II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 126

box 25/1
20. Zwischensnie1
416
1905. Jé 23. — Tie schöne Literatur. — 4. November.
415
mutung, dann aber, nachdem er erfahren hat, daß der Fürst duftigster Art. Das Liebesleben von dem ersten Erwachen
bis zur Reife, vom „Vorfrühling“ und der „Knospenzeit“
Cäcilien nur platonisch geliebt hat, beruhigt er sich und die
bis zur glücklichen Vereinigung („Nun bin ich dein“) hat
beiden Männer scheiden im besten Einvernehmen. Das ist
hier nach der Art, wie es in Schillers Lied von der Glocke
wohl eine der unsinnigsten und abgeschmacktesten Szenen,
geschieht, eine verständnisinnige Deutung erfahren. Die
die jemals auf die Bühne gebracht wurden; von dem Verf.
einzelnen Phasen der bräutlichen Liebe werden in kurzen,
vollkommen ernst gemeint, hat sie denn auch die Zuhörer
erhebenden Worten zu einem Bilde vereinigt. Die Dichterin
zu inwiderstehlicher Heiterkeit gestimmt. Aber wir sind noch
#iß für ihren anmutigen Stoff natürliche und zugleich er¬
nicht am Ende der Ueberraschungen angelangt. Man glaubt
greifende Worte zu finden, deren Anschaulichkeit durch die
nun, daß die Ehe durch das einigende Band Peterls, der
trefflichen, in diskreter Sezession gehaltenen Illustrationen
mehrmals auf der Bühne naiv sein sollende Kinderszenen
Olga Granners erhöht und gewissermaßen modern stilisiert
aufführt, wieder zusammengeschmiedet ist. Aber, weit gefehlt!
wird. Reine, glückliche Liebe hat in diesem Buche eine zarte
So banale Wege wandelt die Schnitzlersche Muse nicht. Die
Verklärung gefunden.
Liebesnacht hat keine gute Wirkung auf Cäcilien geübt; sie
Isolde Kurz beschert uns auch in den „Neuen Gedichten“.
wollte nur Freundschaft, die durch diese Wendung zerstört
lauteres Gold, wie man es ja von ihr von früher her ge¬
wurde; sie fürchtet auch den Ekel, der zum Schlusse kommt.
wohnt ist. Die neuen Gedichte sind auch in dem Sinne
Kurz, die eben erst wieder vereinigten Ehegatten gehen
neu, als sie gewissermaßen zeitgemäß sind, d. h. neueste
neuerlich aus einander. Wie sich ihr Leben weiter gestaltet,
Stoffe erörtern. Die Dichterin ist dabei eine Meisterin der
verschweigt uns der Verf.; doch wir haben an dem bisher
Sprache, sowohl dort, wo sie sich zu weihevoller Höhe er¬
Gehörten und Gesehenen vollauf genug und atmen erleichtert
hebt, als dort, wo sie die Geißel der Satire schwingt, wie
auf, wenn der Vorhang sich zum letzten Male über dieser
in „Epigramm“ (S. 171) und in „Philister“ (S. 89). Mit
Komödie des Widersinns senkt. Und der Dialog? Hat
geradem Worte, eine echte deutsche Frau, tadelt sie Schwächen
man jemals Mann und Frau eine solche spitzfindige Sprache
und Vorurteile der Gesellschaft. In einigen Stücken („Das
mit einander führen gehört? Das ist wahrlich nicht die
fahrende Fräulein", „Der schwarze Reiter“) trifft sie in voll¬
Sprache, in der intime Herzensangelegenheiten ausgedrückt
endeter Weise den Balladenton.
werden, sondern man glaubt eher den Reden und Antworten
Emma Burg schrieb, wie das einleitende Widmungs¬
zweier Parteienvertreter, die sich gegenseitig vor Gericht zu
gedicht zum Ausdruck bringt, ihre Dichtungen für die Tochter
überlisten suchen, oder Disputationen in einem juristischen
Ihr. k. Hoheit der Frau Prinzessin Ludwig Ferdinand nieder;
Seminar beizuwohnen. Kein Funke von Gemüt, keine echte
sie hat teils Legendenstoffe (St. Regeswinda, Christophorus!
Stimmung in dem ganzen Stücke, wenn auch der Schein
teils alte Sage, teils selbsterfundene Märchenstoffe, teils
einer solchen durch gelegentliches Anschlagen eines Akkordes
eigenste tiefsinnige Empfindung („Lilia“, „Heimweh“) heran¬
auf dem Klavier oder durch Singen einiger Takte aus einem
gezogen und bietet daher auch hinsichtlich der Form reichen
berühmten Liede zu erzeugen gesucht wird. Herr Schnitzler
Wechsel. Die Form der Legendenstoffe ist episch, die von
wird von seinen Bewunderern der „wienerischeste“ unter den
„Heimweh“ dramatisch; stets aber ist die Grundfarbe eine
jüngeren österreichischen Bühnendichtern genannt. Armes
In den Märchen eigener Erfindung („Himmels¬
Wien, welcher Mißbrauch wird oft gegenüber dem Auslande
lyrische.
brand“ „Königskerze“) klingt sie an die Manier und feine
(im eigenen Lande ist man ja doch nicht so leicht zu täuschen
Natursymbolik Rud. Baumbachs an. Die reizende Gedicht¬
mit deinem Namen getrieben! Was da in der Komödie
sammlung kann wohl jeder Tochter des deutschen Hauses als
„Zwischenspiel“ geboten wird, ist das gerade Widerspiel des
veredelnde Lektüre in die Hand gegeben werden.
Wienertums. Denn vorläufig hat der echte Wiener noch
nicht seinen gesunden Menschenverstand und seine gemütvolle
Norah Schmidt ist ein junges, vielversprechendes Talent;
Lebensauffassung eingebüßt, und von beiden findet sich in
sie führt sich mit ihrem Bändchen von Liedern, benannt
dem (übrigens durchgefallenen) Stücke auch nicht die leiseste
„Vor Tagesanbruch“ recht vorteilhaft ein. Sie bietet eine
Art poetischen Taschenbuches, lauter Selbsterlebtes und Selbst¬
Spur.
Derl Jeefeld.
empfundenes. Ueberall taucht ihre liebenswürdige Subjek¬
tivität im Hintergrunde der Schildereien auf. Echt weibliche
Zartheit verbindet sich allenthalben mit Kraft und Innigkeit
Frauenlyrik.
des Gefühls und Schönheit des Ausdrucks. Nirgends be¬
Stubenberg, Mathilde Gräfin, Myrten. Wien, 1905. Gerlach
gegnet man einem gesuchten Gedanken, überall schöpft sie
& Comp. (51 S. 4.)
aus dem reinen Quell natürlich=gesunden Innenlebens.
Kurz, Isolde, Neue Gedichte. Stuttgart u. Berlin, 1905. Cotta
Thekla Skorra zeigt in den ersten Teilen ihrer Samm¬
Nachf. (186 S. 8.) = 2, 50.
lung, „Befreiung" und „Aus toten Tagen“, ein bedeutendes
Burg, Emma, Für deine Tochter. Paderborn, 1904. Schöningh.
Maß des Könnens. In den übrigen verdirbt die Polemik
(203 S. 8.) M 2, 40.
die reine Stimmung. Lauter schrille Töne! Gewöhnliche
Schmidt, Norah, Vor Tagesanbruch. Berlin, 1905. Verlag Har¬
Tagesfragen, die angebliche Nichtgleichberechtigung der Juden,
monie. (116 S. 8.) „4 2, 50.
die Vorrechte des blauen Blutes, die Zurücksetzung der Kinder
Skorra, Thekla, Wovon mein Herz sich freigesungen. Berlin,
der Liebe, Frauenrechteleien 2c. reimt sie da mit verbissener
1905. Lilienthal. (95 S. 8.) .7 2.
Bangels, Marie Louise von, Prismen. Ebd., 1905. (76 S. 8.)
Rabbulistik zusammen. Man vergleiche hierzu das Gedicht:
M 2.
„Was ist Deutschland?“ (S. 87).
Raible, Marie, Deutsch=Amerika. 2. Auflage. Tübingen, 1905.
Die „Prismen“ von M. L. Bangels wollen keine
M 4.
Ostander. (215 S. 8.)
großen Schwingungsweiten des Seelenlebens, sondern nur
Bosch=Ibo, Ida, Gedankenflug. Stuttgart, 1904. Strecker &
Momente desselben zur Darstellung bringen. Kerniger Witz
Schröder. (73 S. 8.) K 1, 20.
bietet da und dort, wie in „Spatzenphilosophie", angenehme
Collier, Hedwig, Glockenklänge. Burg b. Magdeburg, 1905.
Abwechslung. Der gemeine Spatz verhöhnt den stolzen
(150 S. 8.) Geb. mit Goldschnitt = 3.
Papagei, der hinter seinen goldenen Stäben ohnmächtig sitzt;
„Jungen glücklichen Herzen zugeeignet" sind die „Myrten“.
selbstbewußt rühmt er sich ferner:
der Gräfin Mathilde v. Stubenberg, „ein Brautkranz“