II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 106

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20. Zuischenspiel
„ en Ciccntrer Nescheleben orbei.
als dieser Protest gegen die sinnbetörende Sinnlichkeit, diese
seinpsychische Analyse edlen, weiblichen Empfindens. So hat sich
der Verfasser des „Reigens“ und der Anatolstückchen doch nur
über seine Intimen lustig gemacht. Er empfindet so fein, wie
es seine künstlerisch vollendete Skizze über den kleinen Leut¬
nant allen sensiblen Gemütern verkündet? Es wird viel ge¬
sprochen in dem Stücke, das ganze Stück kämpft ja fast nur mit
Worten, denn in der Handlung selbst liegt nichts Ueberzeugen¬
des, als die Tatsichen, welche sich aus der Logik des Wortes
entwickeln. Aber diese Sprache selbst ist so feinsinnig, mit der
Pinzette des Arztes so tief aus dem Seelenleben hervorgeholt,
daß sie wie eine Handlung wirkt. So nur ist die Wahrheit des
Lebens auf der Bühne darzustellen, eine andere Form macht
sie ungenießbar, langweilig. Wir können das Leben nur
hören, sehen können wir es nicht. Und alle Klügeleien, mit
denen uns heute die verschiedenen Feuilletonisten überschüt¬
ten, sind zwecklos und überflüssig. Entweder man hat erlebi,
was der Dichter mit seinen, zart abgetönten Farben darstellt,
dann wird man ohne Kommentar begreifen. Oder die Kom¬
mentare werden einem das Verständnis nicht näher führen.
Schnitzler macht sich ja in seinem feinen Humor über die Kom¬
mentare im vorhinein lustig. Er läßt den Vorhang aufgehen
und fallen, wie es ihm paßt. Und er hat recht damit. Das
Stück ist nicht für alle geschrieben. „Zwischenspiele“ erleben
nicht alle Menschen. Und gerade darum steht er weit über
seiner verehrten Kollegenschaft, die zum Teil auch jetzt seine
Richter sind. Sie schreiben zumeist, was sie nicht empfin¬
den...
Die Darstellung? Ich kenne Kainz von seinem ersten
Auftreten in Prag, bei den Meiningern, als Prinz Homburg.
Damals war ich der erste, der, entgegen allen anderen Ansich¬
ten, für sein Temperament, für den leichten Fluß seiner Rede
eintrat. Seit der Zeit ist er ein ganz anderer geworden. Ein
Meister, der immer nur Meister ist. Der Meister ist ihm in
Fleisch und Blut übergegangen, er kann nichts anderes als
Meister sein. Der Meister ist er auch als Amadeus. Er gibt
jede Seelenregung dem Zuschauer in die Hand, jeden Gedau¬
ken schreibt er auf die Stirne. Mir war es, als hätte er mit
seinen großen, sprechenden Händen das zarte, feinhingehauchte
Patina der poetischen Stimmung des Dichters weggewischt.
Weniger wäre mir mehr gewesen. Und darum kann ich sein
Spiel nicht meisterlich finden; der Kapellmeister gehört Kainz,
nicht Schnitzler, und mich dünkt, Schnitzlers Meister ist kleiner,
bescheidener, aber menschlicher als jener des Herrn Kainz.
Darum protestiere ich im Interesse des Dichters gegen das
überschwengliche Lob der Presse. Und ich möchte sehen, ob mir
der Dichter ganz im Geheimen nicht recht gibt ... Dagegen
spielt Frl. Witt mit ganzer Hingebung und feinem Emp¬
finden. Wenn sie für viele Worte der Dichtung nicht die rech¬
ten Töne findet, sind nur ihre begrenzten Mittel daran schuld.
Warum diese Rolle nicht der Hohenfels, nach der sie schreit?
Von den anderen können nur noch Korff genannt werden,
der den jungen Fürsten in heiter=ernster Lage mit siegender
Schlichtheit gab, und Herr Treßler, dessen köstliche humo¬
ristische Kraft immer noch rostet, weil Herr Thiemig sich
einbildet, komisch zu sein. Man sollte einmal diesen Herrn
den Albertus spielen lassen, um Treßlers große Begabung in
das rechte Licht zu stellen. Fr. Häberle scheint auch ihren.
Wirkungskreis noch nicht zu haben; diese kleine verschüchterte¬
Frau gab sie ganz reizend. Wie Fr. Kallina die kokette
Sängerin ... Es wird im Burgtheater gut gespielt, wenn
gute Stück gegeben werden ...
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Metrinng
B
„OBSERVER“
I. österr. behördt. konz. Unternehmen für Zeilungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt Sacin- u Montags-Courier, Wien
vom:
B
Man ist im Burgtheater doch noch sehr
zimperlich — trotz der vielgerühmten Liberalität der
Hauszensur. Man denke nur was alles an dem
neuen Stück Schujßlens „Zwischenspiel“ ge¬
strichen worden ift.
Da geht in dem Stücke als Raisonneur ein
Schriftsteller herum, eine Art Opernlibrettist, Albertus
Rhon mit Namen, dargestellt von Herrn Treßler.
Der hat ein paar hübsche Sachen zu sagen. Er spricht
vor allem einige kernige Worte über die Ehe.
„Abenteuer?“ — sagte er + „die braucht man
gar nicht weit draußen im Leben zu suchen. Ein Mann,
der im Frieden seines Heims lebi, der kann auch
seine Abenteuer haben. Er erlebt sie geradeso wie ein
anderer, aber ohne Gefahr, und wenn er Phan¬
tasie hat, bringt ihm seine Gattin, ohne
daß sie esahnt, lauter uneheliche Kinder
zur Welt.“
Und diesen letzten Teil des Satzes, den wir in
gesperrten Lettern anführen, hat die Hauszensur ge¬
strichen!
Das ist gar nicht klug. Die Burgtheater=Abon¬
nenten werden doch von vornherein wissen, daß
Schnitzlers Stück keine Unterhaltung für junge
Mädchen ist
(wie überhaupt leider gar keine
Unterhaltung!) und die Erwachsenen wären durch den
Gedanken Schnitzlers auch nicht verdorben worden.
Der Ehebruch im Geiste, in der Phantasie — das ist
doch eine Sache, die auch hoftheaterfähig sein sollte.!
Umsomehr als schon eine wirkliche Exzellenz, ein ak¬
tiver Minister in diesem Gedanken ein großes
Werk hat kulminieren lassen. Seine Exzellenz der
Herr Staatsminister Wolfgang von Goethe in
Wahlverwandtschaften.
Da hatte übrigens Treßler, der Darsteller:
des Albertus Rohn, dem man die oben erwähnte
gute Pointe in Schnitzlers „Zwischenspiel“ wegnahm,
eine gute Idee. Er schlug dem Dichter scherzhaft vor,
ihn dafür den neuesten Ehewitz sprechen zu lassen, der
so ganz und gar in die skeptische Ehephilosophie des
„Zwischenspiels“ und in den Gedankengang des zwei¬
felnden Dichters Schnitzlers paßt, der Witz lautet:
Frage:
Wie heißt das elfte Gebot?
Antwort:
Du sollst die Kinder deiner Gattin
lieben wie deinen eigenen.
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