II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 63

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20. Zuischenspiel

in ein lebensfreudiges Weib verwandelt mit der
Sehnsucht nach Schmerzlichem und Schönem,
Zwischenspiel“.
nach Stürmen und Gefahren. Vor Amadeus
Em Arthur Schnitzler.
steht nicht mehr jene Cäcilie, der er Kamerad und
geistiger Freund sein wollte, in ihrer Stimme ist
(Erste Aufführung im Wiener Burgiheater
ein fremder Klang, in ihren Augen ein fremder
am. 12. Oktober 1905.
Glanz; er wirbt stürmisch um sie und wird der
ing. Eine „Komödie“ nennt Arthur Schnitzler
Liebhaber seiner eigenen Frau. Der Vorhang
sein neues Bühnenwerk, aber man täuscht sich
fällt, und man hai Zeit, darüber nachzusinnen,
wenn man ein heiteres Spiel erwartet. Die
wie Schnitzler nach diesem kühnen Akt die Hand¬
Grundfarben des Wertes sind dunkel. =Den leicht
lung weiter führen wird. Wird er das alte
geführten, graziösen Dialog umsummen schwer¬
„Cyprienne“=Motiv benützen und die Fesseln der
mütige Harmonien. Die Helden des Stückes
Ehe neu schmieden? Wird vielleicht der Gedanke
sind nichts weniger als lebensfrohe Sinnen¬
an das Kind die Ellern wieder zu einander füh¬
menschen. Ihnen ist ein Ibsenscher Blutstropfen
Den Lockungen dieser bewährten senti¬
ren?
in die Adern gespritzt, sie sind gewohnt, in sich
mentalen Bühnenwirkungen geht Schnitzler aus
hineinzuhorchen, sich zu prüfen, über Fragen der
dem Wege. Amadens glaubt wohl, wieder alles
esittlichen Verantwortung und sittlichen Freiheit
gewonnen zu haben, frische Liebesslammen sind in
zu grübeln.
ihm entzündet, aber Cäcilie weist ihn ab. „Wir
Amadens Adams ist seit sieben Jahren mit der
waren weder geschaffen, uns ewig in Treue zu
Sängerin Cäcilie Ortenburg verheiratet. Der
lieben, noch stark genug, um unsere Freundschaft
sinnliche Brand, der die beiden Künstlermenschen
rein zu halten. Andere fänden sich ab ...
vereint hat, ist während dieser Zeit allmählich ver¬
kann es nicht.“ Sie scheiden. Jene neu auf¬
glommen und an Stelle der Liebe ist eine Freund¬
flackernde Liebe war — ein Intermezzo, ein
schaft getreten. Amadeus ist der künstlerische
Zwischenspiel.
Berater seiner Fran, und sie steht ihm mit dem
Aus der dramatischen Umhüllung lösen sich
Verständnis seiner Kompositionen zur Seite; es
drei große Dialogszenen zwischen Amadens und
gibt nichts, was zwischen ihnen unausgesprochen
Cäcilie als Kern los. Statt „Komödie in drei
bliebe. Schon beginnen beide, welche auch ihr
Akten“ könnte es auch heißen „Komödie in drei
Kind, ein fünfjähriger Knabe, nicht mehr beiein¬
Dialogen“. In diesen Gesprächen, worin bald
ander hält, ihre eigenen Wege zu gehen. Sie
die Klugheit, bald die Leidenschaft, bald eine
gestehen einander ihre geheinsten Gedanken und
zärtliche Melancholie, bald eine geistvolle Ironie
ihre Freundschaft bleibt, da sie auf Wahrhaftig¬
zu Worte kommen, entfaltet Schnitzler einen un¬
keit gegründet ist, bestehen. Sie fühlen, daß
gewöhnlichen Zauber der Rede. Alles ist knapp
noch immer zusammengehören, auch wbenn n
und kunstvoll bemessen, alles fließt natürlth da¬
hundert Fäden, die sie verknüpfen, einer zer¬
hin. Das Wort hat bei ihm die Lebendigkeit der
rissen ist. Die Schlußszeue des ersten Aktes
Gebärde: es zögert, eitt dahin, bleibt stehen,
bringt einen Dialog der beiden Ehegatten, die
winkt und deutet. Es ist voller Aktion, aber
sich von einander lösen; es ist ein melancholisches
auch voll Empfindung und Geist. Es ist das Wort
Voneinandergehen, eine Umwandlung der Ehe in
eines seinen Dichters, welches die Rampen= und
geistige Kameradschaft. Mit sichtlicher Erleichte¬
Soffittenlichter der Bühne erhellen.
rung blickt Amadeus der Freiheit entgegen, mit
einem sehnsüchtigen. Blick schaut Cäcilie auf die
Zeit ihrer Ehe zurück.
Einige Monate lang dauert die Trennung.
Amadens hat unterdessen sein Abenteuer genossen
und ausgekostet, Cäcilie feiert in Berlin als
Sängerin große Triumphe; dorthin ist ihr auch
Fürst Sigismund als Begleiter nachgefolgt und
hofft auf Erhörung... Die Freundschaft der
beiden Ehegalten bleibt unerschüttert; Cäcilie
schreibt ihrem Manne täglich acht bis zwölf
Seiten lange Briefe aus Berlin, wie man sie
seinem besten Freunde schreibt, und beide beraten
sich wie in früheren Zeiten über alles. Nach be¬
endetem Gastspiel kehrt Cäcilie nach Wien zurück.
Wieder einmal stehen Cäcilie und Amadeus ein¬
ander gegenüber, aber in Cäcilie ist eine Ver¬
änderung vor sich gegangen. In der Zeit der¬
Freiheit hat sich die stille, gütige Frau von einst