II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 130

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20. Zuistapie1
liches Dasein wie ein leeres Zwischen= erwartet, die zahlreichen Freunde des
Hauses Wahnfried, aber auch Be¬
spiel beendet, und da weiß sie nun,
richterstatter von Berliner, Pariser
daß sie keinerlei Glück mehr zu finden
und anderen Blättern stellen sich ein,
vermag, vor dem sie nicht, selbst
und ein seit Wochen ausverkauftes
im Rausch und im Taumel, mit
innerem Bangen erzittern müßte.
Haus, besetzt von den ersten Kreisen
der Hamburger Gesellschaft, harrt
So zart und vielfältig sind hier
dem Ereignis mit scheinbar fieber¬
die seelischen Fäden verschlungen.
hafter Spannung entgegen. Nach
Und es ist ein Jammer, wieviel die
jedem Akte pilgert dann alles in die
Bühne von allem, was gut daran
Mittelloge des ersten Ranges, wo
ist, achtlos verschlingt, während sie
Frau Wagner im Kreise ihrer Familie
alle Schwächen sichtbarlich unter¬
die Worte der Bewunderung für ihren
streicht. Es wirkt alles viel künst¬
licher, viel unklarer, viel brutaler, als
Sohn entgegennimmt. Wie oft aber
es in Wahrheit ist und beim ruhigen
kann man's dabei beobachten, daß
der noch eben, indem er Frau Wag¬
Lesen wirken würde. Was subtilste
ners Hände küßte, nur „ah“ und
psychologische Analyse und Beobacht¬
ung ist, erscheint hier oft als flüch¬
„oh“ hatte, aus der Loge getreten,
dem nächsten Bekannten gegenüber
tiges und schwulstiges Wortemachen.
Und wo eine bedächtige innere Ent¬
mit überlegenem Spott die „unmög¬
wicklung sich folgerecht vollzieht, da
liche Sache“ belächelt! Und das ist
das eine Häßliche an diesen Pre¬
spürt das Parkett bloß den Mangel
an starker und zwingender Handlung.
mieren: das Bewunderungsheucheln
Noch einmal: die Bühne ist nicht die
vor der verehrungswürdigen Frau.
richtige Kulisse für derlei entkörperte
Das andere Häßliche folgt andern
und abgezogene Seelenkunst — die
Tags: das „Abschlachten“ des Kom¬
dennoch anderseits so tief im Kör¬
ponisten durch die Zeitungen. Die
perlichen und Physiologischen wurzelt,
beiden Gegensätze berühren sich zwar
daß die Bühne förmlich eine Scheu
nicht, aber sie treiben einander gegen¬
seitig hervor.
und eine abermalige Unfähigkeit emp¬
findet, sich ganz in die Tiefe des
Siegfried Wagner gibt sich auch im
Problems zu versenken. Somit sehe
„Bruder Lustig“ noch so ziemlich als
ich hier tatsächlich keinen Weg, der
derselbe, wie seinerzeit in seinem
vorwärts und zum Heile führte. In
liebenswürdigen „Bärenhäuter“. Die¬
seinem „Zwischenspiel“ hat Schnitzler
selben Vorzüge, dieselben Schwächen.
ein Aeußerstes geleistet. Will er dar¬
Aber was bei jenem ersten Versuch
über hinauskommen, so gibt es bloß
als ein Verdienst erschien und was
noch die Umkehr: den Weg zur No¬
man eben dort verzeihlich finden
Franz Servaes
velle.
konnte, das unterliegt nun bei seiner
vierten Oper einem viel strenge¬
S
ren und minder nachsichtigen Urteil.
Die Begeisterung bei der Premiere
( Siegfried Wagners „Brü¬
(Masin
war diesmal merklich kühler. Und
der Lustig“
das begreift sich. Denn so viel gute
Unter dem gewohnten Zulauf von
Absicht man, wie in Siegfried Wag¬
fern und nah hat im Hamburger
ners Schaffen überhaupt, so auch
Stadttheater wiederum eine Urauf¬
am „Bruder Lustig“ erkennen sollte,
führung nach Siegfried Wanner stett¬
so wenig vermag die Ausführung zu
gefunden. Es ist etwas Merkwür¬
befriedigen. Es gibt Künstler, welche
diges um diese Uraufführungen.
offenbar auf Irr= und Abwegen wan¬
Seit Wochen werden sie mit Spannung
Kunswran Ar. 1