II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 71

20. Zwischenspiel box 25/1
können, wenn er nur dagewesen wäre“. Was ihren Gatten sich wiederfanden, um sich alsbald wieder zu trennen —
oft die platte Alltäglichkeit, w#
reizte, dasselbe scheint auch sie gesucht zu haben, den Ehe¬
alle Mittelstufen und Uebergänge, alle Brücken zwischen
gebracht wurde, aber umgen
bruch in der Ehe, die erlaubte Sünde, vor welcher die
dem sinnlichen und dem sittlichen Menschen konnte er
spielkunst. Nur eine Nuance
zehn Geboke verstummen müssen. So ließ sie eben ihre
elektrisch beleuchten, das Wechselspiel der Sinne und der
Dichter wünscht und schreih
Sinne eines Weges gehen, auf dem ihnen ihr Herz nicht
Seele aufdecken, diese ganze Enharmonik der Empfindun¬
Amadeus zuweilen „mit der
zu folgen vermochte. Ihr Herz noch eher vielleicht als
gen und Gefühle den Leser Ton für Ton durchwandern
zurückschlage und festhalte. Da
ihr Verstund. Die Zukunft liegt ja ganz klar vor ihren
lassen. Er konnte es, wenn er nämlich etwas konnte.
merkt. Oder sollte der Kün
Augen: bis jetzt hat sie dem Gatten die Treue gehalten,
Doch einem an sich undramatischen Vorwurf muß der
Manöver, dessen Zweckmäßigk
doch heute, wo neue Lebensgeister in ihr erwacht sind
beste Bühnendichter hilflos gegenüberstehen.
leuchtet, etwa gar mit der
und feurigere Wünsche sie durchglühen, weiß sie auch,
haben?
Es ist wirklich bewundernswert, daß Arthur
daß ihrer Treue der Abend bevorsteht, und so will sie
Schnitzler aus diesem Novellenstoff gleichwohl ein auf¬
lieber gleich zum Schlusse drängen, damit das ganze nicht
Fräulein Witt als Cäcil
führbares, trotz aller Dunkelheit interessantes, beim Lesen
ein Ende mit Ekel nehme. Sie verlangt, mit
bürtig zur Seite, doch läßt sich
zumal höchst anregendes Stück zu bilden vermochte, doch
anderen Worten, die
prophylaktische
es an Innerlichkeit ein wenig
Scheidung.
muß man es zugleich schmerzlich bedauern, daß dieses
In
der Vorahnung ihrer künftigen Untreue
langt einige Gemütstiefe, hie
echteste, ehrlichste, dabei am meisten wienerische unserer
und um ihr vorzubeugen, zerreißt sie das eheliche Band.
Leidenschaft, sie ist keine vor¬
jungeren Talente sein reiches Können solchen müh¬
Amadeus, der gerade eine Kunstreise antritt, schleicht sich
Witt ihren Geist blitzen lassen
sam erklügelten, auf der Spitze einer Nadel tanzenden
betrübt von hinnen, und auch sie sinkt weinend auf den
eine Könnerin ersten Ranges
Sophismen zuwendet. Die Schwerverständlichkeit ist der
Stuhl. Doch wer sagt uns, was ihre Tränen bedeuten?
Ende jede Aufgabe. Sehr hüb
geringste Fehler des neuen Stückes. Peinlicher wirkt es,
Weint sie über ihr verlorenes Glück, das, ach, pur ein
die Gräfin Friederike, und H
daß Amadeus, der uns sympathisch sein soll, uns nur
Zwischenspiel gewesen, wie vielleicht alles im Leben, oder
Sigismund eine sympathische
widerwärtig ist und daß Frau Cäcilie, dieser Ausbund
schmerzt es sie, daß er nicht trotzdem dageblieben? In
er sich nicht vom Dichter die
feiner Weiblichkeit, als überspanntes Frauenzimmer er¬
dieser, nach dem modernsten Schema präparierten Frauen¬
tiefer ins Humoristische einzutc
scheint, das immer, statt gradaus, links um die Ecke
seele ist es schwer, sich auszukennen. Im ersten Akt liebt
aufs beste getroffen, und de
denkt. Selbst der schauspielerische Kommentar, sonst der
sie ihren Mann und sehnt sich in seire Arme zurück, im
ernster, das Rührende um so
beredtsamste von allen, vermochte die beiden Figuren im
zweiten wird der Vogel glücklich eingefangen, und im
Dem seltsamen Ehepaar
Grunde nicht annehmbarer zu machen. Und doch gehörte
dritten fliegt sie selber auf und davon, denn sie hat „Nora“
Dichter Albertus und seiner
die Darstellung zum Allerbesten, was das Burgtheater,
gelesen und wünscht sich einen ähnlichen Abgang. Den
bürgerliche, sturmfreie Ehe geg
was die deutsche Bühne zu bieten im stande ist. Herr
Widerspruch dramatisch zu begründen, konnte dem Dichter
und Herr Treßler brachten
Kainz als Amadeus leistete ein Meisterstück. Wir hätten
nicht gelingen, drum hat er sich in die Dialektik geflüchtet.
zum Ausdruck. Der letztere be
nimmermehr geglaubt, daß diesem Wechselbalg
Zwischen Mann und Frau setzt es erdlose Dialoge, will
viel
der Mann jeglicher Heiterkeit
Menschlichkeit beizubringen wäre. Erläuterung tat hier not,
dem Raisonnieren der Atem nicht ausgehen, aber schmack¬
gleichgiltigen Stellen noch ein
dies fühlte der Künstler, und es war erstaunlich, wie er mit
haft ist weder die unbewußte Gemeinheit des Mannes,
pressen weiß. In dem Stück
allen Mitteln und Mittelchen der Bühne, mit Blick, Gebärde,
Dichter darzustellen, und als ih
noch die verzwickte Logik der Frau. Um wieviel besser Betonung, Gesichtsausdruck, Tempowechsel, mit Sprechen
hätte es der Erzähler, der Romandichter gehabt! Er
nicht sehr durchsichtigen Eher#
und Schweigen den Dolmetsch seiner Rolle spielte, ganz
konnte die beiden bis auf ihre Blöße vor uns entkleiden,
bereit, ein Stück daraus zu m
unauffällig wohlgemerkt und absichtslos, alle Detailarbeit,
ihre Seelen bis auf die letzte Faser zerzupfen, ihr Ge¬
Leuten besser zu erklären. „D
alles Feilen und Bosseln geschickt verschleiernd, daß man
dankenleben bis in den äußersten Winkel erhellen, konnte
diese neue Art von Ehe biegre
den Eindruck gewann, als hätte er nie so einfach,
uns zeigen, wie diese Eheleutchen in der Gewohnheit,
halb acht bis zehn.“ Das mag
natürlich einfach gespielt, überhaupt nicht gespielt, sondern
durch die Gewohnheit einander sich entfremdeten, wie
so ganz sicher ist es nicht, und
eigenstes Schicksal uns vorgelebt. Diesen Gipfel wird ihm leicht doch seiner Kunst etwas
sie dann auf den geheimsten psychologischen Schleichwegen heute kein anderer Schauspieler streitig machen. Es war im stande ist.