II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 167

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20. Zwischenspiel box 25/1
denken. Die warme Herbstsonne hat ein wenig Farbe und
ben auf die sonst ach so blassen, schier anämischen Wangen
serer Stadtphysiognomie gezaubert. Mit einigem guten Willen
inen wir sogar daran glauben, daß der vielberufene, oft und
ßherbeigesehnte Fremde in unseren Mauern weile. Ach, was
ben wir dieses schmerzlich vermißten Fremden wegen nicht schon
ausgestanden! Der Fremde spielt bei uns zu Hause die Rolle
schier sagenhaften= Erbonkels aus Amerika.. Unser Leben und
eiben, unser Tun und Lassen richten wir nach ihm ein, und das
aje Jahr hindurch spielen wir das ein wenig ermüdende Gänse¬
nchenspiel: Kommt er — von Herzen — mit Schmerzen —
bwenig — oder gar nicht?? Kaum lassen wir es uns ein wenig
sein, lümmeln ein wenig wienerisch hin oder strecken sorglos die
fine von uns, flugs tritt irgend ein sorgenschwerer Weiser an uns
an, klopft uns gedankenschwer und vorwurfevoll auf die Schulter
dispricht die bedenkliche Mahnung: Was wird der Fremde dazu
en? Er wird am Ende gar nicht kommen!! Jetzt, in der glück¬
gen Laune des Heimkehrenden, sind wir versucht, übermütig zu
t, ein Schnippchen zu schlagen und lachend zu rufen: Um so
immer für ihn! Wie geschmacklos von dem Fremden!! Denn
Enach wochenlanger Trennung fühlt man lokalpatriotischer als
stune enießt mit vollen Zügen die einzige, sinnbetörende Schön¬
Wiens. Wie ein Eroberer schreitest Du durch die Straßen
Stadt, mit herrischer Milde, mit gütig lächelndem Siegertrotz.
dstarke, purpurschwere Worte flüsterst Du Dir selber zu. Kom¬
knisten sind wir jetzt alle, aber gutmütige, harmlose, wunsch¬
mde Kommunisten. Gehört doch ohnehin alles Schöne, alles Be¬
hrenswerte uns allen. In diesen Tagen der Heimkehr erquicken
runs an dem Lächeln vorübergehender schöner Frauen, und daß
end ein langweiliger Geck an ihrer Seite gehi, int unserem Ge¬
ßen keinen Abbruch. Für uns alle lächelt sie, für Dich, für mich,
jedermann, der Verständnis besitzt für der Güter lostbarstes,
ünsere arme Sprache mit simpler Schlichtheit: Frauenlächeln
#nt Uns allen gehört jetzt die ragende Pracht stolzer Ring¬
aßenpaläste, und der wäre nicht wert, nach wochenlangem Ferien¬
l nach Wien zurückkehren zu dürfen, der sich den ästhetischen
knuß der Betrachtung durch die nüchterne Kommiserwägung ver¬
kinern ließe, daß ganz andere Leute in diesen Palästen wohnen.
d nicht anders geht es uns mit den Gummiradlern, die vorüber¬
len. Zum Glück hai es lange nicht geregnet, und der Genuß
hetischer Betrachtung wird nicht durch die traurige Konstatierung
stört, daß es zwei Klassen von Menschen gibt, solche, die im
summiradler fahren, und andere mehrere, die von ihnen bloß mit
pth bespritzt werden. Auch den vorbeirasenden Automobilen trägt
emand der mit dn rosa Brillen des Heimkehrenden pe sehen ist,
ch, daß er und die übrige miscra plebs conteihnens mit diesen
stspieligen Gefährten kaum jemals in andere Berührung kommi,
in die nicht gerade hygienische des Ueberfahrenwerdens. Man
eben wieder Großstädter, man fühn sich #ehobener und leichter
d mutiger. Die Sicherheit und die Energie, mit der all die
kundirte un Tausende ihren verschiegenen Zielen entgegeneilen,
frken austeckend. Der Sturmschritt der Menge reißt mit, und der
heiße Atem ihrer Wünsche, ihrer Leidenschaften, ihrer Begierden
durchwärmt und durchglüht. Wie berauschi ist man von diesen!
brandenden Wogen, die aus Millionen Wellen zusammenklingen
und ein einziges zu verkünden scheinen: Leben! ...
Mit einigem guten Willen und ein klein wenig Nachsicht kann
man sich schon mitten in die Hochsaison unseres sit venia verbo
geistigen Lebens versetzt glauben. Bereits flattern die ersten Nach¬
richten über literarische Neugründungen auf, sämtliche Theater¬
direktoren haben uns auf demithergebrachten Weg lithographierter
Kanzleinotizen verständigt, wie sie den Kunstsinn der wenigen, nicht
auf Freibilletts sich beschränkenden Wiener zu stacheln gedenken,
und das Rundreiseprogramm Girardis über sämtliche Wiener
Bühnen ist bereits zur Gänze ausgearbeitet. Eine neue Wochen¬
schrift blüht uns. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre be¬
schränkt sich der Kenner der einschlägigen Verhältnisse darauf, die
wirtschaftliche Seite der Frage ins Auge zu fassen. Es kommt
Geld unter die Leute, und es ist wunderhübsch von jungen Männern
aus guter Familie, wenn sie statt notleidenden Choristinnen not¬
leidenden Literaten unter die freilich weniger wohlgeformten Arme
greifen. In den richtunggebenden Kafseehäusern wirbelt diese Neu¬
gründung, und was drum und dran hängt, so viel Staub auf, daß
man eigentlich gar nicht dazu kam, jenen Friedensschluß, der sich an
Bedeutung dem von Portsmouth unmittelbar anschließt, ent¬
sprechend zu würdigen. Ich meine die Versöhnung zwischen Direktor
Schlenther und Arthur Schnitzler, die zur angenehmen
Folge hat, daß uns die Beschämung erspart bleibt, die Bekannt¬
schaft mit dem jüngsten Werk des stärksten und echtesten modernen
Wiener Dramatikers der Zufallsgunst irgend einer Berliner Gast¬
spieltruppe zu danken. Direktor Schlenther ist augenblicklich auf
der Wolter=Suche. Ein Experiment, das er mit einer ebenso be¬
gabien, als verbildeten süddeutschen Heroine unternahm, ist viel¬
leicht ein wenig allzu strenge beurteilt worden. Der Burgtheater¬
Gewaltige konnte wehmutsvoll den alten Theaterscherz erent
Herbst wird es, und die Blätter fallen über mich her. Er ließ###h##
aber, wenigstens äußerlich, nicht nahe gehen, und das viel
zweifelte Engagement der betreffeuden Dame soll tatsächlich so
wie vollzogen sein. Die Auffrischung des weiblichen Mitgliederk
standes unserer Hofhühne bleibt allerdings nach wie vor eine offene,
eine unbeantwortete Frage, und sie wird dadurch nicht gelöst daß
allerlei Kulisseninirigen dazu beitragen, die wertvollsten Mitglieder
ich nenne nur die Namen
des Burgtheater=Ensembles —
— burgtheatermüde zu
Schmittlein und Reinhold
machen. Von anderen Wiener Bühnen soll in einem nächsten Wiener
Brief ausführlicher die Rede sein, für heute sei nux so viel bemerkt,
daß eine Flui neuer Namen — Autoren und Darsteller — an das
Gedächtnis des Theaterfreundes bedeutende Anforderungen stellt¬
Unsete Direktoren haben jahrelang mit dem Starsystem so üble
Erfahrungen gemacht, daß sie sich schließlich zu dem bekannten Ober¬
länderschen Rezept der probaten Löwenvertilgung bekehrt haben:
Man sperre zwei und mehr Löwen in einen Käfig. Sie fressen
schließlich einander auf
Dr. Julian Sternberg.