II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 137

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20. Zuischenspiel

en wir beide früher nicht ahnen, wozu Gatte, noch ihr Kamerad, noch ihr Geliebter se.
sondern „etwas Besseres und was Schlimmeres“: „De¬
wäre, wenn sich die wirkliche Welt vor
Mann, der sie einem anderen nimmt, der, für den sie den
Ich bin schon heute nicht mehr, die
anderen verrät, einer, der ihr Seligkeit und Sünde zu¬
deus..... Oder vielleicht war ich immer
gleich bedeutet,“ und er ruft ihr im Rausche der Sinne
habe es nur nicht gewußt; und es ist jetzt
zu: „Cäcilie, keinem von uns beiden wird jemals, so
ir abgefallen, das mich früher umhüllt
lange er lebt, ein schöneres Abenteuer auf dem Wege
Ja, so muß es sein: denn jetzt fühle ich
blühen!“
die früher an mir herabgeglitten sind
fühllosen eisernen Panzer, . . . jetzt sühle
Die schlichten und
Und Cäcilie? —
meinen Leib, über meine Seele gleiten,
altmodischen Gemüter von oben erwarten, dumm,
en mich beben und glühen. Die Erde
wie sie sind, daß ihr die Augen über sich selbst auf¬
voll Abenteuer, der Himmel wie von
gehen, daß sie, die Besonnene, ihren exaltierten Gatte.
zur Vernunft und mit der Zeit auf den rechten Weg
fahlend, und mir ist, als säh' ich mich selbst,
usgebreiteten Armen dastehe und warte.“
zurückbringen werde. Ist er doch ein Künstler und als
Phantasiemensch von Launen, Schwächen und Ver¬
frichtigkeit läßt dieses Bekenntnis einer
irrungen abhängiger und entschuldbarer als irgend
e gewiß nichts zu wünschen übrig; eine
ein solider Sterblicher! Und stehl doch einer würdigen,
ker anderen wert. Eigentümlicherweise aber
liebevollen Frau und Mutter, die Mitleid mit dem
von dem ihr fassungslos zuhörenden Gatten
Vater ihres Knaben hat, ein guter Engel bei, um
lig verstanden, sondern der Wandlung ihrer
ihrem besseren Ich durch alle möglichen Fährlichkeiten
en beinahe gepriesen und beglückwünscht.
und Anfechtungen zum Siege zu verhelfen! Der¬
Amadeus wähnt nichts anderes, als daß
gleichen paßte nicht in den Plan unseres Dichters
dem walzerspielenden Fürsten einen Kursus
und nicht in den Kalkul seiner spitzfindigen Anschläge,
rchstudiert und sich zu dem weiblichen Ideal
er wollte das Niedagewesene, Unerhörte und Aller¬
nnet habe, das er in seinen schwülen
neueste: die schimpfliche Verführung und Entehrung
äumen erblickte. Anstatt ihr, wie schlichte
der Gattin durch den Gatten, die Treulosigkeit im
sche Gemüter wünschen, trotz Peterl, kurzweg
Quadrat, den Ehebruch in der dritten Potenz. Cäcilie
weisen, entbrennt er in plötzlicher Begierde
kommt ermüdet und zerschlagen von der Reise heim,
llene. .... Gern übersieht oder überhört er,
sie ist auf nichts weniger als auf einen solchen
me nicht für ihn geöffnet sind, daß sie auf
Empfang vorbereitet. Fern von dem Versucher, der
en wartet — wie sich später herausstellt,
den ersten Tenor der Berliner. Oper! — ihre Tugend noch nicht angetastet hat, mußte sie vor
n sogar, sie ihrem vermeintlichen Liebhaber, dem Zerrspiegel der Liebe, aus dem ihr neben dem
abspenstig zu machen! Er will weder ihr eigenen das häßlich entstellte Antlitz ihres Mannes

entgegengrinst, zurückschaudern. Dennoch gibt sie sich
sseinem Verlangen hin, und der Vorhang kann nicht
schnell genug über die widerliche Szene herabsinken.!
Ist das noch Seelenkunde, so folgt sie eigenen Ge¬
setzen, die eher in ein wissenschaftliches Buch über
Sexualpathologie als in ein Werk der Kunst und
ganz gewiß nicht auf das Theater gehören, we auch
lder krankhafte Ausnahmefall nur zu leicht typisches
Ansehen gewinnt, und das Kehrbild des Lebens im
[Prunkrahmen, der es umgibt, eher anzieht als ab¬
schreckt, sobald es von der Hand eines bedeutenden
Künstlers in den feinsten Zügen mit Geist und Witz
sgemalt worden ist.
Glücklicherweise führt der dritte Akt des Stückes
die ganze Komödic ad absurdum und erspart der
Kritik, noch lächerliche Konsequenzen aus den sich
höchst ernsthaft gebärdenden Voraussetzungen zu ziehen.
Wenn der zartsinnige, sanfte und rein empfindende
Fürst Sigismund endlich zum Vorschein kommt und
bei dem auf ihn eifersüchtig gewordenen Kapell¬
meister, der ihn umbringen will, in aller Form um
die Hand seiner Gattin Cäcilic anhält, indem er
rücksichtsvoll erklärt, auch Peterl mitzunehmen und
den Ex=Gatten als Hausfreund zu acceptieren, so
werden die Augen der Zuschauer von Tränen feucht,
leider von Lachtränen, während sie doch gerührt sein
sollten. Wir wollen die toten Stunden des „Zwischen¬
spiels“ als Intermezzo auffassen zwischen den alten
„Lebendigen Stunden“ Arthur Schnitzlers und neuen,
die er seinen aufrichtigen Verehrern hoffentlich nicht
allzu lange schuldig bleiben wird.
Max. Kalbeck.