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20. Zuischenspiel
at d d
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Rundschau.
24 Jahre und des Lesens und Schreibens kundig sein, das sind ungefähr
35 Prozent aller Wähler; rechnet man hinzu, daß diese ländlichen Wähler
infolge ihrer gleichmäßigen Verteilung mindestens 15 Prozent der
anderen Wähler entweder an sich ziehen oder paralysieren, so kommt
man zu dem Ergebnisse, daß das allgemeine gleiche Wahlrecht in
Osterreich eine ungemein starke agrarische Vertretung in das Parlament
bringen wird. Auch heute entsenden die Landbezirke 129 und der
Großgrundbesitz 85 Abgeordnete in das Abgeordnetenhaus, die also
die Mehrheit bilden; allein in Zukunft wird der kleine und der mittlere
Grundbesitz in der agrarischen Vertretung vorherrschen und die bäuer¬
lichen Abgeordneten zu eine weit kompakteren agrarischen Masse
zusammenfassen.
Ebenso dürften auch die Gewerbetreibenden von der Einführung
des allgemeinen gleichen Wahlrechtes profitieren, da die bisherigen
21 Handelskammermandate ausschließlich ihnen zu gute kommen werden.
Das allgemeine und gleiche Wahlrecht würde also in wirtschaftlicher
Beziehung eine erhebliche Stärkung des Einflusses der mittleren produ¬
zierenden Klassen, des Bauern= und Handwerkerstandes bringen. Sofern
seine Ausübung die Kenntnis des Lesens und Schreibens voraussetzt,
würde es aber in nationaler Beziehung mit der einzigen Ausnahme
Galiziens gar keine Veränderungen in der nationalen Gruppierung im
Abgeordnetenhause bewirken; nur in Galizien würde das Polentum eine
erhebliche Einbuße zu Gunsten der Ruthenen erleiden.
Sis
44
Sheater.
Wohl ist die Saison bereits in vollem Gange, doch hat sie in den Schaubühnen
bis jetzt an Neuem kaum Nennenswertes zu Tage gefördert. Die Erstlinge des
Theaterjahres gelten ja immer als Kanonenfutter, aber diesmal sinds ihrer doch
zu viele. Wohin man blickt, Burgtheater, Volkstheater, Raimundtheater, nichts
als Nieten. Die Theaterdirektoren müssen die massenhaften Gefälligkeitsakzepte,
die sie in der Vorsaison einlösen, ziemlich teuer bezahlen. Aber durch Schaden
wird man klug. Vielleicht trägt der bis ins Unerträgliche gesteigerte übelstand,
wertlose Stücke aus rein persönlichen Gründen aufzuführen, dazu bei, daß endlich
der Unsitte, an jeder Bühne jede Woche ein schlechtes Stück, mehr Shlecht als
recht zum Durchfalle vorzubereiten, gesteuert wird.
Das Burgtheater brachte als Einleitung zwei solcher, in schwachen Stunden
angenommener Komödien französischen Ursprungs, „Das Rätsel“ von Hervien und
„Der Schleier des Glückes“ von Clemenceau Es sind Eintagsprodukte, Nichtig¬
20. Zuischenspiel
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Rundschau.
24 Jahre und des Lesens und Schreibens kundig sein, das sind ungefähr
35 Prozent aller Wähler; rechnet man hinzu, daß diese ländlichen Wähler
infolge ihrer gleichmäßigen Verteilung mindestens 15 Prozent der
anderen Wähler entweder an sich ziehen oder paralysieren, so kommt
man zu dem Ergebnisse, daß das allgemeine gleiche Wahlrecht in
Osterreich eine ungemein starke agrarische Vertretung in das Parlament
bringen wird. Auch heute entsenden die Landbezirke 129 und der
Großgrundbesitz 85 Abgeordnete in das Abgeordnetenhaus, die also
die Mehrheit bilden; allein in Zukunft wird der kleine und der mittlere
Grundbesitz in der agrarischen Vertretung vorherrschen und die bäuer¬
lichen Abgeordneten zu eine weit kompakteren agrarischen Masse
zusammenfassen.
Ebenso dürften auch die Gewerbetreibenden von der Einführung
des allgemeinen gleichen Wahlrechtes profitieren, da die bisherigen
21 Handelskammermandate ausschließlich ihnen zu gute kommen werden.
Das allgemeine und gleiche Wahlrecht würde also in wirtschaftlicher
Beziehung eine erhebliche Stärkung des Einflusses der mittleren produ¬
zierenden Klassen, des Bauern= und Handwerkerstandes bringen. Sofern
seine Ausübung die Kenntnis des Lesens und Schreibens voraussetzt,
würde es aber in nationaler Beziehung mit der einzigen Ausnahme
Galiziens gar keine Veränderungen in der nationalen Gruppierung im
Abgeordnetenhause bewirken; nur in Galizien würde das Polentum eine
erhebliche Einbuße zu Gunsten der Ruthenen erleiden.
Sis
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Sheater.
Wohl ist die Saison bereits in vollem Gange, doch hat sie in den Schaubühnen
bis jetzt an Neuem kaum Nennenswertes zu Tage gefördert. Die Erstlinge des
Theaterjahres gelten ja immer als Kanonenfutter, aber diesmal sinds ihrer doch
zu viele. Wohin man blickt, Burgtheater, Volkstheater, Raimundtheater, nichts
als Nieten. Die Theaterdirektoren müssen die massenhaften Gefälligkeitsakzepte,
die sie in der Vorsaison einlösen, ziemlich teuer bezahlen. Aber durch Schaden
wird man klug. Vielleicht trägt der bis ins Unerträgliche gesteigerte übelstand,
wertlose Stücke aus rein persönlichen Gründen aufzuführen, dazu bei, daß endlich
der Unsitte, an jeder Bühne jede Woche ein schlechtes Stück, mehr Shlecht als
recht zum Durchfalle vorzubereiten, gesteuert wird.
Das Burgtheater brachte als Einleitung zwei solcher, in schwachen Stunden
angenommener Komödien französischen Ursprungs, „Das Rätsel“ von Hervien und
„Der Schleier des Glückes“ von Clemenceau Es sind Eintagsprodukte, Nichtig¬