II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 127

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20. Zuischenaniel

Telephon 12801.
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(Quellenang
16 Geissel, Wien
Ausschnitt aus:
15 11. 1905
vom:
E2

Wiener Theater-Rundschau.
Von Rudolphus.
Ein heißer Novitätenkampf. Durchfälle sind an der Tages¬
ordnung. Einen wirklich großen Erfolg haben wir noch immer
nicht zu verzeichnen. Wir sind gedulllig und wollen warten.
Im Burgtheater, wo leider noch immer Schleuther
regiert, gab es bisher vier Neuheiten. Clemenceaus „Schleier des
Glücks“ und Herviens „Rätsel“ zeigten sich recht unbedeutend.
Clemenceau ist als Dramatiker zu breitspurig; er mag aber ein
tüchtiger Politiker sein. Auf der Bühne versagt er. Der Inhalt
seines Stückes liegt im Titel. Um das harmlose Stück interessant
zu machen, läßt er es in China spielen und als Mandarin mußte
der tränenbeladene Sonnenthal über die Bühne laufen. Hervien
ist uns schon als Dramatiker bekannt. Diesmal kam der Akade¬
miker mit einem zahmen Ehebruchsdrama, Zwei Akte lang wird
das Publikum in Spannung gehalten, und als der Vorhang endlich
fällt, weiß man, daß es kein langweiligeres Stück als dieses
geben kann.
Nach langer Pause erschien Artun-Schnitzler im Burg¬
theater. Man kennt ja die Gründe seiner Verstimmung, die nun
scheinbar behoben sind. Also Schnitzlers neueste Komödie nennt
sich „Zwischenspiel“, ist ein modernes Künstlerdrama und be¬
handelt ein Eheproblem. Es muß nicht besonders betont werden,
daß es ungelöst bleibt. Freilich hätte man erwarten dürfen, daß
uns Schnitzler mancherlei Neues über die moderne Ehe zu sagen
haben wird. Indes weit gefehlt. Ziemlich oberflächlich berührt
er das Problem und beginnt mit einemmale zu geistreicheln. Der
Aufbau ist gut. die Exposition setzt glänzend ein. Der dritte Akt
hat Humor. Sogar wienerischen Humor. Der Dichter der „Liebelei“
wird erkennbar. Doch das ist nur vorübergehend. Ein Prinz ist
die beste Figur des Stückes. Die übrigen Figuren sind bloße
Schatten, farb- und leblos. Der Kapellmeister, den Kainz meister¬
haft, aber auch zu monoton spielte, ist eine Drahtpuppe. Doch
was tut derlei. Das „Zwischenspiel“ ist angeblich ein Kassenstück
geworden. Und so etwas ist für Herrn Schienther die Haugtsache.
Telephen 12801.
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San Francisco. Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenengabe ohnn Gewähr.)
Ausschnitt aus: Funken, Leipzig
25.11. 1905
vom:
Endlich wieder ein paar stärkere Eindrücke im Theater
empfangen. Sonst ist es ja immer so trostlos primitiv, wie
lwenn Erwachsene sich mühen zu Kindern zu sprechen. Alles
überdeutlich, die Farben grell, die Worte schreiend. Plakat¬
Psychologie. Nichts jämmerlicher als dann immer dazusitzen und
nicht zu begreifen, daß anscheinend erwachsene Menschen solch¬
kläglicher Dummheit nicht überdrüssig werden. Und immer¬
wieder brutale Verführer, edle Hilfslehrer, zerstreute Professoren,
schüchterne Asfessoren und semmelblonde Lyriker. Wenn man
dann plötzlich Schicksale wirklicher und gar noch kultivierter
Menschen sieht, erquickt das wie Gewitterregen nach Dürre.
Das „Zwischenspiel“ von Schnitzfer. Ehegatten, die
sich die Freiheit geben, und doch Kameraden bleiben wollen.
Nur vom Bett, nicht vom Tisch geschieden. Und aus ihren
Schicksalen quellen verborgene Wahrheiten, die nicht in geist¬
reichen Sentenzen abtropfen. Etwa: Aur die Frau hat das
Genie der Liebe:Sienacht ihrer Freihell in Wünschen,
der Mann in Taten Gebrauch. Wahrheit kann uns zum
Fluche werden und Betrug zum Segen. So seltsam ändern
uns die Erlebnisse, daß wir die Gleichen zu bleiben scheinen
und uns mit uns selbst betrügen können, unsere eigenen
Nebenbuhler werden. Verständnis ist nie in Worten, immer
nur im Schweigen . .. Das Stück selbst ist nicht zwingend
genug. Es ist nicht, wie schillernder Kritikerwitz meint, eine
Schreibtisch=Komödie, sondern die Komödie von Leuten, die
zuviel am Schreibtische sitzen. Doch es ist rein und führt
in Tiefen. Es tut so wohl, sich einmal verlieren zu können,
nicht auf der platten Oberfläche bleiben zu müssen..