch die Sachen anders, dort waltet
eine Persönlichkeit ihres Amtes, die jede Einmischung zurück¬
weist und die bis hoch hinauf den Mut findet, ihre Ueber¬
zeugung zu vertreten. Mahler würde es nicht dulden, daß
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I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin. Budapest. Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
Lendon, Madrid. Mailand, Minneapolis, New-Vork, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm. St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Sesent u Hontags-Kovue Wion
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vom:
Der Schleier der Frozzelei.
Am letzken Dienstag fand im Burgtheater der erste
Premierenapend statt. Zwei Werke französischer Autoren gingen
n Szeue“ „Der=Schleier des Glücks“von Clemenceau und
„Das Rätset“ von Hervien. Mein Kollege mit dem kritischen
Richtschwert hat den Einakter und Zweiikter vorgenommen.
Was mich an dieser Stelle veranlaßt, eine Angelegenheit des
Theaters zu diskutieren, ist der sonderbare Ukas der Hof¬
heaterbehörde, der am Tage nach den genannten Erstauffüh¬
rungen in die Oeffentlichkeit hinausdrang. Für außer¬
ordentliche Vorstellungen in den Hoftheatern sollen
fünftig alle Sitzkategorien eine Preiserhöhung erfahren,
ilso auch die Galeriesitze, an die bisher der Großsäckelbewahrer
nicht rührte. Diese Entscheidung wirbelte im Publikum Staub
auf und die Tagespresse übte Kritik an der Ordre aus der
Kabinettskanzlei des Freiherrn von Plappart. Ich werde des¬
Halb hier die anderweitig vorgebrachten Argumente gegen diese
„Verteuerung des Kunstgenusses“ nicht wiederholen, schon
deshalb nicht, weil ich die meisten Premierenveranstaltungen
des Herrn Direktors Schleuther nicht als erlesene Kunst¬
genüsse zu erkennen vermag. Ich bin von der gegenwärtigen
Leitung des Burgtheaters gegen Uieberraschungen abgestumpft
worden und deshalb setzte mich auch der „Friede“ nicht in
Erstaunen, den Direktor Schleuther mit Arthur Schnitzler
und der ganzen, lange schnoddrig behandelten „Heimatskunst“
abzuschließen für gut befand. Einigermaßen verwundert bin
ich doch. Der Direktor des Burgtheaters überläßt der Gene¬
ralintendanz der Hoftheater die Entscheidung über die Klassi¬
fikation der Novitäten und des ganzen Repertoires. So
wie es Droschken „erster" und „zweiter Güte“ gibt, sollten
künftig „außerordentliche" und „gewöhnliche" Vorstellungen
existieren und der Theaterzettel wird das p. t. Publikum
von dieser hochobrigkeitlichen Aichung eines Poetenwerkes in
Kenntnis setzen. Eine neue Bevormundung in Geschmack¬
sachen und literarischen Dingen. Ich bin sehr neugierig, welche
Note Schleuthers Busenfreund Gerhard Hauptmann von der
behördlichen Punzierungsstation der Dichter bekommen wird.
Der Autor der „Rose Bernd“ ist bei der löblichen Sitten¬
kommission schlecht angeschrieben, die möglicherweise Gustav
Davis, Schönthan, Mosere tutti quanti höher bewertet als
die Stürmer und Dränger, die Probleme auf die Bühne
bringen, gefährlich für Komtessenohren oder unangenehm für
Exzellenzuerven. Schon am letzten Dienstag merkte man den
intendanzlichen Stempel. Clemenceau und Hervien wurden zu
gewöhnlichen Preisen aufgeführt. Ich greife dem Kritiker der
„Montags=Revue“ nicht vor, doch darin glaube ich der Zustim¬
mung meines Kollegen sicher zu sein, wenn ich der Hoftheater¬
behörde das Recht abspreche, Unterscheidungen zwischen den Dich¬
tern, die ihre Werke dem Burgtheater übergeben, vorzunehmen
und vor der Premiere ein Urteil gewissermaßen vor den Augen
der Wiener auf dem Theaterzettel zu affichieren. Darin liegt
eine Ungehörigkeit, eine Anmaßung, zu deren Abwehr Direktor
Schleuther in allererster Reihen berufen gewesen wäre.
In der Hofoper soll dasselbe Verfahren zur Anwendung
kommen. Dort liegen jedoch die Sachen anders, dort waltet
eine Persönlichkeit ihres Amtes, die jede Einmischung zurück¬
weist und die bis hoch hinauf den Mut findet, ihre Ueber¬
zeugung zu vertreten. Mahler würde es nicht dulden, daß
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