II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 62

20. Zuischenspiel
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Ausschnitt aus:

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Arthur Schnitzlers „Zwischenspiel“.
(Von unserem Korrespondenten.)
* Wien, 1I. Oktober.
Arthur Schnitzlers dreiaktige Komödie „Zwischenspiel“ die morgen
im Buegtheater in Szeue geht, ist eine gar feine Seelenstudie — so
fein, daß es fraglich erscheint, ob sie im Theater, wo man die derber
gesponnenen Faden liebt, auf ein volles Erfassen zählen kann. Das
Stück entrollt ein sellsames Spiel mit den tiefsten Gefühlen, die das
Herz bewegen. Wird man alles verstehen, was der Dichter wollte?
Ist es ihm gelungen, sich ganz verständlich zu machen?
Es ist der merkwürdige Roman eines Künstlerpaares. Er, der
Kapellmeister Amadens Adams, ist ein genialer Komponist, sie eine
gottbegnadete Sängerin. Sie wirken an demselben Theater, sind seit
sieben Jahren vermählt, waren bis zur Stunde ein Herz und eine
künstlerische Seele. Aber nach den sieben mageren Ehejahren lechzt der
Mann nach Freihott — er verliebt sich in eine andere Opernsängerin.
Er weiß, daß ihn nur die Schönheit dieser anderen bezuubert, daß es ein
Rausch der Sinnest, nach dem er lechzt, aber er kann dem fatalen Zauber
nicht widerstehen. Da auch seine Gattin mit einem jungen Fürsten
flirtet, so benutzt er den Anlaß, um eine Auseinandersetzung herbei¬
zuführen. Die Liebe ist zu Ende, so soll denn mit diesem Kapitel
abgeschlossen sein. Da er aber die Gattin künstlerisch nicht entbehren
kann, so sollen sie beisammen bleiben, als Freunde und Kunstgefährten,
gute Kameraden — es ist ja auch ein Kind da, das allein genügt,
um ein jahes Abreißen aller Beziebungen zu hindern. Die Frau,
die den Gatten liebt, ist zu stolz, um auf ihren vollen Rechten zu
bestehen. In schmerzlicher Bewegung erklärt sie sich mit allem ein¬
verstanden.
Aber der neue Roman des Mannes währt nicht lange. Er ist nur
ein Sommernachtstraum, und an einem trüben Herbsttage e##artet
der Gatte im alten Heim mit den alten zärtlichen Gefühlen die
Gattin, die von einem sehr erfolgreichen Gastspiel in Berlin zurück¬
kehrt. Sein= Liebe wird zur Leidenschaft entfacht, da er erfährt, daß
seine Frau viel umworben ist, daß ihr kleiner Fürst sie heirater
möchte, und daß ihr Blut beim Aublick eines gewissen Operuse
in Wallung geriet. Er#ißt die Frau wieder an sich — aber
kurze Stunden eines Wonnerausches. Sie ist eine andere geword
der herben Zeit der Prüfung, da ihr Gatte in den Armen einer an
lag. Wünsche und Begierden, die sie nie gekannt, sind in ihr
wacht. Sie könnte wohl mit einer banalen Verzeihung das alte
Glück wieder anzuspinnen suchen. Aber sie wurde nicht bloß in einer
zarten, heiligen Empfindung schwer gekränkt. Sie fühlt sich auch außer¬
stande, die elte Rolle als getreue, gefügige Ehefrau voll Lieb' und
Güte wieder aufzunehmen. Und vor dem heißen Werben des
Mannes legt sie ein aufrichtiges Geständnis ihrer Wandlung ab.
Nach der flüchtigen Trennung muß der Abschied kommen. Sie will

ins Engagement nach Berlin gehen. Er soll seine Konzerktournee
machen, die ein Jahr umfassen wird. Die Betenerungen!
neuer Liebe haben keine Wirkung, auch die Eifersucht des Gatten, der
den Fürsten herausfordern will, vermag den Sinn der Frau nicht
zu ändern. Vielleicht kommt einmal — das Wunderbare. Aber bis
bahin — ade! Der Mann begreift nur mit Mühe, fügt sich aber
schließlich ingrimmig dem Gebot. Er geht von dannen. nachdem e#
auf das Klavier eine seiner Kompositionen gelegt, ein Zwischenspiel, 7/##
Capriccio doloroso. Die F#### blickt ihm nach und beweint mit
einer heißen Träue das zertrümmerle Eheglück
+ Ueber die Aufführung von Schnitzlers „Zwischenspiel“
im Burgtheater berichtet ein Telegramm unseres Korrespondenten:
Die Erstaufführung von Schnitzlers „Zwischenspiel“
versammelte im Burgtheater ein glänzendes Publikum. Die Zuhörer¬
schaft stand schon in den ersten Szenen im Banne des Dichters, folgte
der dramatischen Studie mit Interesse und spendete nach dem ersten
Akte lebhaften, nach dem zweiten stürmischen Beifall. Nach diesem¬
Akte mußtg Schnitzler sechsmal erscheinen. Die schließliche Lösung
war jedoch nicht nach dem Geschmack des Publikums, und
der Beifall stieß auf Widerspruch. Der Wahrheit gemäß muß
festgestellt werden, daß der Dichter bei den Darstellern wenig Unter¬
stützung fand. Kainz veranschaulichte zwar virkuos die Zer¬
fahrenheit des von widerstreitenden Gefühlen bestürmten,
nervösen, erst von seiner Phantasie verführten, dann von Eifersucht
gequälten Künstlers. Er beobachtete indessen in den Affekt¬
szenen zu viel Zurückhaltung und gelangte zu keiner
starken Wirkung. Auch Lotte Witt, die seine Gattin gab,
kam zu keinem vollen Ausdruck der Gefühle und blieb in zarten
Andeutungen stecken, wo lebhafte Farben am Platze waren. Das
Tempo war ferner ein schleppendes, und es wurde der unglaub¬
liche Fehler begangen, daß man die Rolle des Fürsten, die sich
im dritten Akte sehr tragisch gestaltet; einem Lustspielbarsteller
überwies, der, so ernst er sich auch gebärdete, mit jedem Worte
Heiterkeit erweckte. Der Abend brachte Schnitzler keinen vollen
Erfolg, war aber für das Burgtheater=Ensemble eine ganze
Miederlage.