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20. Zwischensniel
Ae interessante Erscheinung. Sie war frücer BucheC.
solcher bypermodernen Ehe die eitle spielerische Erhöhung über die Jer
Forderungen der Natur in den Folgen sich selbst wiederlegen und Tit
gee
ironisieren. Ironisch und komisch und verdreht bis zur
Groteske werden die drei Alte durch allerhand begleitet.
nier
Ein dramatischer Dichter, als Vertrauter und Raisonneur durch
hin.
das Stück gebend, ironisiert das Verhältnis von Wirklichkeit
beh
und dem Bedürfnis des Dramas, indem er immer neue Schlu߬
zun
effekte vorschlägt In einer glänzenden, auf des Messers Schneide
Un
tanzenden Szene werden Ehemann und Liebhaber einander gegen¬
Bei
übergestellt. Vor allem ist Schnitzler wieder der intimste Kenner
au
weiblicher Seele, deren Wesen er, aller Sophistik zum Trotz, aufs
subtilste zergliedert. Und es ist interessant, daß auch bei ihm, wie
der
bei Ibsen, wie bei Bahr und Soaw, in diesen Krisen zwischen
der
Mann und Weib das Weib als der innerlich reichere, kompliziertere,
die
bedeutsamere Organismus dargestellt wird.
Mag nun die eigentliche Bühnenwirksamkeit dieses „Zwischen¬
lei
spiels“ nicht zu hoch eingeschätzt werden dürfen, ihr Dialog gebört
bei
zu dem geistyollsten, was die moderne deutsche Literatur gezeitigt
in
hat. Ueber Liebe und Ehe, das Verhältnis der Geschlechter — es
kor
blitzt und funkelt von fein pointierten Thesen und Amituesen. Ein
D
wunderbarer Teppich, an dessen Farben und Muster das Auge sich
un:
ergötzt, wenn die Linien sich wirr verästeln und verschlingen. Ueber
Hir
dem allen trug ein in den Hauptrollen meisterhaftes Spiel das
ibe
Werk zu einem Erfolg, der den Dichter nach allen Aktschlüssen vor
grü
den Vorhang rief. Ob auch die verblüffende Schlußwendung den
stei
Widerspruch laut werden ließ, da nach manchem Gaukelspiel komischer
ein
und dialektischer Klangverbindungen die etwas sentimentale ernste
Eng
Note das Zwischenspiel endet. Frau Triesch machte die subtile
der
Seelenschilderung des Dichters ebenso wahr wie die Irrwege
plöt
seiner Sophistik. Das Weib, dem das klarere Bewußtsein elementarer
reic
Kräfte innewohnt. Ein wunderbares Spiel, wenn im Anfang die
eini
ängstliche Erkenntnis schwindender Liebe des Gatten mit dem Stolz
Sal
des Weibes kämpfen. Leidenschaft und der Ausbruch der befreiten
kem:
Kreatur, die Sehnsucht unerfüllter Wünsche, ihre anklagende Dialektik,
geke
ihr stummer Schmerz am Schluß, das war ein Menschenbild. Herr
trac
Bassermann, vorzüglich in der Maske, gab den Künstler als
„W
das große naive Kind, das mit sanguinischem Optimismus, mit
tänzelnder Dialektik über die Abgründe voltigiert, sich selbst als Ueber¬
das
mensch betrügt. Wenn vielleicht etwas an ursprünglicher Einfalt
ihm zu wenig zu eigen ist, so stattete dafür Herr Reicher seinen
Sch¬
dramatischen Dichter mit etwas zu viel Einfältigkeit aus, in der
Her
Erscheinung und im Ton. Aber die Trockenheit seiner Rede wirkte
spie
echt. In der sehr schwierigen Rolle des Fürsten ersetzte Herr
auf
Grunwald durch diskreteste Feinheit des Spiels, was der
zu
Gestalt an durchlauchtiger Vornehmheit wohl fehlte.
Die
Im Theater des Westens gastierte am Sonnabend in
leit
Rossinis „Barbier von Sevilla“ als Rosine Fräulein Yvonne de
Tréville von der Pariser Opéra comique. Eine weit über
TI
das Mittelmaß hinausreichende Künstlerin ist die Französin nicht.
ges¬
Dazu fehlt es vor allem ihrer Stimme an sinnlichem Reiz. In
We
der Höbe klingt ihr Organ, das an und für sich leidlich stark ist,
etwas scharf. Im übrigen aber bewies die Dame große Kunst=] So¬
„D
fertigkeit im Koloraturgesang und die schwere ihr dabei in dem
da
„Barbier“ gestellte Aufgabe löste sie, wenn auch nicht ohne Mühe,
„K.
so doch mit dem besten Gelingen. Als Darstellerin befriedigte
im
Fräulein Tréville durchaus. Ihr sympathisches Aeußere und ihre
ne#
graziösen Bewegungen kamen ihr dabei gut zu statten. Leider
im
stand die Vorstellung im ganzen auf einem nicht sonderlich hohen
Niveau und der Beifall des Publikums galt wohl nur ausschließlich Yr¬
be
dem französischen Gaste.
ur
In „Ferdinand Bonns Berliner Theater“ wurde am
D
Sonnabend wiederum die deutsche Literatur gerettet. Der neue
Dichter heißt Kurt Berns. Er hat nach einer Erzählung von G¬
Telephon 12801.
023
„UBSEMVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis. New-YVork. Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr)
Ausst a Jutionnn
p
M. O. Lessing=Theater. Arthur Schnitzler
dreiaktige Komödie „Zwischenspiel“, die gestern in
Lessing=Theater ihre Berliner Erstaufführung erlebte, ge
hört zu den Komödien, die mit dem Aermel an das Tra¬
gische streifen, aber sie unterscheidet sich auch von diesen
ihren Schwestern dadurch, daß sie es wagt, ein ernstes
Fragezeichen an ihren Schluß zu setzen. Sie symbolisiert
durch dies ungewöhnliche Verhalten die Eigenart ihres
Themas, das zu spielender Behandlung reizt und dann durch
seine eigne Schwerkraft den Dichter unversehens in eine
andere Stimmung zieht. Es sind die ewigen Rätsel von der
tiefen Verschiedenheit der Stellung der Geschlechter zu dem
Problem der Liebe und der Ehe, von denen darin in zwar
leichten und seinen Planderstunden gesprochen wird Das
alte Lied: was für den Mann ein Stück des Lebens ist, ist
iir die Frau das Leben selbst. Der Mann, von unaustilg¬
—
Apat
baren polygamistischen Instinkten getrieben, kann wohl
Liebe und Ehe, Leidenschaft und Treue schaiden, kann wohl in
sich die Kraft und Sicherheit fuhlen, nach einer erotischen
Episode zu dem tieferen Gefühl zurückzukehren, das ihn an
die Gefährtin des Lebens bindet, und dessen innere Fäden
auch während des „Zwischenspiels“ nicht zerrissen waren.
Die Frau wird das nie ganz verstehen, ja mehr, sie darf es
garnicht verstehen; denn wenn sie es versteht, so hat es meist
seine Gründe. Der Kapellmeister Amadeus Adams und
seine Gattin Cäcilie, ihres Zeichens berühmte und umwor¬
bene Opernsängerin, beschließen als freie Menschen, eine
Ehe der Wahrhaftigkeit zu führen, in der es unwürdige Ge¬
heimnisse nicht geben darf. So erstatten sie dann auch offen
einander Bericht, als Amadeus im Begriff ist, in die Netze
einer koketten singenden Gräfin zu gehen, und Cäcilie die
Neigung eines jungen fürstlichen Musikdilettanten zu er¬
widern beginnt. Zögernd geht die Frau, mit übermütigem
Siegesbewußtsein, der Mann darauf ein, die Konsequenzen
aus jener „Wahrhaftigkeit“ zu ziehen: man trennt sich auf
eine kurze Zeit in Freiheit und unter eigener Verantwor¬
tung wie Ibsen sagen würde. Aber als das Zwischenspiel
vorüber, zeigt sich die Verwirrung. Amadeus hat sorglos
sein Abenteuer bis zur Neige ausgekostet. Ernüchtert und
mit neuer, verstärkter Sehnsucht will er sich der Gattin wie
der nähern, die selbst dem Gatten im Sinne des Gesetzes
nicht die Treue gebrochen, deren ganzes Wesen aber in der
verhängnisvollen Zeit der Freiheit durchrüttelt und ver¬
sändert worden. Ihr Frauengefühl sträubt sich gegen die
autokratische Herrenmoral des Gatten, der zuerst im Sin¬
nenrausch des Wiedersehens leidenschaftlich ihrer begehrt,
sodann, aus dem Rausch erwachend, ihr Leben während der
Zwischenzeit mit ungerechter Eifersucht durchstöbert, und
seines bru¬
schließlich, als er die Grundlosigkeit
talen Verdachts erkennt, Cäcilie wieder dauernd
an sich fesseln will, wie Hellmer es mit Nora
versucht. Zu vieles liegt dazwischen: die episodische Tren¬
nung wird zur dauernden; sie „lassen sich nicht scheiden“, sie
als Scherzo angelegten
Aus dem
„scheiden sich“.
Zwischenspiel ist ein Capriccio doloroso geworden. Diesen
Stoff hat Schnitzler mehr zu einer These, als zu einer drama¬
tischen Handlung verarbeitet. Das Stück hat nicht genug
eigene Bewegungskraft, um plastische Gestalt anzunehmen; es
braucht der Worte, um zu leben. So ist es mehr das, was
über die Dinge gesagt wird, was interessiert und packt, als
diese Dinge selbst. Aber es ist kein geringes Vergnügen, dem
liebenswürdigen Geistreichtum zu lauschen, der über diese
Dialoge ausgebreitet ist. Der Dichter hat dazu eine reichlich
sorglos=leicht: Art der Behandlung gewählt, die in der Non¬
chalance des Szenenaufbaus sehr weit geht, an einer knifflichen
Stelle zu Beginn des dritten Aktes sich nur mit einem regel¬
rechten Monolog (er kehrt uns also selbst im modernen Drama
wieder!) aus der Verlegenheit hilft und durch die Einführung
20. Zwischensniel
Ae interessante Erscheinung. Sie war frücer BucheC.
solcher bypermodernen Ehe die eitle spielerische Erhöhung über die Jer
Forderungen der Natur in den Folgen sich selbst wiederlegen und Tit
gee
ironisieren. Ironisch und komisch und verdreht bis zur
Groteske werden die drei Alte durch allerhand begleitet.
nier
Ein dramatischer Dichter, als Vertrauter und Raisonneur durch
hin.
das Stück gebend, ironisiert das Verhältnis von Wirklichkeit
beh
und dem Bedürfnis des Dramas, indem er immer neue Schlu߬
zun
effekte vorschlägt In einer glänzenden, auf des Messers Schneide
Un
tanzenden Szene werden Ehemann und Liebhaber einander gegen¬
Bei
übergestellt. Vor allem ist Schnitzler wieder der intimste Kenner
au
weiblicher Seele, deren Wesen er, aller Sophistik zum Trotz, aufs
subtilste zergliedert. Und es ist interessant, daß auch bei ihm, wie
der
bei Ibsen, wie bei Bahr und Soaw, in diesen Krisen zwischen
der
Mann und Weib das Weib als der innerlich reichere, kompliziertere,
die
bedeutsamere Organismus dargestellt wird.
Mag nun die eigentliche Bühnenwirksamkeit dieses „Zwischen¬
lei
spiels“ nicht zu hoch eingeschätzt werden dürfen, ihr Dialog gebört
bei
zu dem geistyollsten, was die moderne deutsche Literatur gezeitigt
in
hat. Ueber Liebe und Ehe, das Verhältnis der Geschlechter — es
kor
blitzt und funkelt von fein pointierten Thesen und Amituesen. Ein
D
wunderbarer Teppich, an dessen Farben und Muster das Auge sich
un:
ergötzt, wenn die Linien sich wirr verästeln und verschlingen. Ueber
Hir
dem allen trug ein in den Hauptrollen meisterhaftes Spiel das
ibe
Werk zu einem Erfolg, der den Dichter nach allen Aktschlüssen vor
grü
den Vorhang rief. Ob auch die verblüffende Schlußwendung den
stei
Widerspruch laut werden ließ, da nach manchem Gaukelspiel komischer
ein
und dialektischer Klangverbindungen die etwas sentimentale ernste
Eng
Note das Zwischenspiel endet. Frau Triesch machte die subtile
der
Seelenschilderung des Dichters ebenso wahr wie die Irrwege
plöt
seiner Sophistik. Das Weib, dem das klarere Bewußtsein elementarer
reic
Kräfte innewohnt. Ein wunderbares Spiel, wenn im Anfang die
eini
ängstliche Erkenntnis schwindender Liebe des Gatten mit dem Stolz
Sal
des Weibes kämpfen. Leidenschaft und der Ausbruch der befreiten
kem:
Kreatur, die Sehnsucht unerfüllter Wünsche, ihre anklagende Dialektik,
geke
ihr stummer Schmerz am Schluß, das war ein Menschenbild. Herr
trac
Bassermann, vorzüglich in der Maske, gab den Künstler als
„W
das große naive Kind, das mit sanguinischem Optimismus, mit
tänzelnder Dialektik über die Abgründe voltigiert, sich selbst als Ueber¬
das
mensch betrügt. Wenn vielleicht etwas an ursprünglicher Einfalt
ihm zu wenig zu eigen ist, so stattete dafür Herr Reicher seinen
Sch¬
dramatischen Dichter mit etwas zu viel Einfältigkeit aus, in der
Her
Erscheinung und im Ton. Aber die Trockenheit seiner Rede wirkte
spie
echt. In der sehr schwierigen Rolle des Fürsten ersetzte Herr
auf
Grunwald durch diskreteste Feinheit des Spiels, was der
zu
Gestalt an durchlauchtiger Vornehmheit wohl fehlte.
Die
Im Theater des Westens gastierte am Sonnabend in
leit
Rossinis „Barbier von Sevilla“ als Rosine Fräulein Yvonne de
Tréville von der Pariser Opéra comique. Eine weit über
TI
das Mittelmaß hinausreichende Künstlerin ist die Französin nicht.
ges¬
Dazu fehlt es vor allem ihrer Stimme an sinnlichem Reiz. In
We
der Höbe klingt ihr Organ, das an und für sich leidlich stark ist,
etwas scharf. Im übrigen aber bewies die Dame große Kunst=] So¬
„D
fertigkeit im Koloraturgesang und die schwere ihr dabei in dem
da
„Barbier“ gestellte Aufgabe löste sie, wenn auch nicht ohne Mühe,
„K.
so doch mit dem besten Gelingen. Als Darstellerin befriedigte
im
Fräulein Tréville durchaus. Ihr sympathisches Aeußere und ihre
ne#
graziösen Bewegungen kamen ihr dabei gut zu statten. Leider
im
stand die Vorstellung im ganzen auf einem nicht sonderlich hohen
Niveau und der Beifall des Publikums galt wohl nur ausschließlich Yr¬
be
dem französischen Gaste.
ur
In „Ferdinand Bonns Berliner Theater“ wurde am
D
Sonnabend wiederum die deutsche Literatur gerettet. Der neue
Dichter heißt Kurt Berns. Er hat nach einer Erzählung von G¬
Telephon 12801.
023
„UBSEMVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis. New-YVork. Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr)
Ausst a Jutionnn
p
M. O. Lessing=Theater. Arthur Schnitzler
dreiaktige Komödie „Zwischenspiel“, die gestern in
Lessing=Theater ihre Berliner Erstaufführung erlebte, ge
hört zu den Komödien, die mit dem Aermel an das Tra¬
gische streifen, aber sie unterscheidet sich auch von diesen
ihren Schwestern dadurch, daß sie es wagt, ein ernstes
Fragezeichen an ihren Schluß zu setzen. Sie symbolisiert
durch dies ungewöhnliche Verhalten die Eigenart ihres
Themas, das zu spielender Behandlung reizt und dann durch
seine eigne Schwerkraft den Dichter unversehens in eine
andere Stimmung zieht. Es sind die ewigen Rätsel von der
tiefen Verschiedenheit der Stellung der Geschlechter zu dem
Problem der Liebe und der Ehe, von denen darin in zwar
leichten und seinen Planderstunden gesprochen wird Das
alte Lied: was für den Mann ein Stück des Lebens ist, ist
iir die Frau das Leben selbst. Der Mann, von unaustilg¬
—
Apat
baren polygamistischen Instinkten getrieben, kann wohl
Liebe und Ehe, Leidenschaft und Treue schaiden, kann wohl in
sich die Kraft und Sicherheit fuhlen, nach einer erotischen
Episode zu dem tieferen Gefühl zurückzukehren, das ihn an
die Gefährtin des Lebens bindet, und dessen innere Fäden
auch während des „Zwischenspiels“ nicht zerrissen waren.
Die Frau wird das nie ganz verstehen, ja mehr, sie darf es
garnicht verstehen; denn wenn sie es versteht, so hat es meist
seine Gründe. Der Kapellmeister Amadeus Adams und
seine Gattin Cäcilie, ihres Zeichens berühmte und umwor¬
bene Opernsängerin, beschließen als freie Menschen, eine
Ehe der Wahrhaftigkeit zu führen, in der es unwürdige Ge¬
heimnisse nicht geben darf. So erstatten sie dann auch offen
einander Bericht, als Amadeus im Begriff ist, in die Netze
einer koketten singenden Gräfin zu gehen, und Cäcilie die
Neigung eines jungen fürstlichen Musikdilettanten zu er¬
widern beginnt. Zögernd geht die Frau, mit übermütigem
Siegesbewußtsein, der Mann darauf ein, die Konsequenzen
aus jener „Wahrhaftigkeit“ zu ziehen: man trennt sich auf
eine kurze Zeit in Freiheit und unter eigener Verantwor¬
tung wie Ibsen sagen würde. Aber als das Zwischenspiel
vorüber, zeigt sich die Verwirrung. Amadeus hat sorglos
sein Abenteuer bis zur Neige ausgekostet. Ernüchtert und
mit neuer, verstärkter Sehnsucht will er sich der Gattin wie
der nähern, die selbst dem Gatten im Sinne des Gesetzes
nicht die Treue gebrochen, deren ganzes Wesen aber in der
verhängnisvollen Zeit der Freiheit durchrüttelt und ver¬
sändert worden. Ihr Frauengefühl sträubt sich gegen die
autokratische Herrenmoral des Gatten, der zuerst im Sin¬
nenrausch des Wiedersehens leidenschaftlich ihrer begehrt,
sodann, aus dem Rausch erwachend, ihr Leben während der
Zwischenzeit mit ungerechter Eifersucht durchstöbert, und
seines bru¬
schließlich, als er die Grundlosigkeit
talen Verdachts erkennt, Cäcilie wieder dauernd
an sich fesseln will, wie Hellmer es mit Nora
versucht. Zu vieles liegt dazwischen: die episodische Tren¬
nung wird zur dauernden; sie „lassen sich nicht scheiden“, sie
als Scherzo angelegten
Aus dem
„scheiden sich“.
Zwischenspiel ist ein Capriccio doloroso geworden. Diesen
Stoff hat Schnitzler mehr zu einer These, als zu einer drama¬
tischen Handlung verarbeitet. Das Stück hat nicht genug
eigene Bewegungskraft, um plastische Gestalt anzunehmen; es
braucht der Worte, um zu leben. So ist es mehr das, was
über die Dinge gesagt wird, was interessiert und packt, als
diese Dinge selbst. Aber es ist kein geringes Vergnügen, dem
liebenswürdigen Geistreichtum zu lauschen, der über diese
Dialoge ausgebreitet ist. Der Dichter hat dazu eine reichlich
sorglos=leicht: Art der Behandlung gewählt, die in der Non¬
chalance des Szenenaufbaus sehr weit geht, an einer knifflichen
Stelle zu Beginn des dritten Aktes sich nur mit einem regel¬
rechten Monolog (er kehrt uns also selbst im modernen Drama
wieder!) aus der Verlegenheit hilft und durch die Einführung