II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 169

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20. Zuischenspiel
gruber und die Klassiker schwärmen. Welke Blätter und junge gehört hat. Der tückische Ziffernzufall trabt munter hinter ihr
her. Jüngst will sie einen Wagen besteigen, um zur
Stücke fallen ... Theaterherbst!
Schneiderin zu fahren. Die Zahl „133“ grinst ihr ent¬
In den Wiener Theatern wurde schon lange nicht so
energisch vorgearbeitet, wie heuer. Es rücken neue Kräfte an, es gegen. Fast hätte sie auch in ihrer Garderobe der „Dreizehner“
genarrt. Wie es ein Gesetz der Serie gibt, scheint auch der Aber¬
kommen neue Regisseure, die neue Stücke inszenieren und auch sich
selbst. Man gönnt den Stücken mehr Proben, „Rosmersholm“ glaube seine Serien zu haben. Denn in London, wo die Künst¬
lerin sich aufhielt, bevor sie ihre Reise nach Wien unternahm,
hatte deren fünfzehn. In allen Theatern ist man mit dem größten
trug ihr Hotelzimmer ebenfalls Nummer 133. Ihre Bekannten
Eifer am Werke. Das Burgtheater hat eine unheimlich lange
wissen bereits, daß sie der Dreizehner auf Schritt und Tritt ver¬
Novitätenliste veröffentlicht. Fast fünfzehn Uraufführungen — wie
folgt, und hänseln sie damit. Aber das scheint die Künstlerin nicht
es jetzt immer heißt — ziehen drohend am Theaterhimmel auf.
zu genieren. Ihr fehlt der Aberglaube ganz, und es würde sie
Den ersten Schlager hofft man mit Schönthans „Klein Dorrit“
sicherlich nicht kränken, recht bald vor dem dreizehnten Erfolge zu
zu gewinnen. Schönthan, der ein gutes Ohr für die Stimmen der
stehen. Sie ist und bleibt die schöne „Dame von Nummer 13“
Zeit hat und noch mehr für die Stimmungen, knüpft an den Erfolg
viel amusanter und auch erfolgreicher, als ihre traurige Kollegin
von „Quality street“ an. Als das Versstück in Mode war,
von „Nummer 23“.
machte er aus der „Renaissance“ eine abendfüllende Nichtigkeit,
Auch eine andere Theaterdame — Indiskretion ist diesmal
jetzt spekuliert er à la hausse in echt „englischen Stoffen“. Made
Ehrensache — kennt nicht die Furcht des Aberglaubens. Sie ist
in Germany. „Klein. Dorrit“ wird von Frau Retty gespielt. Wie
an einem Theater der leichten Reizungen engagiert. Aus Deutsch¬
man einst zum „Kleinen Lord“ lief, so wird man jetzt zur
land kam sie hieher. Vor ein paar Tagen hat man ihr die Gar¬
kleinen Dorrit laufen. Sie dürfte für Schönthan wieder eine
„Goldene Eva“ werden. Der korpulente Roman von Dickens wurde derobe angewiesen, in der sie sich für die Stücke entkleiden muß,
in denen sie — vorläufig noch im Hintergrunde der Ereignisse —
zur schlanken Rolle.
erscheint. Als sie zwischen ihren Schminktöpfen saß und im Be¬
Wie man ferner aus dem Burgtheater hört, soll die Lücke, die
griffe war, sich für eine Farbe zu bekennen, trat die „Garderoberin“
durch den Austritt des Herrn Heine entstanden ist, durch kein
ein. Man sprach über Wiener Verhältnisse. Nicht im Theatersinne.
Neuengagement ergänzt, sondern es sollen die von ihm gespielten
Und da sagte die „Garderoberin“ mit echt wienerischer Gemütlich¬
Rollen unter den bereits zur Verfügung stehenden Künstlern ver¬
keit: „Wissen S', Fräulein, die Dame, die vor einem Jahr in dieser
teilt werden. Die bedeutendsten der sogenannten „scharfen“
Rollen, die großen Charaktergestalten, wie „Richard III.“ und Garderobe war, hat an Krach mit dem Herrn Direktor g’habt
Es dauerte
„Mephisto“ werden ohnedem über kurz oder lang, in ihrer und is nach an Monat g'flogen.“
nicht lange und es rief der Inspizient: „Ah, die Gar¬
Gesamtheit beinahe, an Herrn Kainz übergehen. So wird, um
derobe haben Sie, Fräulein? Vor zwei Jahren war die Soundso
nur einen solchen Rollentausch anzuführen, nach dem Eintritt des
da, die hat mit dem Direktor einen furchtbaren Skandal gehabt.“
neuen jugendlichen Liebhabers Herrn Gerasch, in Grillparzers
Und als eine liebe Kollegin später hinzutrat, meinte auch diese liebens¬
„Traum ein Leben“ alsbald der Besetzungswechsel geschehen, daß
würdig: „Die Garderobe haben sie Ihnen gegeben? Da war einmal
Herr Gerasch den Rustan übernimmt, Herr Kainz aber
eine drin, die hat sich nach drei Monaten scheiden lassen und dabei
den Zanga spielen wird.
war's nicht einmal verheiratet.“ Alle diese Schrecken haben die
Die Bedeutung einer zweiten Probebühne für das Novitäten¬
neuengagierte Dame ein wenig beunruhigt, sie muß aber den ihr
repertoire des Burgtheaters erweist sich beim Beginn der Saison
angewiesenen Platz beibehalten und sie bedauert nur, daß sich noch
gleich in drastischster Verwertung derselben. An dem nämlichen Tage,
kein Tröster gefunden hat, dem sie ihr Leid klagen könnte.
zur nämlichen Stunde haben diese Woche die „Setzproben“ der
Frau Glöckner aber klagt jedem ihr Leid. Nicht nur jene,
zwei nächsten Novitäten stattgefunden. Im Burgtheater
die an der Schwelle ihrer Erfolge stehen, haben Theaterqualen
wurde „Klein=Dorrit“ „gestellt“ und gleichzeitig auf der
auszukosten, sondern auch die Arrivées. Seitdem Pepi Glöckner
Josefstädter Bühne Schnitzlers neues Stück „Zwischen¬
ihr Gastspiel am Raimund=Theater abgeschlossen hat, weiß sie ein
spiel“. Keiner von den Darstellern der einen Novität ist in
Lied zu singen. Ein neues Lied, das einen traurigen Klang hat.
der anderen beschäftigt und so knnen die beiden zugleich ein¬
Ein Schwarm produktiver Autoren und Autorinnen belästigt die
studiert und in der Zeitdistanz weniger Tage aufgeführt werden.
Soubrette. Jeder hat eine Rolle für sie geschrieben, oder ist im Begriffe
der
Herr Hartmann führt die Regie von „Klein=Dorrit“
eine zu schreiben. Im Kaffeehause warten die Autoren auf sie, und
neue Regisseur, Herr Theodor Brandt, hat seine Regie¬
ist es
wenn einer von ihnen sie ein Stück begleiten will, so
kunst zum erstenmale in der Schnitzler'schen Komödie zu erweisen.
sicherlich ein — Stück von ihm. Sie hat nirgends Ruhe. Jüngst,
Der „Schleier des Glücks“ hatte bekanntlich schon geraume
als sie zu einer Probe ins Deutsche Volkstheater kam, harrte ein
Zeit im Repertoire=Garderobekasten des Burgtheaters gehangen,
abglattrasierter Jüngling mit einer Rolle unter dem Arme. Zögernd
ehe man sich entschloß, es denn doch mit ihm zu versuchen -
näherte er sich, dann lüftete er devot den Schlapphut. Er hatte
aus internationaler Höflichkeit für den Autor schon, der #“ der
die Künstlern einmal auf einem Gastspiel kennen gelernt, und da
politischen Bühne schon so manchen zündenden „Schlager“ racht
habe
die „Statisterei“ nicht viel Ertrag bringt — meint er
und manchen sensationellen Erfolg erzielt hat. Interessa, ist es
er sich aufs Stückeschreiben geworfen. Er sei überzeugt, sein
nun dabei, zu hören, daß es leicht hätte geschehen können, den Schwank in vier Bildern und zwei Vorspielen werde Kasse machen.
„Ministerstürzer“ der französischen Republik in lei# ftiger Person Er erklärt sich jetzt schon zu jeder Aenderung bereit — der glatt¬
auf der Bühne des Burgtheaters begrüßen
können. Der rasierte Jüngling mit der Rolle unter dem Arme. Frau Glöckner
am Burgtheater
berühmte Parlamentarier hatte, als sein St##
warf einen prüfenden Blick in das Manuskript, sie wollte einige
eits in naher Aus¬
angenommen war und die Première damals.
Stichproben machen. Da stand schon auf der ersten Seite:
der Kulissenlust
sicht schien, eine Anwandlung von Lust
Ballgesellschaft Zwei Gigerl (in einer Nische links) machen
Sen zu den Proben
verspürt und wäre bereit gewesen,
Witze. Ganz lapidar stand es da: „Machen Witze.“ Sonst nichts.
können, daß das
zu kommen, wobei es wohl nicht hätte
Eine einfache Regiebemerkung. Die Witze blieben der Willkür der
siten Gastes in Kennt¬
Publikum, von der Gegenwart des #
Darsteller überlassen. So dichten glattrasierte Jünglinge mit
Ehren gastlicher Her¬
nis gebracht, bei der Vorstellung
Schlapphüten. Der erste Aktschluß kann hier leider nicht wieder¬
hätte, denen sich zu
vorrufe in genug zwingendem Maße e
gegeben werden. Er ist Josefstadt, die „Herkulespillen“ sind
anstände und Neben¬
entziehen ihm schwer geworden wäre. Nes¬
dagegen ein harmloses Hausmittel. Und alle diese Autoren
nicht zur Ver¬
bedingungen eigener Art aber ließen die
wollen gelesen und gehört sein. Sie kommen in die Wohnung
wirklichung kommen. Clemenceau, der kein hl daraus macht
der Frau Glöckner, um sich die „Entscheidung“ zu holen, wann
und einen Stolz seines politischen Lebens dare setzt, keine Reich¬
sie aufgeführt werden sollen. Der Glattrasierte hatte sogar die
tümer erworben zu haben, muß ein strenger Wirtschafter und
Unverfrorenheit, zweimal zu telephonieren, es seien ihm neue
Rechner sein, und er hätte nach seinem Bemessen die
Coupletrefrains eingefallen. Natürlich Schlager, er schreibe nur
Wiener Expedition, nur unternehmen können, wenn
Schlager, zu denen er selbst die Musik komponiere, denn er sei
ihm hier ein gewisser Betrag von der Theaterkasse
Gelegenheitskomponist. Ja, Gelegenheit macht Couplets ... Mit
garantiert worden wäre. So gewiß aber die pe iönliche Anwesen¬
jeder Post kommen Pakete in die Wohnung, alles Rollen, auf
heit eines so ganz exzeptionellen Autors den Reiz der Vorstellung den Leib geschriebene Rollen. Man begehre aber nicht zu
und die Teilnahme an dem Stücke hätte erhöhen müssen, so war
schauen.
doch das Burgtheater nicht in der Lage, auf eine derartige, noch
Frau Glöckner hat vor einigen Tagen die Häupter der ihr
keinem deutschen Autor gewährte Begünstigung eingehen zu können
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