II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 194

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20. Zuischenspiel
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Die Schaubühn
Schnitzker und sein „Zwischenspiel“.
Fur Aufführung am Gurgtheater.
Von der Bourgeoisie hat die deutsche Moderne fast nichts zu sagen
gehabt. Ein paar Karikaturen in den Erstlingen Sudermanns, die
Tendenzfigur des Dreißiger — das ist so ziemlich alles. Erst war die
Zeit, da die jungen Dichter jede Wirklichkeit interessierte, nur nicht die
eigne, gegenwärtige; und sie wollten gute Bürgerssöhne, von der
Bourgeoisie nichts wissen. Dann aber galt überhaupt nichts mehr, was
greifbar wirklich war, und der Stil erschuf sich aus Traum, Ferne,
Kostüm. Und so könnte das Drama von heute den künftigen Menschen
über unsre Proletarier und Bauern, über unsre Kleinbürger und Zigeuner,
über unsre Anarchisten und Erotiker, Träume und Märchen, Weltan¬
schauungen und Wünsche alles Entscheidende sagen, und nur nichts, gar
nichts Anschauliches über die Klasse der Menschen, deren Blut es doch
zumeist in sich hat, über die Klasse des ökonomisch, geistig und kulturell
konsolidierten Bürgertums. Dies könnte das moderne Drama nicht,
wenn nicht der eine, der einzige Arthur Schnitzler wäre, der das
Wesen und den Stil dieser Bourgeoisie künstlerisch angeschaut und auf¬
gebaut hat.
Bahr hat einmal vor langem, der Artikel hieß „Naturalisten im
Frack“, den Satz aufgeschrieben, unsre jungen Dichte seien nur deshalb
zur Psychologie gekommen, weil sie, einmal arriviert und aus der Bohème
in die gute Gesellschaft gebracht, die Gelegenheit zur Beobachtung andrer
Milieus verloren und nichts als den kleinen Kreis der Frack=Menschen
zur Hand gehabt haben. In diese mußten sie sich nun, um neues
Dichtungsmaterial zu holen, vertiefen, und so wurden sie Psychologen.
Ob er das damals ernst gemeint hat oder nicht, weiß heute wahr¬
scheinlich kein Mensch mehr. Aber erprobt man es an Schnitzler, so
muß man wohl sagen, daß dieser Eine schon von Anfang her für den
Frack und die Psychologie geschaffen war. Er kam nie anders als gut
gekleidet und gepflegt in die Literatur. Und ihn hat kaum je etwas
andres, nie etwas höher interessiert, als gerade die Fragen, die zwischen
zwei solchen Menschen, in manierlichem Ernst und in bewußter Ergriffen¬
heit, erlebt werden.
Die gut gekleideten Personen, die wohlgepflegten Seelen bilden ihm
die Welt. Ihre stilistischen Konturen sind von wienerischem Ausdruck,
in aller Sicherheit noch lässig gezogen, ohne schneidende Schärfen, diskret
und schmeichlerisch leicht. Die heftigste, die tiefste, die wahrste Bewegung
seiner Menschen verliert doch niemals den Geschmack seiner Klasse und
seiner Stadt. Das ist bekannt und oft besprochen. Aber es erschöpft
ihn nicht. Zu diesen kulturellen Werten oder Hemmnissen, die seinen