II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 125

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— 1905. M 23. — Die schöne Literatur. — 4. November. —
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in der Regel, was immer man auch gegen die Muse dieses
Uraufführungen
Dichters einzuwenden haben möge, die von den Theater¬
in Berlin, Weimar und Wien.
besuchern sehr geschätzten Eigenschaften, modern=pikant und
Barrie, I. M., Der Herr Haushofmeister. Lustspiel in vier Akten.
umüsant zu sein. In dem kürzlich zur ersten Aufführung
Deutsche Uraufführung im Lustspielhaus zu Berlin am 16.Oktober 1905.
gelangten „Zwischenspiel“ hat ihn aber seine Begabung gänzlich
im Stiche gelassen oder irregeführt: die moderne Pikanterie
Lienhard, Fritz. Die heilige Elisabeth. Trauerspiel in fünf Auf¬
ist zu einem an Wahnwitz streifenden, ausgeklügelten Unsinn
zügen.
geworden und anstatt amüsant zu sein, ist das Stück einfach
Uraufführung in Weimar am 21. Oktober 1905.
abstoßend, zugleich aber von einer an die Nerven gehenden
Schnitzler, ArthurZwischenspiel. Komödie in drei Akten.
Langeweile erfüllt. Man erlasse uns. den Irrgängen dieses
raufführung im k. k. Hofburgtheater zu Wien am 12. Oktober 1905.
Stückes, in denen sich niemand, wahrscheinlich am wenigsten
der Verf. selbst, zurechtzufinden vermag, im einzelnen nach¬
„Der Herr Haushofmeister“ ein vieraktiges Lustspiel des
zuspüren. Es genüge, wenn wir das wesentliche der Hand¬
Schotten I. M. Barrie, das in England und Amerika
lung wiederzugeben trachten, soweit sich eine solche aus
ein Jahr lang als Zugstück lief, fand bei seiner deutschen
AAL.
Bühnenvorgängen entnehmen läßt, die im großen und ganzen
Uraufführung im Berliner Lustspielhaus nur einen dürf¬
nur in der Schilderung von Seelenzuständen, in einem end¬
#tigen Achtungserfolg, obsoohl dieses zwischen lustiger Satire
losen Zwiegespräch (der Wiener nennt es bezeichnender:
und Ausstattungskomödie schwankende Spiel vortrefflich in¬
„Geplausch“, zwischen zwei überspannten Eheleuten besteht.
szeniert war. Ludwig Fulda hat in „Robinsons Eiland“.
Der Kapellmeister und Komponist Amadeus Adams und die
dasselbe Thema behandelt, den Gegensatz zwischen Civili¬
Opernsängerin Cäcilie Ortenburg sind seit sieben Jahren
sation und Naturzustand mit all seinen Folgen. B. läßt
verheiratet. Ihrer Ehe ist ein jetzt fünfjähriges Kind, Peterl,
einen Lord mit seinen Töchtern und Bedienten an eine
das auch auf der Bühne beschäftigt ist, entsprossen; ohne
verlassene Insel verschlagen werden und zeigt, wie nun die
Kinderrollen kein modernes Stück, nebenbei bemerkt, ein
Diener zu Herren der Situation und die Herren zu gefügi¬
arger, nach Abschaffung schreiender Mißbrauch des kindlichen
gen Dienern werden. Kaum aber werden alle gerettet, da
Alters. Amadeus besitzt an seiner Frau die verständnis¬
wendet sich das Blättchen wieder und der Herr Haushof¬
vollste Beraterin und vorzüglichste ausübende Kraft, Cäcilie
meister nimmt unterwürfig die gebeugte Stellung des Die¬
an dem Gatten den aufrichtigsten Bewunderer und zugleich
ners wieder an. Es ist schade, daß diese satirisch so frucht¬
besten Lehrer und Förderer ihrer Kunst. Aber die eigent¬
bare Idee von dem Engländer in burlesken und grellen
lichen ehelichen Beziehungen zwischen ihnen sind im Laufe
Kontrasten ausgeführt wurde und daß Albernheiten das
der Jahre recht locker geworden; sind sie doch durch ihren
bischen guten Humor umwuchern.
Beruf häufig auch räumlich längere Zeit von einander ge¬
Paul Legband.
trennt. Ihre Ehe beruht aber auf den Grundsätzen vollster
gegenseitiger Freiheit und Aufrichtigkeit. Sie sind sich auf
Lienhards Wartburgdrama (der zweite Teil der Wart¬
ihren Nebenwegen in keiner Weise hinderlich, sondern teilen
burgtrilogie) „Die heilige Elisabeth“ hat am 21. Oktober
sich vielmehr wie gute Kameraden alle ihre Erlebnisse genau
in Weimar seine Erstaufführung erlebt. Das Stück selbst
mit. Es soll keine Geheimnisse und noch weniger eine Eifer¬
ist im lauf. Jahrg., Nr. 1 der „Schönen Literatur“ von Max
sucht zwischen ihnen geben. Gerade jetzt interessiert sich der
Koch besprochen worden. Es handelt sich daher hier nur
Mann für eine gräfliche Schülerin, die Frau für einen
noch darum, über die Wirkung der Aufführung zu berichten.
jungen Fürsten. Dieser folgt auch Cäcilien nach Berlin nach,
Diese zeigte, daß die nach der Lektüre des Buchdramas be¬
wo sie künstlerische und gesellschaftliche Triumphe feiert.
fürchtete undramatische Weichheit nicht so sehr in die Er¬
Unter dem Einflusse dieser Huldigungen sind die Sinne in
scheinung trat, vielmehr die Innigkeit der Auffassung des
ihr erwacht, heißer wallt das Blut in ihren Adern, sie ist
frommen Charakters der Elisabeth wohltuend berührte und
eine andere geworden. Als solche, aber viel schöner als
dem Ganzen den verklärenden Eindruck einer Christustra¬
vorher, erscheint sie auch dem eigenen Gatten, da sie wieder
gödie verlieh. Stimmungsgehalt von seltener Innerlichkeit
in den gemeinschaftlichen Haushalt zurückgekehrt ist und er,
löste sich aus den gut geschauten Bühnenbildern aus, nur
der sie so lange vernachlässigt und nur als Freundin be¬
hier und da störte eine zu gründliche Breite, die den Akt
handelt hat, findet sie plötzlich begehrenswert. Er entbrennt
nach den effektvollsten Schlüssen (ein Fehler, der schon im
vor Begierde zu ihr und es lockt ihn, sie (die eigene Gattin!),
„Heinrich von Ofterdingen“ hervortrat) noch weiter gehen
dem Fürsten, ihrem vermeintlichen Liebhaber, zu nehmen.
und die Wirkung verpuffen ließ. Um die Darstellung hat
„Cäcilie“, ruft er aus, „keinem von uns beiden wird jemals,
sich Fräulein Schneider als Elisabeth glänzend verdient ge¬
so lange er lebt, ein schöneres Abenteuer auf dem Wege
macht; sie schöpfte die ganze innere Tragik der Gestalt aus
blühen!“ Sie ergibt sich ihm auch nach einigem Wider¬
und wurde der großen Wandlung des Charakters gerecht.
streben, was nicht Wunder nehmen konnte, da sie ja, ihrem
Wenn der Gegenspieler Pater Konrad gleich psychologisch
Bekenntnis zufolge, in ihrer jetzigen Verfassung schon längere
die innere Bedeutung seiner Gestalt ausgeschöpft hätte,
Zeit nur so mit offenen Armen dastand und auf einen
wenn er insbesondere die seelische Notwendigkeit seines
wartete, freilich eigentlich nicht auf den Herrn Gemahl und
Handelns, wie es die Dichtung verlangt, darzustellen ver¬
auch nicht auf den Fürsten, sondern wie sich später heraus¬
mocht hätte, so wäre noch ein besseres Verständnis für die
stellt, auf den ersten Tenor in Berlin. Nach der Liebes¬
Feinheiten der Dichtung erzielt worden; der sonst gute
nacht mit Cäcilie wird Amadeus, was ihm bisher noch nie
Künstler, Herr Bauer, war wohl hier nicht am rechten Ort.
passierte, plötzlich ungeheuer eifersüchtig auf seine Gattin.
Für die Waldlandschaften sollte das in Regiedingen sonst
Er will den Fürsten, den er für ihren Geliebten hält,
weit fortgeschrittene Weimarer Theater (Oberregisseur Weiser)
während zwischen den beiden doch gar nichts Ernstes vor¬
A. E—r.
auch einen Waldboden schaffen.
gefallen ist, fordern. Im selben Augenblick aber kommt der
Fürst selbst zu ihm und bittet ihn, Cäcilien freizugeben; er
Ein neues Stück Arthur Schnitzlers wird von den
hält sozusagen um die Hand von Amadeus' Gattin bei diesem
literarischen Snobs und deren Nachbetern stets zu einem
großen Ereignis gestempelt. Seine Bühnenwerke besitzen ja an. Amadeus ist zuerst furchtbar wütend über diese Zu¬