20. Zwischenspiel box 25/1
Schnrietr den Gemeis deaster deeen seeenen
„aus der Wiesenanmut seines holden Plauderns in das Didlicht
psychologischer Erörterungen“ begeben darf. In der dreiaktigen
Komödie, die gestern im Burgtheater zum erstenmale aufge¬
führt wurde, wollte ihm dies nicht recht glücken. Nicht etwa
—
deswegen, weil das Dickicht, in das er diesmal hineingeraten,
einfach unbezwingbat gewesen — an das Problem, das er
sich zum Vorwurf gewählt, haben sich ja vor ihm schon viele
mit größerem oder kleinerem Erfolg herangewagt — sondern
weil er sich gleich den Helden seines Zwischenspieles zu viel¬
oder — zu wenig zugetraut hat. Zu viel, um mit einer hurm¬
losen, unprätentiösen Komödie auszukommen, zu wenig, um
ein psychologisches Schauspiel, in dem wirkliche, lebende
Menschen agieren, auf die Bühne zu bringen. So kam es
denn, daß man vor lauter Psychologie nicht recht dazu kam,
die Menschen zu sehen. Und es ist schade darum, denn es sind
wirklich sehr interessante, unglaublich intelligente Menschen,
mit denen bekannt zu werden man leider keine Gelegenheit
findet. Kapellmeister Amadeus Amans hat zweifellos Recht,
wenn er seine Gattin Cäcilie mit den Worten apostrophiert:
„Du sprichst gewöhnlich äußerst klug.“ Gewiß, sie spricht äußerst
klug, ihr Gatte spricht zuweilen noch klüger, und Albertus
Rhon spricht sogar superklug. Zeitweilig wird man von all
diesen klugen Reden so betäubt, daß man gern vor irgend
eine der handelnden Personen hintreten möchte, um ihr den
Rat zu geben: „Etwas weniger Vorsicht, nur nicht gar so
peinlich die Worte abwägen. Was du da sprichst, das muß
dir ein Dichter eingesagt haben, der aus dem psychologischen
Labyrinth, das er betreten, nicht herauskann.“ Jede einzelne
dieser Personen — ein ausgeklügelt' Buch, aber beileibe nicht
ein Mensch mit seinem Widerspruch. — Erster Akt: Das
Ehepaar Adams macht eines schönen Tages — es geschieht
dies em siebenten Ehejahre — die Wahrnehmung: „es ist
nicht mehr, wie es war“. Sie kommen überein, einfach als
Kayleraden weiter miteinander zu leben. Eine Freundschaft
zwischen Mann und Weib, die zufällig ein Ehepaar bilden,
Jsder der Kontrahenten des neuen Vertrages hat vollkommene
Freiheit. Geheimnisse darf es in Hinkunft zwischen ihnen nicht
geben. Zweiter Akt: Man genießt die Freiheit. Er wird un¬
streu, sie begnügte sich mit einem harmlosen Flirt. Dabei findet
sie — obwohl sie als Bühnenkünstlerin in Berlin unerhörte
Triumphe feiert — alltäglich Zeit, seitenlange Briefe an ihn
zu schreiben. Rascher als er geglaubt haben mag, sehnt er sie
wieder herbei und als sie wiederkommt, da lodert in ihm
nach einer gründlichen Aussprache die alte Leidenschaft wieder
auf. Sie finden sich wieder — für Stunden. Dritter Akt:
Alles scheint sich anfangs zum besten zu wenden. Er über¬
zeugt sich auf Grund eines Gespräches mit jenem Manne, den
er für den Geliebten seiner Frau gehalten, daß — nur er
seine Freiheit ausgekostet.. . Und schon ist Freund Albertus,
der Dichter, bereit, einen glücklichen Ausgang zu prophezeien.
Doch der kurze Traum ist bald zu Ende. In ihr leuchtet die
Erkenntnis auf: „Wir sind einander so viel gewesen, daß wir
die Erinnerung daran erhalten müssen.“ Ob diese letzte Nacht,
in der sie das Fest der Liebe gefeiert, bloß ein Abenteuer
oder ein Abschied war? Wer weiß es? Vielleicht finden sie
sich wieder, vielleicht auch nicht ... So scheiden denn die
beiden Menschen mit zerwühltem Herzen von einander, die
durch ein Spiel ihr eigenes Glück verzettelt und vergeudet
haben. On ne badine pas avec amour. Man tut es selbst
dann nicht ungestraft, wenn man sich durch siebenjähriges Ver¬
weilen im sicheren Hafen der Ehe gegen alle Gefahren eines
kecken psychologischen Experiments geseit glaubt. Das Ereignis
des gestrigen Abends war: Kainz als Kapellmeister Adams.
Wie er mit souveräner Verachtung aller Mätzchen und Virtuosen¬
kniffe trotz alle= und alledem einen wirklichen Menschen auf
die Bühne stellte, wie er mit geniahr Gemütswucht das Un¬
wahrscheinlichste möglich machte, überzeugte, wo vielleicht die
Kraft jedes anderen versagt hätte, das könnte nur in lauter
Superlativen der Bewunderung und Anerkennung zum Aus¬
druck gebracht werden. Eine kräftige Unterstützung fand sowohl
er als der Dichter in Fräulein Witt, die wohl für den
schwierigsten Teil der müdevollen Aufgabe: zu überzeugen,
aufzukommen hatte. Ihr großartiges Anpassungsvermögen und
ihre Intelligenz ließen sie auch diesmal nicht im Stiche. Bloß
im ersten Akt konnte es selbst ihr nicht recht gelingen, das
Publikum davon zu überzeugen, daß die erste große Szene
zwischen ihr und ihrem Gasten wirklich mehr bedeutet als
eine Sammlung geistreicher Apergus. Ein Hinweis auf die
treffliche Spiel der Herren Treßler und Korff diene als
ergänzender Beleg für das Urteil, daß die Darstellung eine
X
glänzende war.
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Schnrietr den Gemeis deaster deeen seeenen
„aus der Wiesenanmut seines holden Plauderns in das Didlicht
psychologischer Erörterungen“ begeben darf. In der dreiaktigen
Komödie, die gestern im Burgtheater zum erstenmale aufge¬
führt wurde, wollte ihm dies nicht recht glücken. Nicht etwa
—
deswegen, weil das Dickicht, in das er diesmal hineingeraten,
einfach unbezwingbat gewesen — an das Problem, das er
sich zum Vorwurf gewählt, haben sich ja vor ihm schon viele
mit größerem oder kleinerem Erfolg herangewagt — sondern
weil er sich gleich den Helden seines Zwischenspieles zu viel¬
oder — zu wenig zugetraut hat. Zu viel, um mit einer hurm¬
losen, unprätentiösen Komödie auszukommen, zu wenig, um
ein psychologisches Schauspiel, in dem wirkliche, lebende
Menschen agieren, auf die Bühne zu bringen. So kam es
denn, daß man vor lauter Psychologie nicht recht dazu kam,
die Menschen zu sehen. Und es ist schade darum, denn es sind
wirklich sehr interessante, unglaublich intelligente Menschen,
mit denen bekannt zu werden man leider keine Gelegenheit
findet. Kapellmeister Amadeus Amans hat zweifellos Recht,
wenn er seine Gattin Cäcilie mit den Worten apostrophiert:
„Du sprichst gewöhnlich äußerst klug.“ Gewiß, sie spricht äußerst
klug, ihr Gatte spricht zuweilen noch klüger, und Albertus
Rhon spricht sogar superklug. Zeitweilig wird man von all
diesen klugen Reden so betäubt, daß man gern vor irgend
eine der handelnden Personen hintreten möchte, um ihr den
Rat zu geben: „Etwas weniger Vorsicht, nur nicht gar so
peinlich die Worte abwägen. Was du da sprichst, das muß
dir ein Dichter eingesagt haben, der aus dem psychologischen
Labyrinth, das er betreten, nicht herauskann.“ Jede einzelne
dieser Personen — ein ausgeklügelt' Buch, aber beileibe nicht
ein Mensch mit seinem Widerspruch. — Erster Akt: Das
Ehepaar Adams macht eines schönen Tages — es geschieht
dies em siebenten Ehejahre — die Wahrnehmung: „es ist
nicht mehr, wie es war“. Sie kommen überein, einfach als
Kayleraden weiter miteinander zu leben. Eine Freundschaft
zwischen Mann und Weib, die zufällig ein Ehepaar bilden,
Jsder der Kontrahenten des neuen Vertrages hat vollkommene
Freiheit. Geheimnisse darf es in Hinkunft zwischen ihnen nicht
geben. Zweiter Akt: Man genießt die Freiheit. Er wird un¬
streu, sie begnügte sich mit einem harmlosen Flirt. Dabei findet
sie — obwohl sie als Bühnenkünstlerin in Berlin unerhörte
Triumphe feiert — alltäglich Zeit, seitenlange Briefe an ihn
zu schreiben. Rascher als er geglaubt haben mag, sehnt er sie
wieder herbei und als sie wiederkommt, da lodert in ihm
nach einer gründlichen Aussprache die alte Leidenschaft wieder
auf. Sie finden sich wieder — für Stunden. Dritter Akt:
Alles scheint sich anfangs zum besten zu wenden. Er über¬
zeugt sich auf Grund eines Gespräches mit jenem Manne, den
er für den Geliebten seiner Frau gehalten, daß — nur er
seine Freiheit ausgekostet.. . Und schon ist Freund Albertus,
der Dichter, bereit, einen glücklichen Ausgang zu prophezeien.
Doch der kurze Traum ist bald zu Ende. In ihr leuchtet die
Erkenntnis auf: „Wir sind einander so viel gewesen, daß wir
die Erinnerung daran erhalten müssen.“ Ob diese letzte Nacht,
in der sie das Fest der Liebe gefeiert, bloß ein Abenteuer
oder ein Abschied war? Wer weiß es? Vielleicht finden sie
sich wieder, vielleicht auch nicht ... So scheiden denn die
beiden Menschen mit zerwühltem Herzen von einander, die
durch ein Spiel ihr eigenes Glück verzettelt und vergeudet
haben. On ne badine pas avec amour. Man tut es selbst
dann nicht ungestraft, wenn man sich durch siebenjähriges Ver¬
weilen im sicheren Hafen der Ehe gegen alle Gefahren eines
kecken psychologischen Experiments geseit glaubt. Das Ereignis
des gestrigen Abends war: Kainz als Kapellmeister Adams.
Wie er mit souveräner Verachtung aller Mätzchen und Virtuosen¬
kniffe trotz alle= und alledem einen wirklichen Menschen auf
die Bühne stellte, wie er mit geniahr Gemütswucht das Un¬
wahrscheinlichste möglich machte, überzeugte, wo vielleicht die
Kraft jedes anderen versagt hätte, das könnte nur in lauter
Superlativen der Bewunderung und Anerkennung zum Aus¬
druck gebracht werden. Eine kräftige Unterstützung fand sowohl
er als der Dichter in Fräulein Witt, die wohl für den
schwierigsten Teil der müdevollen Aufgabe: zu überzeugen,
aufzukommen hatte. Ihr großartiges Anpassungsvermögen und
ihre Intelligenz ließen sie auch diesmal nicht im Stiche. Bloß
im ersten Akt konnte es selbst ihr nicht recht gelingen, das
Publikum davon zu überzeugen, daß die erste große Szene
zwischen ihr und ihrem Gasten wirklich mehr bedeutet als
eine Sammlung geistreicher Apergus. Ein Hinweis auf die
treffliche Spiel der Herren Treßler und Korff diene als
ergänzender Beleg für das Urteil, daß die Darstellung eine
X
glänzende war.
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