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20. Zuischenspiel
Die
none Komödie von Arthur Schnitzler:
„Zwischenspiel“ gelangte gestern im Wiener Bürg¬
theater zur überhaupt ersten Aufführung. Unser
[Wiener Korrespondent schreibt uns über das Werk:
Wieder einmal kommt Schnitzler in völlig neuer
Gestalt mit einer Art Sittenbild, das sozusagen mit
einem Tropfen Sardonschen Oeles gesalbt ist. Niemals
noch war Schnitzler so sehr jenseits von Anatol und
Mizzi Schlager als in seiner jüngsten Komödie, welcher
er den beziehungsreichen, sehr zutreffenden Titel
„Zwischenspiel“ gab, obwohl das bei allem Anlauf zur
Vertiefung der Charaktere doch nur skizzeuhaft angelegte
Stück auf dem Theaterzettel ebenso gut „Komödie“
Zwischenspiel in drei Akten heißen könnte. Der große
und tiefe Kenner der Frauenseele spricht auch fast
aus jeder Szene des „Zwischenspiel“ in welchem
aber immer wieder
alten.
Schnitzler der
neu bleibenden und fesselnden Geschichte von der
brüchigen Ehe eine originelle Seite abzugewinnen ver¬
steht. Freilich ist Schnitzler diesmal mehr der geist¬
reiche, tiefgründige, wohl auch tiefsinnige „Debatter“
als der packende Dramatiker. In dem Zwischenspiel,
welches mit einem sanften Adagio anhebt, um dann
allmählig zu einem Furioso zu gelangen, dessen
Dissonanzen aber Schnitzler in reine Harmonien aufzu¬
lösen versteht, hat nicht der Dramatiker, sondern der
Sophist die Oberhand. Das „Zwischenspiel“ ist
nämlich ebenso sophismen= als genstreich. Aus der
einfachen Kenntnisnahme der überaus winzigen
Handlung vermag man das allerdings nicht zu
entnehmen.
Die handelnden, d. h. also die nicht handelnden
Personen sind der Hosopernkapellmeister und Komponist
Amadens Adams und seine Gattin, die Opernsängerin
Cäcilie Adams=Ortenburg. Die Beiden leben mehr
neben= als miteinander, denn Cäctlie weiß, bekümmerten
Herzens um Amadens aufkeimende Liebe zu ihrer
Kollegin, der Gräfin Friederike Moosheim. Aber
auch sie selber läßt sich ganz offenkundig von dem
jungen Fürsten Sigismund den Hof machen.
Cäcilie liebt im Grunde ihren Gatten, und hofft, ihn
sich wieder zurückzuerohern, betrachtet darum die rein
platonischen Beziehungen zum Fürsten als Mittel
zum Zweck. Er aber ist so sehr verstrickt in die Netze
der schönen Friederike, daß er seiner Gattin den Vor¬
schlag macht, lediglich einen herzlichen Freundschafts¬
verkehr mit ihm zu pflegen und auf alles andere zu
verzichten. Cäcilie widersetzt sich aber diesem Vor¬
schlage mit dem Argumente, daß sich schon das leichteste
der Geheimnisse wie ein Schleier zwischen beide senken
würde. Ihr Gatte widerlegt ihr Bedenken mit
folgenden Worten:
„Geheimnisse dürfte es zwischen uns nicht geben ...
Aber warum sollte es auch Geheimnisse zwischen uns
Wir würden uns über alles aussprechen,
geben?
ja gewissermaßen über mehr. Da
geradeso wie bisher -
wäre natürlich die Voraussetzung unserer weiteren Be¬
rückhaltlose Wahrheit... Mit
ziehungen: Wahrheit -
unseren Freuden und mit unseren Schmerzen kämen wir
zueinander, wären Freunde wie bisher, vielleicht bessere
als je und würden uns die Hände reichen, auch über Ab¬
gründe. So behielten wir alles, was uns bisher gehört
hat: unsere Arbeit, unser Kind, unser Heim — alles, was
wir gemeinsamt haben müssen, damit es seinen ganzen
Wert für uns behält.“
Amadeus besiegt die Bedenken Cäciliens und sie
gehen auseinander, um auf andere Art beisammen zu
bleiben. Der Sommer verflieht, und Amadens steht
im Herbste vereinsamter da als jemals. Denn
zwischen ihm und seiner Freundin, der Sängerin
Friederike, war es zum definitiven Bruch gekommen.
Mehr wie je sehnt sich sein Herz nach dem stillen
Frieden seiner Ehe, und die Wiederherstellung der
alten Ordnung ist das Ziel, welchem er nachstrebt.
Cäcilie aber, die eben von einem an glänzenden Er¬
Oper in
folgen reichen Gastspiel an der kgl.
Berlin nach Wien zurückkehrt (Schnitzler gibt der
Sache einen besonderen „Aktualitätsreiz“, indem er
die Künstlerin erzählen läßt, der Kaiser habe sie in
die Loge befohlen und ihr gesagt: er hätte noch
keine bessere Carmen gesehen), läßt sich nicht im ersten
Ansturm bekehren und setzt dem Drängen des ver¬
liebten oder doch verliebt tuenden Gatten auseinander,
wie wenig Sinn eine Wiederholung der ersten Akte
ihrer Ehe hätte und macht ihn dabei absichtlich im
höchsten Grade eifersüchtig. Eine wunderschöne, tief¬
gefühlte Szene, in der Cäcilie und Amadeus
ihre Sache mit ebenso viel Geist als Temperament
(Fortsetzung in der 1. Beilage.)
Hierzu 3 Beilagen.
20. Zuischenspiel
Die
none Komödie von Arthur Schnitzler:
„Zwischenspiel“ gelangte gestern im Wiener Bürg¬
theater zur überhaupt ersten Aufführung. Unser
[Wiener Korrespondent schreibt uns über das Werk:
Wieder einmal kommt Schnitzler in völlig neuer
Gestalt mit einer Art Sittenbild, das sozusagen mit
einem Tropfen Sardonschen Oeles gesalbt ist. Niemals
noch war Schnitzler so sehr jenseits von Anatol und
Mizzi Schlager als in seiner jüngsten Komödie, welcher
er den beziehungsreichen, sehr zutreffenden Titel
„Zwischenspiel“ gab, obwohl das bei allem Anlauf zur
Vertiefung der Charaktere doch nur skizzeuhaft angelegte
Stück auf dem Theaterzettel ebenso gut „Komödie“
Zwischenspiel in drei Akten heißen könnte. Der große
und tiefe Kenner der Frauenseele spricht auch fast
aus jeder Szene des „Zwischenspiel“ in welchem
aber immer wieder
alten.
Schnitzler der
neu bleibenden und fesselnden Geschichte von der
brüchigen Ehe eine originelle Seite abzugewinnen ver¬
steht. Freilich ist Schnitzler diesmal mehr der geist¬
reiche, tiefgründige, wohl auch tiefsinnige „Debatter“
als der packende Dramatiker. In dem Zwischenspiel,
welches mit einem sanften Adagio anhebt, um dann
allmählig zu einem Furioso zu gelangen, dessen
Dissonanzen aber Schnitzler in reine Harmonien aufzu¬
lösen versteht, hat nicht der Dramatiker, sondern der
Sophist die Oberhand. Das „Zwischenspiel“ ist
nämlich ebenso sophismen= als genstreich. Aus der
einfachen Kenntnisnahme der überaus winzigen
Handlung vermag man das allerdings nicht zu
entnehmen.
Die handelnden, d. h. also die nicht handelnden
Personen sind der Hosopernkapellmeister und Komponist
Amadens Adams und seine Gattin, die Opernsängerin
Cäcilie Adams=Ortenburg. Die Beiden leben mehr
neben= als miteinander, denn Cäctlie weiß, bekümmerten
Herzens um Amadens aufkeimende Liebe zu ihrer
Kollegin, der Gräfin Friederike Moosheim. Aber
auch sie selber läßt sich ganz offenkundig von dem
jungen Fürsten Sigismund den Hof machen.
Cäcilie liebt im Grunde ihren Gatten, und hofft, ihn
sich wieder zurückzuerohern, betrachtet darum die rein
platonischen Beziehungen zum Fürsten als Mittel
zum Zweck. Er aber ist so sehr verstrickt in die Netze
der schönen Friederike, daß er seiner Gattin den Vor¬
schlag macht, lediglich einen herzlichen Freundschafts¬
verkehr mit ihm zu pflegen und auf alles andere zu
verzichten. Cäcilie widersetzt sich aber diesem Vor¬
schlage mit dem Argumente, daß sich schon das leichteste
der Geheimnisse wie ein Schleier zwischen beide senken
würde. Ihr Gatte widerlegt ihr Bedenken mit
folgenden Worten:
„Geheimnisse dürfte es zwischen uns nicht geben ...
Aber warum sollte es auch Geheimnisse zwischen uns
Wir würden uns über alles aussprechen,
geben?
ja gewissermaßen über mehr. Da
geradeso wie bisher -
wäre natürlich die Voraussetzung unserer weiteren Be¬
rückhaltlose Wahrheit... Mit
ziehungen: Wahrheit -
unseren Freuden und mit unseren Schmerzen kämen wir
zueinander, wären Freunde wie bisher, vielleicht bessere
als je und würden uns die Hände reichen, auch über Ab¬
gründe. So behielten wir alles, was uns bisher gehört
hat: unsere Arbeit, unser Kind, unser Heim — alles, was
wir gemeinsamt haben müssen, damit es seinen ganzen
Wert für uns behält.“
Amadeus besiegt die Bedenken Cäciliens und sie
gehen auseinander, um auf andere Art beisammen zu
bleiben. Der Sommer verflieht, und Amadens steht
im Herbste vereinsamter da als jemals. Denn
zwischen ihm und seiner Freundin, der Sängerin
Friederike, war es zum definitiven Bruch gekommen.
Mehr wie je sehnt sich sein Herz nach dem stillen
Frieden seiner Ehe, und die Wiederherstellung der
alten Ordnung ist das Ziel, welchem er nachstrebt.
Cäcilie aber, die eben von einem an glänzenden Er¬
Oper in
folgen reichen Gastspiel an der kgl.
Berlin nach Wien zurückkehrt (Schnitzler gibt der
Sache einen besonderen „Aktualitätsreiz“, indem er
die Künstlerin erzählen läßt, der Kaiser habe sie in
die Loge befohlen und ihr gesagt: er hätte noch
keine bessere Carmen gesehen), läßt sich nicht im ersten
Ansturm bekehren und setzt dem Drängen des ver¬
liebten oder doch verliebt tuenden Gatten auseinander,
wie wenig Sinn eine Wiederholung der ersten Akte
ihrer Ehe hätte und macht ihn dabei absichtlich im
höchsten Grade eifersüchtig. Eine wunderschöne, tief¬
gefühlte Szene, in der Cäcilie und Amadeus
ihre Sache mit ebenso viel Geist als Temperament
(Fortsetzung in der 1. Beilage.)
Hierzu 3 Beilagen.